Freitag, 29. März 2024

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Kolumba in Köln
"Kunst ist eine notwendige Bereicherung"

Das Kolumba wird am 14. September zehn Jahre alt. Der Kulturbetrieb sei zu sehr in die Defensive geraten, kritisierte Stefan Kraus, der Direktor von Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln. Zudem sei Kunst für viele immer noch eine nette Sonntagsbeschäftigung, sagte er im Dlf.

Stefan Kraus im Gespräch mit Andreas Main | 05.09.2017
    Eine Frau im Kolumba-Museum vor einem Gemälde von Michael Toenges
    Kolumba: Besucher vor einem Gemälde von Michael Toenges (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Andreas Main: Als jüngst Kardinal Meisner starb, da gab es nicht nur wohlwollende Nachrufe. Der Erzbischof von Köln hat manche Wunde hinterlassen. Aber auch ein Erbe, das bleiben wird. Und vieles oder das meiste überdauern wird, was es sonst so gibt in Köln. Die Rede ist von Kolumba. Das Kunstmuseum des Erzbistums Köln ist weit über Köln hinaus bekannt. Ja, es hat europa- und weltweit Freunde und Anhänger. Das liegt nicht nur - aber auch an der Architektur des genialen, als schwierig geltenden Schweizer Architekten Peter Zumthor, dem das Bistum - anders als etwa die Stadt Berlin - Zeit und Raum gegeben hat, einen Museumsbau zu entwerfen und zu realisieren, der uns alle, die wir hier sitzen oder zuhören, überleben wird. Kolumba, dieses Museum, wird in diesen Tagen zehn Jahre alt. Direktor ist von Anfang an Stefan Kraus. Wir beide wollen sprechen über Kunst und Kirchen. Ein Gespräch, das wir aufzeichnen, weil es recht eng ist - kurz vor Eröffnung der neuen Jahresausstellung von Kolumba. Guten Morgen, Stefan Kraus.
    Stefan Kraus: Guten Morgen, Herr Main.
    Main: Herr Kraus, für die, die Ihr Haus nicht kennen, lassen Sie uns mal rausarbeiten, was es einzig macht, und das ist nicht als Lobhudelei zu verstehen, sondern es gibt de facto einige Punkte, die es so sonst nicht gibt. Beginnen wir damit, dass bei Ihnen zeitgenössische Kunst mit alter Kunst konfrontiert wird. Welchen Erkenntnisgewinn bringt das?
    Kraus: Naja, vielleicht ein kleines bisschen Demut. Dass man sieht, wir sind nicht die Ersten auf dieser Erde. Da gab es schon andere Menschen, die sich über bestimmte Themen Gedanken gemacht haben und Ausdrucksformen gesucht haben für Dinge, die man erfahren könnte. Und auch zu sehen, dass diese Themen eben - auch wenn wir denken, dass alles in einer schnellen Entwicklung begriffen ist, der Fortschritt uns jeden Tag weiter treibt - vielleicht dann doch, vielleicht auch aus anthropologischen Gründen, über die vielen Jahrhunderte sich so entscheidend gar nicht verändern.
    Main: Weitere Einzigartigkeit, die vielleicht wie eine Lappalie wirken mag, aber ein Konzept hat: Bei Ihnen gibt es kein Museums-Café, sondern einen Lesesaal, auch von Peter Zumthor gestaltet. Steckt dahinter eine Haltung von Antikonsum?
    Stefan Kraus, Direktor von Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln.
    Stefan Kraus, Direktor von Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln. (Paul Wontorra / © Kolumba, Köln)
    Kraus: Ganz sicher auch. Ich glaube, man muss bei Kolumba einfach damit beginnen, dass einfach der Name ja schon eine Einzigartigkeit bringt. Wir haben bewusst darauf verzichtet, es Kolumba-Museum zu nennen, damit das, was man von einem Museum mittlerweile erwartet - wie eben auch ein Museums-Café - vielleicht 'auf Kolumba' in eine ganz andere Richtung führt. Und wenn ich 'auf Kolumba' sage, dann merken Sie, dass man sich schon schwer tut, genau zu sagen, wie benennt man es denn. Denn zuallererst ist es ja ein Ort.
