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Kolumbien am Scheideweg

Sprengstoffanschläge, Paketbomben, ein Massaker, dem acht Mitglieder einer Familie zum Opfer fielen - Kolumbien kommt nicht zur Ruhe in diesen Tagen vor den Kommunalwahlen am Sonntag. Die Kolumbianer werden in einem Referendum über den Reformkurs der Regierung Uribe abstimmen. Der Präsident hat der Korruption den Kampf angesagt, will die Staatsfinanzen sanieren. Der jahrzehntelange Guerillakrieg hat Kolumbien an den Rand des Ruins gebracht. Es muss etwas geschehen. Und Präsident Uribe scheint entschlossen, seinen Worten Taten folgen zu lassen.

Kolumbien |
    Auf Alvaro Uribe richten sich seit gut einem Jahr die Hoffnungen der Kolumbianer, auf den neuen Präsidenten, der endlich Frieden in das von der Gewalt zermürbte Land bringen soll. Die Bevölkerung ist der täglichen Entführungen, Morde und Attentate müde, die von den Paramilitärs, der Guerilla und der Mafia verübt werden. Und sie befürchtet, dass durch die zunehmenden Massenvertreibungen auf dem Land die sozialen Konflikte in den Städten ein nicht mehr zu kontrollierendes Ausmaß erreichen. Da kommt ein Politiker wie Uribe gut an, der mit harter Hand durchzugreifen verspricht.

    Wir benötigen ausreichende Sicherheitskräfte. Die Armee muss auf 100.000 Berufssoldaten aufgestockt werden, denn sie hat nur 54.000. Wir brauchen weitere 100.000 Polizisten. Wir dürfen das alte Spielchen nicht fortsetzen und nur die Opfer betrauern. Wir müssen mit dieser schwachen, ausgezehrten Führung Schluss machen und eine feste Regierung der Autorität wählen, die auch bereit ist, internationale Militärhilfe anzufordern, damit die Vertreibungen der Campesinos, die Entführungen und die Besetzungen von Gemeinden aufhören.

    Der 50jährige Alvaro Uribe hatte bis zu seiner Wahl im Mai 2002 nicht gerade im Scheinwerferlicht der politischen Szene gestanden. Aber er galt als entscheidungsfreudiger, pflichtbewusster Asket und hatte als Gouverneur der Provinz Antioquia mit harter Hand regiert. Ihm wurden allerdings auch Beziehungen zu den terroristischen Paramilitärs nachgesagt. Uribe lehnte es von vornherein ab, durch Verhandlungen mit den Hauptexekutoren der Gewalt das Land zu befrieden. Diese Politik hatte sein Vorgänger Andrés Pastrana praktiziert und war in verschiedenen Gesprächsrunden sogar zu ersten Übereinkünften mit der größten Guerilla-Organisation, den FARC, gelangt. Doch dann musste er ihrem Anführer Manuel Marulanda vorwerfen:

    Sie haben von Anfang an den Stuhl des Dialogs leer gelassen, als ich zu Ihnen kam und ihre eigenen Leute sahen, dass ich zum Gespräch bereit war. Wir haben eine besondere Zone für diese Verhandlungen eingerichtet und - wie versprochen - die Streitkräfte daraus zurückgezogen. Aber Sie haben sie in das Rückzugsgebiet von Entführern, in ein Drogenlabor und in ein Arsenal von Waffen, Dynamit und geraubten Fahrzeugen verwandelt. Deshalb habe ich angeordnet, den Sonderstatus von Mitternacht an aufzuheben.

    Dreieinhalb Jahre lang hatten die Verhandlungen mit den FARC gedauert. Dann wurden sie von der Guerilla mit einer spektakulären Flugzeugentführung abgebrochen. Die Motive blieben unklar. Doch die Mehrheit der kolumbianischen Bevölkerung sah von nun an nur noch in einer kompromisslosen Politik, in einer bewaffneten Auseinandersetzung, eine Chance für den Frieden. Alvaro Uribe, der Mann aus der Provinz, bot sie.

