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Kollege Computer hilft bei der Hautkrebsdiagnostik

Braun gebrannt sind viele inzwischen wieder aus dem Urlaub zurückgekehrt. Braun sein gilt immer noch als chic. Doch leider hält unsere Haut das nicht gut aus. Allein in Deutschland erkranken jedes Jahr rund 100.000 Menschen an Hautkrebs. Jeder Vierte hat ein erhöhtes Hautkrebsrisiko. Dazu zählen beispielsweise Menschen, die mehr als 50 Muttermale haben. Sie sollten sich mindestens einmal im Jahr, besser wäre halbjährlich, untersuchen lassen. Denn wenn der Hautkrebs früh erkannt wird, gibt es gute Heilungschancen. Seit rund zwei Jahren hilft den Ärzten ein Computer bei der Diagnosestellung. Ein Verfahren, das sich inzwischen bewährt hat.

Stefanie Kowalewski |
    Ich habe vorwiegend Muttermale auf dem Rücken, die ich auch selber nicht beurteilen kann, da ich die auch nicht sehe. Ich weiß nicht ob die sich verändern, ob die dunkel werden oder nicht.

    Um Herauszufinden, ob das Muttermal des Patienten gut– oder bösartig ist, fährt der leitende Oberarzt an der Universitätshautklinik in Bochum, Dr. Klaus Hoffmann, mit einer hochauflösenden digitalen Kamera über die betreffenden Hautstellen. Dabei kann er das Bild stufenlos bis zu 50fach vergrößern und es gleichzeitig gemeinsam mit dem Patienten auf dem Monitor ansehen. Das computergestützte Diagnoseverfahren ermöglicht erstmals Bilder verdächtiger Muttermale zu speichern und ihre Entwicklung genau zu verfolgen. Bei jeder neuen Untersuchung werden die Daten automatisch mit den früheren Befunden verglichen und ausgewertet.

    Wie gefährlich ist mein Muttermal? Ich hab jetzt das Bild von gerade auf dem Bildschirm und das von vor einem halben Jahr. Und der Vergleich von beiden Bildern ist natürlich auch sehr hilfreich, dass wir vermeiden können möglicherweise eines zuviel herauszuschneiden. Also was man ganz gut sehen kann an diesem Muttermal, dass es schön scharf begrenzt ist, dass es hellbraun ist, dass keine schwarzen Flecken oder Erhabenheiten darin sind. Und genau das gleiche haben wir auch schon vor einem halben Jahr gesehen. Mit anderen Worten können wir relativ sicher sagen, dass das Ding gutartig ist.

    Der Hautarzt ist von dem neuen System begeistert, denn es erleichtert ihm nicht nur die Diagnose, sondern es macht sie auch sicherer. Bisher begutachteten die Mediziner die Hautmale in ungefähr 15facher Vergrößerung durch eine speziellen Lupe. Sie waren also maßgeblich auf die Wahrnehmung ihrer Augen angewiesen.

    Das Problem beim Hautkrebs ist, dass wir außer unseren Augeninformationen nur relativ wenig Informationen haben. Und was wir nun machen ist eine so genannte Auflichtmikroskopie. D.h. wir schauen wie mit einer Taucherbrille durch die obersten Hornschichten der Haut hindurch und schauen dann auf die Pigmentzellen der Haut.

    Klaus Hoffmann war gemeinsam mit Kollegen aus 14 europäischen Hautkliniken maßgeblich an der Entwicklung der neuen Technologie beteiligt. Gemeinsam mit der Bochumer Firma ZN Visiomed führten sie die weltweit größte Studie zur computergestützten Hautkrebsfrüherkennung durch. So trugen sie eine einzigartige Falldatenbank mit den Informationen zu Pigmentmalen und ihren Befunden zusammen und fütterten mit diesem gesammelten Wissen den Computer. Heraus kam ein überaus cleverer Kollege, bestehend aus Bits und Byts, der die Analysen von über 25.000 Hautbildern gespeichert hat.

    So viele Daten, wie ein einzelner Arzt in seinem ganzen Leben wohl niemals zu sehen bekommt. Und das erklärt auch diese extreme Genauigkeit und erfolgreiche Klassifikation, die mit diesem System möglich ist.

    Und: das Computerprogramm lernt bei jeder weiteren Untersuchung dazu. Es ist ein so genanntes neuronales Netzwerk, dass dem menschlichen Gehirn nachempfunden ist, erklärt ZN Vorstandsvorsitzender Hartmuth von Maltzahn:

    Wir trainieren den Computer genauso wie ein menschliches Gehirn trainiert wird. Der Computer lernt dazu, wie der Dermatologe auch, denn jeder neue Fall, der für den Dermatologen eine Erfahrung bedeutet, bedeutet für den Computer auch eine neue Erfahrung. Und so wird das System immer intelligenter und besser, je mehr Daten es hat, je mehr Bilder es hat und je mehr Merkmale es berücksichtigen kann in der Analyse.

    Die Analyse bei der Hautkrebsuntersuchung beginnt schon während der Aufnahme. Die komplexe Software bewertet das Hautmal nach rund 50 verschiedenen Anhaltspunkten wie Form, Farbe und Größe. Die Aufnahme wird dann noch mit den Daten der gespeicherten 25.000 Hautmalbilder verglichen. Als Ergebnis des Datenabgleichs erstellt das Programm eine Risikoeinschätzung, die dem Arzt bei der endgültigen Diagnose helfen soll.

    Der Computer sagt, ob etwas gut oder bösartig ist, aber nur als Anleitung, als zusätzliche Hilfe für den Arzt. Das heißt er benutzt die gleichen Kriterien, die wir Fachärzte benutzen, um letztlich eine zusätzliche Idee abzuliefern, ob etwas gut– oder bösartig ist. Aber er erstellt keine Diagnose. Eine Diagnose kann nur basierend auf der Computeranalyse durch den Arzt gestellt werden.

    Die Bilder können ausgedruckt oder per E–mail in Sekundenschnelle an andere Ärzte oder Labore verschickt oder per Internetkonferenzen gemeinsam mit Kollegen online diskutiert werden. Inzwischen wird die computergestützte Hautkrebsdiagnostik in nahezu alle größeren Hautkliniken und größeren Arztpraxen eingesetzt. Zum Vorteil für den Patienten, ist der Computerspezialist Hartmuth von Maltzahn überzeugt.

    Der Vorteil für den Patienten ist eine sehr viel höhere Diagnosesicherheit, die weit über 95 Prozent liegt und .... dass ....er sehr genau informiert wird über den Verlauf seiner Muttermale.

    Der Mediziner Klaus Hoffmann sieht einen noch einen zweiten, ganz wichtigen Vorteil der neuen Technologie.

    ...und zwar, dass man es sich auch leisten kann, möglicherweise mal ein Pigment nicht herauszunehmen, sondern es zu belassen und beim nächsten mal, ein halbes Jahr oder ein Jahr später, mit den Voraufnahmen, die man auf der Festplatte gespeichert hat, zu vergleichen, und erst dann zu entscheiden, ob man es herausnehmen muss, oder nicht.

    Doch da die Hautkrebsvorsorge von den Krankenkassen nicht mehr bezahlt wird, müssen Patienten, bei denen kein Anfangsverdacht besteht, die Kosten der Untersuchung von bis zu 50 Euro selbst tragen.

    Beitrag als Real-Audio

    020827-Hautkrebs.ram