    Es ist ein Ort, der zurückreicht bis in die Römerzeit mit einer einzigartigen Dichte archäologischer Ausgrabungen, die über eine fränkische, erste Kapelle an dieser Stelle und drei romanische Vorgängerbauten bis zu einer gotischen Kirche führen, die dann eben im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört wurde. Und genau auf diesem Ort wurde aus Sankt Kolumba eben Kolumba.
    In der Weiterführung der Architektur - Peter Zumthor hatte damals diesen genialen Vorschlag, dass man tatsächlich den alten Grundriss der Kirche übernimmt und ihn fortführt. Und Sie merken, aus dieser architektonischen Überlegung heraus und unserem Wunsch, das alle diese Reste, die da waren, vollständig erhalten bleiben sollten, ergibt sich dann auch eine gewisse Schlüssigkeit, dass man an diesem Ort alte Kunst und zeitgenössische Kunst zusammen zeigen kann.
    Der Schweizer Architekt Peter Zumthor. Er plante das Kolumba Museum in Köln.
    Der Schweizer Architekt Peter Zumthor. (imago / ZUMA Press)
    Main: Bei Ihnen werden Ausstellungen einmal im Jahr verändert, eine neue Ausstellung wird jetzt im September gezeigt. Also auch hier die Haltung; bloß keine Aufregung, einmal im Jahr wechseln, nicht der Hektik des Kunstmarktes hinterherhecheln.
    Kraus: Ja da kommt eine ganze Menge zusammen. Wobei ich natürlich sofort da entgegenhalten möchte, dass man nicht daraus schließen sollte, dass das langweilig ist, überhaupt nicht. Wir haben einen Hauptthemenwechsel, einmal im Jahr, jeweils zum 14. September, also genau zum Geburtstag dieses Hauses, am 14. September 2007 war die Einweihung. Eine neue Jahresausstellung zu eröffnen, das geschieht nach langer Vorbereitung - die geht auf drei, vier Jahre zurück - vorwiegend mit Werken aus der eigenen Sammlung. Das heißt, man sieht nie das ganze Museum, nie die ganze Sammlung, sondern immer nur einen kleinen Teil, und diesen Teil immer fokussiert auf einen bestimmten Gedanken hin.
    "Zurück zu existenziellen Themen"
    Main: Sie haben hier im Deutschlandfunk mal gesagt, wer Kolumba verlässt, soll das Haus aufrechter verlassen. Wodurch entsteht das?
    Kraus: Das entsteht vielleicht schon allein dadurch, was Sie eben angesprochen haben, dass man beim Betreten von Kolumba spürt, dass das kein Ort ist, der jetzt irgendwie in eine Richtung denkt, die man so erwartet hat. Da soll also nichts verkauft werden, man soll auch nicht belehrt werden, es gibt keine Informationstafeln, sondern ich glaube, man wird sich dem privateren Charakter, den wir versucht haben mit Peter Zumthor zu entwickeln und zu realisieren, kaum entziehen können und auch merken, dass das ein Ort ist, der schon aufgrund dieser großen Zeitspanne, die man da einatmen kann, einem empfiehlt, sich selbst ein wenig mehr Zeit zu lassen.
    Das kann dann dazu führen, dass man sich im Innenhof von Kolumba unter die Bäume setzt oder in dem von Ihnen angesprochenen Lesezimmer einfach aus dem Fenster schaut, gar nicht merkt, wie die Zeit verstreicht und vielleicht auch ein wenig vergisst, weswegen man eigentlich gekommen ist, um dann am Ende das Haus vielleicht wirklich ein kleines bisschen aufrechter zu verlassen. Wobei das sicherlich auch wieder mit der Architektur zu tun hat, denn es gibt unglaublich schlanke, hohe Treppenhäuser zum Beispiel. Es gibt drei Ausstellungsräume, die über zehn Meter hoch sind, wo das Aufrichten gar nicht so schwer fällt.
    Main: Sie sagten eben, man soll nicht belehrt werden. Soll man denn missioniert werden?