    Zu seinem Programm der 'demokratischen Sicherheit' gehört die Ausbildung von sog. Bauern-Soldaten, die für mehr Schutz auf dem Land sorgen sollen. Außerdem stockte er den Umfang von Militär und Polizei um 55.000 Mann auf und begann, Informanten für Hinweise auf bewaffnete Gruppen und geplante Attentate zu bezahlen. Ein Spitzelsystem von bis zu einer Million Menschen soll so allmählich entstehen. Doch die Ergebnisse blieben eher bescheiden und haben eine der schlimmsten Folgen des Terrorismus in Kolumbien sogar noch verstärkt: die Vertreibung von Menschen, zumeist aus den ländlichen Gebieten. Der Friedensforscher Jaime Zuluaga:

    Die Zahl der Vertriebenen ist in den letzten 15 Jahren auf ungefähr 3 Millionen angewachsen. Allein 2002 sind mehr als 400.000 hinzugekommen, das sind rund 1.100 Vertriebene pro Tag. Dadurch ist eine wirklich dramatische Situation entstanden, denn viele von ihnen sind in Großstädte wie Bogotá geflüchtet und vermehren hier das Heer der Arbeitslosen von mehr als 18 Prozent. Die bereits außerordentlich konfliktreiche soziale Lage in Kolumbien hat sich also weiter verschärft und ist kaum noch zu lösen.

    Im Jahr 2001 stieg die Zahl der Vertriebenen um 190.000. Sie hatte sich im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent erhöht. 2002 verdoppelte sie sich sogar. In der ersten Hälfte dieses Jahres hielt der Strom der Geflohenen ungebrochen an und dürfte einen neuen traurigen Rekord erreichen. Dabei steht Kolumbien - zusammen mit dem Sudan und Angola - bereits an der Spitze der Weltstatistik für innere Emigration.

    Sie haben zunächst meinen Ehemann und meinen Bruder entführt. Sie haben sich dabei richtig vorgestellt: Wir sind von der 40. Front der FARC. Und dann haben sie uns alles weggenommen, was wir in vielen Jahren erwirtschaftet haben.

    So berichtet Viviana Beltrán. Die hübsche Frau von 20 Jahren gehört zum Millionenheer vertriebener Kolumbianer, die alles verloren haben: das Vieh und das Land, wenn sie überhaupt welches besaßen, den Ort, in dem sie aufgewachsen und verwurzelt waren - ihre Familie, ihren Laden, ihr Hab und Gut.

    Sie forderten für die Freilassung der beiden Männer 150 Millionen Peso. Wir mussten das Vieh verkaufen und das Auto und brachten so einen Teil des Geldes zusammen. Aber sie forderten alles. Als wir so viel nicht zahlen konnten, nahmen sie uns gefangen. Nachbarn, die das gesehen hatten, benachrichtigten die Armee. Die griff ein, und plötzlich befanden wir uns mitten im Kreuzfeuer. Gott sei Dank haben wir es überlebt. Die Guerilleros haben sich den Koffer mit dem Geld geschnappt und sind abgehauen. Zwei von ihnen wurden dabei getötet.

    Ehemann und Bruder von Viviana sind zwar freigekommen, aber sie haben dabei nicht nur insgesamt 55 Millionen Peso, umgerechnet etwa 18.000 Euro, verloren. Sie mussten auch ihre kleine Finca aufgeben, denn die FARC, die sog. Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens, verzeihen keine Niederlage und kehren zurück, sobald das Militär den Ort geräumt hat. Die FARC gehören zu den Hauptakteuren in diesem Bürgerkrieg, der seit einem halben Jahrhundert andauert. Wer in ihr Fadenkreuz oder das der Terrorbanden von Paramilitärs oder Mafia gerät, für den verschwimmen die Unterschiede zwischen den ‚Konfliktparteien' - so auch für Carlos Moreno. Der 34jährige Kraftfahrer wurde dreimal von den FARC vertrieben, weil ein Familienangehöriger Beziehungen zu den Paramilitärs unterhielt. Moreno:

    Die Ideologie der Guerilla war früher ganz anders. Der Drogenhandel hat sie korrumpiert. Seit sie ihn vor ungefähr 20 Jahren als Geldquelle entdeckten, haben sie ihre Ideen von gesellschaftlicher Veränderung aufgegeben. Die 'Paras' hatten immer andere Ziele und verübten ihre Massaker, um sich 'Respekt' zu verschaffen. Sie finanzieren sich genauso wie die FARC durch den Drogenhandel und erpressen Viehzüchter, Händler und sogar die Fischer. Früher wollte die Guerilla den Reichen etwas wegnehmen, um es den Armen zu geben. Doch heute nehmen sie allen was weg, um ihren Krieg zu finanzieren.