    Kraus: Nein, ich glaube das wäre der falsche Ansatz. Das, was Kardinal Meisner - der das Projekt ja 1990, 1991 angestoßen hat, im Wunsch aus einem alten Diözesanmuseum, 1853 gegründeten Museum - dann doch eine zukünftige Institution zu machen, das war, dass man spürt, dass in diesem Hause mit christlichen Inhalten umgegangen wird, aber mit den Mitteln eines Kunstmuseums.
    Dass Kunst ein Medium sein könnte, uns dann doch wieder zu existenziellen Themen zurückzuführen und tatsächlich ein Medium sein könnte, dass uns die Muße gibt, um überhaupt wieder durchlässig zu werden, dann am Ende auch für religiöse Themen, für religiöse Fragen. Aber nicht im Sinne einer Missionierung, die mit dem Zeigefinger daherkommt, sondern viel weiter verstanden im Sinne, dass wir große Themenfelder aufmachen, dass wir die Arme, glaube ich, weit aufspannen, dass wir auch zeigen, wie sich jetzt in der nächsten Ausstellung zeigen wird, wie sich aus der Antike im Grunde genommen das Christentum auch langsam entwickelt. Also eher auch da in der Ambivalenz, als eben alles genau über den Leisten zu brechen und eindeutig werden zu lassen.
    "Annäherung an Kunst kann ein Abenteuer sein"
    Main: Stefan Kraus, Direktor von Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln, im Deutschlandfunk bei 'Tag für Tag - Aus Religion und Gesellschaft'. Herr Kraus, lassen Sie uns ein paar Bedenken ansprechen, kritische Fragen, denen Sie sich auch stellen müssen. Ich denke, dass das Gros der Deutschlandfunkhörerinnen und Hörer eine gewisse Affinität zu Kunst und Kultur im Besonderen und auch zu bildender Kunst im Allgemeinen hat, aber nicht jede und jeder ist ein leidenschaftlicher Freund moderner Kunst. Was halten Sie entgegen, wenn jemand fragt, ob das Geld nicht besser in Hilfsprojekten angelegt wär?
    Kraus: Dass man auf fatale Weise im Grunde genommen Dinge gegeneinander ausspielt, die in eine Waagschale gehören. So sehr man sich um Karitatives, um Soziales bemüht, - das ist ganz wichtig, das ist selbstverständlich, aber -, der Mensch lebt nicht vom Brot alleine. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man die Kultur nicht vergisst, dass man auch das Denken nicht vergisst. Im Gegenteil: Ich glaube, je weniger man zur Verfügung hat, desto planvoller muss man mit dem Wenigen umgehen. Das war bei Kolumba zum Beispiel in der Planung schon eine Vorgabe, dass wir versucht haben, ein Haus mit einer Nachhaltigkeit zu entwickeln, die damals noch sehr ungewohnt war, die sich aber bis heute sehr bewährt hat - also bitte nicht das Eine gegen das Andere ausspielen. Der Mensch ist doch komplexer - und zu ihm gehören beide Dinge.
    Kolumba - Kunstmuseum des Erzbistums Köln.
    Kolumba - Kunstmuseum des Erzbistums Köln. (picture alliance / dpa / Federico Gambarini)
    Main: Manch einer fragt ja auch immer wieder gerne schmunzelnd: 'Ist das Kunst - oder kann das weg?' Inwieweit birgt die Koalition von Kunst und Kirche in Kolumba die Gefahr, dass Kirche als abgehoben, als elitär angesehen wird, wie eben auch manch ein Künstler.
    Kraus: Also, was mich an diesem Beruf als Kunstvermittler bewegt, ist ja eben diese Frage, die ich mir jeden Tag aufs Neue stellen muss. Wenn ich ein Atelier betrete, dann ist das die entscheidende Frage: Ist das überhaupt Kunst und woran erkenne ich das. Und dann haben wir gelernt - und das hat sich auch in der Praxis bewährt - dass es die zehn Kriterien nicht mehr gibt, nach denen man das vielleicht erkennen könnte, die sich auch zu allen Zeiten der Ästhetik nie wirklich bewährt haben, weil die Kunst im Grunde genommen voranschreitet, weil die Künstler uns wieder ein kleines Stück voraus sind, sodass man jeden Tag aufs Neue die Kriterien entwickeln muss.
    Und dann wird es ja erst richtig spannend: Dass etwas, das ich sinnlich erleben kann, mich dann am Ende auch zum Sinn führt. Und im Grunde genommen versuchen wir ja in Kolumba nichts anderes, als dass wir das, was wir als Kunstvermittler und Kunsthistoriker so erleben und - in der Aufgabe uns da sehend - auch täglich machen, dass wir dafür einen öffentlichen Raum schaffen. Dass man mit diesem Wagnis, mit Kunst umzugehen und sich anzunähern, - und zwar nicht auf eine enge Weise, sondern auch tatsächlich auf eine spielerische Weise, die die Fantasie braucht, die die Kreativität braucht, die vielleicht Zeit braucht -, dass das ein wirkliches Abenteuer sein kann.
    Kirche als Kulturträgerin
    Main: Stichwort Wagnis, Kunst, Stichwort Abenteuer. Künstler und Kunst sind unberechenbar, Kirche will in gewisser Weise auch verlässlich sein, nur so hat sie es geschafft, 2000 Jahre zu überleben. Beißt sich das nicht irgendwo?
    Kraus: Das war am Anfang des Konzeptes sicherlich die Frage, und das war sicherlich am Anfang auch eine Gratwanderung. Wobei man sich ja dann immer wieder bewusst machen muss, dass Kirche in unserer Kultur jahrhundertelang eine Kulturträgerin war. Und dass die ganze Kunstgeschichte ohne die Kirche als Kulturträgerin ja nicht denkbar gewesen wäre.
    Main: Als Mäzenin auch!?
    Kraus: Als Mäzenin. Und das war dann im Grunde genommen das Wagnis, das darin bestand, herauszufinden, ob Kirche das im 20., im 21. Jahrhundert wieder sein kann. Das ist die Voraussetzung, dass in diesem Haus tatsächlich die Kunst eine Freiheit hat, die ihr ja niemand geben kann, die sie als Medium in sich trägt, um dann herauszufinden, worin liegt die Verbindung dann eigentlich auch zum eigenen Träger.
    Eine Terrakotta-Skulptur von Heinz Breloh steht am 12.09.2014 in Köln bei der Präsentation der Jahresausstellung des Diözesanmuseums Kolumba vor dem Gemälde "Je t'aime" von Robert Klümpen.
    Eine Skulptur von Heinz Breloh in Kolumba in Köln (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Main: Als Advocatus Diaboli, als des Teufels Advokat frage ich Sie: Wie viele der Künstler, die Sie zeigen und sammeln, sind Mitglieder der katholischen Kirche.
    Kraus: Danach fragen wir gar nicht. Wir gucken uns die Werke an, wir gehen über die Werke. Und Werke, die uns überzeugen, mit denen beschäftigen wir uns. Das heißt, da gibt es schon einige Kriterien. Also ich beschäftige mich mit Kunst deshalb, weil ich denke, sie ist ein existenzielles Ausdrucksmittel. Und wenn ich das wiederfinde, dann interessiert es mich dann irgendwann vielleicht auch, wer hat das denn gemacht, was ist das für einer?
    Und was ich jetzt nach über 25 Jahren, der ich dieser Institution angehöre, doch sagen kann, ist, dass es gar nicht darauf ankommt, zu fragen, ist der Künstler katholisch? Ist das jetzt jemand, der regelmäßig in die Messe geht? Und, und, und, und, und.
    Sondern, dass wir herausfinden, da gibt es eine Nähe des Künstlers und dessen, was ihn beschäftigt, für das er einen Ausdruck sucht im Kunstwerk, das er nicht benennen kann, das er sprachlich nicht fassen kann, das er vielleicht auf anderem Weg nicht darstellen kann. Da gibt es eine Nähe von diesen Themen, die ihn beschäftigen, zu dem, was die Themen der katholischen Kirche sind.
    "Oberflächliche Kunst und Skandale interessieren mich nicht"
    Main: Sie hören den Deutschlandfunk, die Sendung Tag für Tag im Gespräch mit Stefan Kraus. Herr Kraus, Sie haben vorhin angesprochen, dass Kirche immer auch Kunstförderin war. Es gab auch Phasen, in denen Kirche und Kunst sehr in Konflikt geraten sind, vor allem auch dann, wenn Künstler - manchmal auf billige, manchmal auf intelligente Weise - provoziert haben, Stichwort Blasphemie. Welche Rolle spielt diese Debatte heute noch?