    Weil sie zunehmend brutaler gegen die Zivilbevölkerung vorgehen, finden Guerilla und Paramilitärs immer weniger Rückhalt und immer geringeren Zulauf. Beide haben bereits Kinder in ihre Reihen gezwungen. Auch deshalb fliehen ganze Familien, damit ihnen dieses Schicksal erspart bleibt. Irgendwann kommen sie in den Großstädten Medellín, Calí, Bucaramanga oder Bogotá an - und erhalten Hilfe meist nur von kirchlichen Institutionen, dem Roten Kreuz und kleineren privaten Organisationen. Denn die Regierung Uribe sieht sich damit überfordert, kürzt aber andererseits ständig die staatlichen Hilfsprogramme, um ihr Sicherheitsprogramm zu finanzieren.
    Moreno weiter:

    Bis vor ein paar Monaten gab es noch das staatliche ‚Netz der Solidarität'. Wir erhielten immerhin ein monatliches Handgeld von 80.000 Peso, das sind 30 Euro, ein Vierteljahr lang und zusätzlich eine Lebensmittelhilfe. Das einzige, was wir noch kriegen, ist Fortbildung, damit wir lernen, ein Mini-Unternehmen zu gründen, ein eigenes Geschäft, um unsere Familie zu ernähren.

    Carlos Moreno - der Kraftfahrer, dem die FARC nicht nur die Wagenladung, sondern den gesamten Lastwagen geraubt haben - Carlos Moreno will sich fortbilden, obwohl er weiß, dass das neoliberale Rezept eines Mini-Unternehmens, also einer Art Ich-AG, kaum eine Chance hat. Denn rund 3 Millionen Vertriebene befinden sich in einer ähnlichen Lage. Dabei ist seine Situation nicht so dramatisch wie die von José Delgado. Der 44jährige Bauarbeiter musste mit seiner Familie Hals über Kopf aus Cúcuta flüchten.

    Von der Regierung habe ich nichts bekommen, weil ich mir den so genannten ‚Brief der Vertreibung' in Cúcuta nicht ausstellen lassen konnte, denn es ging alles so schnell, als die Paras kamen. Zuerst haben sie eine Schwägerin bedroht und dann mit 8 Kugeln erschossen. Eine Woche später war die Familie dran. 3 Typen mit Kapuzen und voll gehängt mit Waffen standen nachts an der Tür: "Haut ab, noch in dieser Nacht. Wer bleibt, den legen wir um, bis zum letzten Hund. So lautet unser Befehl.

    Ohne einen solchen Legitimationsbrief ist jeder Flüchtling hilflos. Er muss ihn am Ort seiner Vertreibung ausstellen lassen, damit er den entsprechenden Status und die dann erst fällige Unterstützung erhält. Aber oft arbeiten die Behörden mit den Terroristen zusammen und verweigern die Bescheinigung. Dabei wissen die Delgados nicht einmal, wieso sie eigentlich alles im Stich lassen mussten.

    Am besten, man fragt nicht viel und tut, was sie verlangen. Sonst gerät man rasch in Verdacht, ein Kollaborateur von den einen zu sein, und wird deshalb von den anderen vertrieben und umgebracht. Oder umgekehrt. So läuft das hier in Kolumbien.