    Kraus: Ich bin am Skandal nicht wirklich interessiert, das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Ich finde, vieles in der Kunst ist vordergründig, nicht nur im Thema der Religion, sondern auch in anderen Themen halt.
    Wenn ich jetzt an die Flüchtlingsdebatte denke, ich weiß, als das World Trade Center in New York eingestürzt war, was dann ein Jahr später als Kunstproduktion da entstand, da gibt es dann sehr viel Oberflächliches, das ist nicht das Entscheidende.
    Wir gucken dann schon tiefer, und das bewegt uns und das beschäftigt uns. Und da gibt es durchaus Provokation, natürlich. Oder auch Dinge, die uns provozieren, weil vielleicht wir merken, dass unsere eigenen Kriterien zu eng gefasst sind.
    Erinnern Sie sich, dass wir als eine der Jahresausstellungen eine Ausstellung gemacht haben mit dem Titel 'Noli me tangere - Berühre mich nicht!' Und das war dann auf dem Höhepunkt im Grunde genommen der Debatte, der Veröffentlichung um den sexuellen Missbrauch im Bereich der Kirche. Da ist die Kunst durchaus in der Lage, da mussten wir die Sammlung gar nicht irgendwie querbürsten, sondern da ist die Kunst durchaus in der Lage, uns daran zu erinnern, dass der Respekt eines Individuums zum anderen eine ganz wesentliche Sache ist. Und dass die Frage, wann beginnt eigentlich das Verfügen über den anderen, die dann bis zu einem Missbrauch hinführen kann. Da hatten wir in der Ausstellung schon sehr deutliche Beiträge, die aber dann, wenn man den Kontext richtig fasst und gerade auch in der Vermittlung mit alter Kunst, die ja - wie Sie wissen - auch sehr drastisch sein kann, zu sehr drastischen Darstellungen gefunden hat, verständlich wird und eben gar nicht mehr als Skandal daherkommt, sondern mit einer Tiefe, die dann eben der Tiefe des Themas dann auch viel besser entspricht.
    "Kunst ist mehr als eine Sonntagsbeschäftigung"
    Main: Jetzt mal ein bisschen losgelöst von Kolumba. Wie würden Sie heutzutage das Verhältnis von Kirchen und Kunst beschreiben?
    Kraus: Das Verhältnis von Kirche und Kunst ist immer ein Verhältnis, das man nicht abstrakt fassen kann. Das hängt immer von Menschen ab. Und ich glaube, Kolumba wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht im 20. Jahrhundert, gerade in Köln, eine ganze Reihe von Vorläufern gewesen wären, wo sich einzelne Personen sehr dafür eingesetzt haben, dass zusammenkommt, was zusammengehört.
    Es ist heute so, dass, ich glaube, das Verhältnis von Kunst und Kirche kein anderes ist wie von Kunst und Politik, um nicht zu sagen, es könnte wesentlich besser sein.
    Dass Kunst für viele Menschen leider, bei allem, was wir meinen als Kulturnation dafür zu tun, viel zu sehr in den Event abgeglitten ist. Dass Kunst für viele immer noch eine nette Sonntagsbeschäftigung ist, aber dass Arbeit von Künstlern nicht als etwas verstanden wird, das in einer pluralistischen Gesellschaft für das Bestehen dieser Gesellschaft gerade aus einer kritischen Perspektive heraus, eine ganz notwendige Bereicherung ist, mit der man sich beschäftigen muss.
    Ich glaube, da stehen wir - bei allen Aufwendungen, die im Kulturbetrieb gemacht werden - ob als Museumsleute, als Kunstvermittler, ob als Theaterleute, ob als Musiker, denken Sie an die Orchesterdebatten, die geführt wurden - leider immer viel zu sehr in der Defensive.
    Main: Was können wir - egal, ob Sie als Museumsmacher oder Ihr Auftraggeber, die katholische Kirche oder wir als Hörer - was können wir von Künstlern lernen?