    Präsident Uribe hat angekündigt, dass er den Coca-Anbau innerhalb von zwei Jahren auf ein Minimum reduzieren will, um so den Paramilitärs und der Guerilla ihre wichtigste Finanzquelle zu verstopfen. Das kann ihm aber nur gelingen, wenn von Flugzeugen aus noch massiver als bisher Chemikalien über den Anbaugebieten versprüht werden. Damit wird allerdings zugleich die Lebensgrundlage der Pflanzer vernichtet, weil nicht nur die Coca, sondern auch das angrenzende Land zerstört wird und es für beide keine angemessene Entschädigung gibt. Landflucht ist die Folge - eine andere Form der Vertreibung und eine der Ursachen der angestiegenen Flüchtlingszahlen. Dahinter verbergen sich aber auch internationale Wirtschaftsinteressen, wie die Kultursoziologin Patricia Ariza betont.

    Ich glaube nicht, dass es Vertreibungen gibt, weil Krieg herrscht. Es wird Krieg geführt, damit Vertreibungen stattfinden können. Es sind kleine Pflanzer, deren Land sich in der Regel Paramilitärs aneignen, um es in ein multinationales Projekt großflächiger Bewirtschaftung einzubringen. Die Gebiete der Vertreibung sind Zonen natürlichen Reichtums oder Landstriche, auf denen dann in großem Stil Viehwirtschaft betrieben werden kann.

    Wer auch immer das Heer der Flüchtlinge in Kolumbien verstärkt - Paramilitärs, Guerilla oder Mafia - er kalkuliert eine humanitäre Katastrophe ein. Internationale Organisationen haben bereits davor gewarnt. Die Städte werden nicht mehr durch Bombenterror heimgesucht. Statt dessen sollen Massenvertreibungen für neuen, nunmehr sozialen Sprengstoff sorgen. Trotzdem glaubt die Regierung Uribe, dass ihre Maßnahmen zur 'demokratischen Sicherheit' den dringend nötigen Frieden bewirken. Einem Ziel scheint sie immerhin näher gekommen zu sein. Mancuso:

    Heute zeige ich mein Gesicht der Welt, damit sie die 'Kräfte der Selbstverteidigung' und was wir in unserer Bewegung denken, kennen lernt.

    Die Bewegung, die sich selbst 'Kräfte der Selbstverteidigung' oder kurz AUC nennt, wird gemeinhin als Paramilitärs bezeichnet. Salvatore Mancuso, der sich vor kurzem so zu Wort meldete, ist einer ihrer meist gesuchten Anführer.

    Wir wollen der Welt mitteilen, dass wir weder links noch rechts sind. Wir verteidigen nicht den Status quo und auch nicht die Interessen einer privilegierten Minderheit. Wir waren gezwungen, uns zu radikalisieren, denn wir wollen radikale Veränderungen in diesem Land. Wir haben dabei aber keine Verbrechen begangen, sondern zum Gewehr gegriffen, um die Interessen von Millionen Kolumbianern zu verteidigen, weil der Staat seine Rolle nicht erfüllte. Jetzt wollen wir den 44 Millionen Kolumbianern die Hoffnung auf Frieden wieder zurückbringen, die sie durch die Aktionen der Guerilla verloren haben.

    Mancuso stellt zwar die Wahrheit auf den Kopf, wenn er behauptet, die Paramilitärs hätten keine Verbrechen begangen. Aber es ist nicht falsch, wenn er sagt, dass sie nun einen Beitrag zum Frieden zu leisten gedenken. Die Regierung Pastrana suchte den Dialog mit der Guerilla und scheiterte. Die Regierung Uribe verfügt offensichtlich über bessere Kontakte zu den Paramilitärs. Sie erhielt Anfang des Jahres ein Waffenstillstandsangebot von ihnen und unterzeichnete bereits ein halbes Jahr später ein Abkommen mit den AUC. Es sieht vor, dass sich dieser Teil der Paramilitärs bis Ende 2005 auflöst. Doch bis dahin ist es auch juristisch ein äußerst schwieriger Weg. Jaime Zuluaga:

    Wie soll man mit einer Gruppe von Kriminellen umgehen, die keinen politischen Status besitzen wie z.B. den Rebellen-Status? Rebellen erheben die Waffen gegen den Staat. Aber die Paramilitärs behaupten selbst, sie hätten zu den Waffen gegriffen, um den Staat zu verteidigen, weil die Armee ihn nicht ausreichend gegen die Aufständischen schützen konnte. Deshalb sucht die Regierung einen Ausweg und will sie nun als 'Aufrührer' einstufen. Aber das ist ein juristischer Trick, der sich nur schwer aufrecht erhalten lässt. Es handelt sich schließlich bei den AUC um terroristische Banden, die jahrelang schlimmste Verbrechen und die größten Massaker in Kolumbien verübt haben.