    Kraus: Sich mit einer Sache leidenschaftlich zu beschäftigen, die nach äußeren Kriterien eigentlich zwecklos ist und keine direkt erkennbare Funktion hat. Die uns aber so bereichert, wie wir das - jeder für sich - wahrscheinlich in Situationen erinnert, die er als Kind erlebt hat, wenn er Nachmittage lang an irgendetwas gespielt hat, was für Außenstehende überhaupt nicht zu begreifen war.
    Main: Was können Künstler von der katholischen Kirche lernen?
    Kraus: Dass es sich immer lohnt, sich tatsächlich mit Themen zu beschäftigen, die uns in unserem Leben schwerfallen: Tod, Trauer, Krankheit. Dass das Themen sind, wo, ich glaube, gerade die Kunst ein hervorragendes Medium ist, um nicht nur für sich selber Dinge zu bewältigen - ich kenne eine Reihe von Künstlern, die das sofort bejahen würden, dass für sie Kunst auch eine Form der Therapie, der Eigentherapie war - sondern dass es sich lohnt, sich dafür einzusetzen, dass andere Menschen das auch erfahren können.
    "Geduld und Präzision"
    Main: Ich habe am Anfang Peter Zumthor erwähnt, den Architekten Ihres Hauses. Die Baukunst dieses Peter Zumthor ist Teil Ihrer Gesamtidee, Ihrer Konzeption. Ganze Architekturkurse von Universitäten pilgern zu Ihnen, vermutlich auch, weil diese Architektur ergreifend ist. Das Ergriffenwerden, ich denke, das ist ein zentraler Punkt, wenn man dieses Museum kennenlernen will oder verstehen will.
    Kraus: Das Spannende für uns ist ja, dass die Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen kommen. Und Sie haben Recht, sehr viele junge Menschen kommen zu uns, weil sie Architektur studieren oder architekturinteressiert sind. Das Entscheidende ist ja, mit welchem Eindruck gehen die. Und die merken, dass dieses Ergriffensein auf Kolumba im Grunde genommen sich gar nicht zergliedern lässt.
    Blick auf die Fassade des Kolumba Museums in Köln, geplant vom Schweizer Architekten Peter Zumthor.
    Blick auf die Fassade von Kolumba in Köln, geplant vom Schweizer Architekten Peter Zumthor. (picture alliance / dpa / Federico Gambarini)
    Ort, Architektur, Sammlung, Präsentation, Konzept - viele, viele kleine Details der Umgangsweise, das alles gehört zusammen zu einem Erfahrungsspektrum, dass man nicht zergliedern kann.
    Peter Zumthor - die Zusammenarbeit nach dem Gewinn des Wettbewerbes 1996 lange zehn Jahre, davor hatten wir sieben Jahre schon hinter uns gebracht, um das Konzept so weit schon mal zu entwickeln - war ein idealer Partner, um mit einer unendlichen Geduld und einer Präzision, die wir glaube ich in dem kleinen Planungsteam alle geteilt haben, den Versuch zu wagen, ein Haus zu bauen, das sich, obwohl man es überhaupt nicht verändert, das jedes Jahr exakt das gleiche Haus bleibt, keine Einbauten hat, keine neuen Dinge kennt. Ein Haus zu bauen, das so vielgestaltig ist, dass man für jedes Werk den idealen Ort darin finden kann. Und ich würde mal behaupten, dass auch jeder Mensch den idealen Ort dafür in diesem Haus für sich finden kann.
    Main: Kunst, Geduld und Kirche - eine schöne Trias.
    Kraus: Kirche ist lange genug unterwegs, um zu wissen, dass gute Dinge ihre Zeit brauchen.
    Main: Ergriffen von Kolumba - Stefan Kraus, Direktor des Kunstmuseums des Erzbistums Köln, im Gespräch. Ein Gespräch, dem hoffentlich anzumerken war, dass es hier nicht um so etwas wie Lokalpatriotismus geht, sondern um etwas mit internationaler Strahlkraft. Kolumba, das vor ziemlich genau zehn Jahren, am 14. September 2007 eröffnet wurde. Danke Ihnen, Stefan Kraus, für den Besuch hier im Deutschlandfunk.
    Kraus: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.