    Über rund 10.000 Mann sollen die Paramilitärs verfügen. Fünf ihrer so genannten 'Blöcke' nehmen an den weiteren Verhandlungen nicht teil, zwei sind sogar dagegen. Das Abkommen hat eine Mehrheit von neun Kommandanten unterzeichnet. Darin verpflichten sie sich, sofort jegliche Feindseligkeiten einzustellen, keine weiteren kriminellen Akte zu begehen, auch keine Ölpipelines mehr anzuzapfen und den Drogenhandel, ihre Haupteinnahmequelle, zu bekämpfen. Bei so viel gutem Willen ist Skepsis angezeigt. Wer will beispielsweise klären, ob erneute Gewalttaten von einem 'Block' der Friedensstifter oder von einem der Gegner ausgehen? Und welche Motive bewegen überhaupt die AUC, gerade jetzt die Waffen zu strecken?

    Castaño und Salvatore Mancuso, die beiden wichtigsten Anführer der AUC, wollen verhindern, dass sie an die USA ausgeliefert werden wegen ihrer ganz offensichtlichen Beziehungen zur Drogenmafia. Und sie wollen auch ihre Führerschaft innerhalb der Paramilitärs festigen. Den besten Weg hierfür sehen sie in Verhandlungen, durch die sie einen legalen politischen Spielraum gewinnen können. Die Konjunktur ist günstig, denn die Regierung ist zum Dialog bereit.

    Alvaro Uribe weiß, dass er mit militärischen Mitteln den Terror nicht beenden kann, denn dazu müsste er Krieg führen gegen die Paramilitärs und gegen die Guerilla, gegen insgesamt etwa 30.000 Mann. Doch einen Flächenbrand will die Bevölkerung nicht, weil sie schon unter der punktuellen Gewalt leidet. Und Uribe kann ihn sich auch nicht leisten, weil die dafür nötige Aufrüstung nicht finanzierbar und ein Sieg höchst zweifelhaft ist. Also versucht er die Konfliktparteien mit militärischer Repression an den Verhandlungstisch zu zwingen. Denn die Wirtschaft macht seit Jahren eine Rezession durch, und der soziale Druck steigt: durch den Strom der Vertriebenen und das ständig wachsende Heer der Arbeitsuchenden. Der Soziologe Bernardo Pérez:

    Das Land muss pro Jahr 600.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Das sind insgesamt sechs Millionen in den nächsten zehn Jahren. Hinzu kommen drei Millionen Vertriebene, sofern ihre Zahl nicht wächst. Das sind 20 Prozent der Bevölkerung, die Arbeit suchen und zu den bereits vorhandenen 16 Prozent der Arbeitslosen hinzukommen. Oder anders gesagt: die darauf warten, dass Bedingungen hergestellt werden, die ausländische Kredite zur Ankurbelung der Wirtschaft ins Land bringen. So lange der bewaffnete Konflikt andauert, wird hier kaum jemand investieren, wird sich also die Lebenssituation der ärmsten Kolumbianer nicht ändern, und das sind heute schon 60 Prozent der Bevölkerung.

    Sie haben noch nicht einmal zwei Euro pro Tag als Lebensunterhalt zur Verfügung. Die Regierung versucht zwar, die drohende soziale Katastrophe durch positive Wirtschaftsprognosen herunterzuspielen. Aber inzwischen wächst die Verarmung nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten ständig. Um sieben Prozent ist der Verbrauch an Grundnahrungsmitteln gesunken. Für Präsident Uribe gibt es jedoch zur Zeit andere Prämissen. Er will zunächst eine Verwaltungsreform durchführen, durch die das Parlament verkleinert, der Staat entschlackt und Korruption sowie Vetternwirtschaft eingedämmt werden sollen. Die dadurch eingesparten Mittel will er später in das ausgezehrte Gesundheits- und Bildungswesen investieren. Die Kolumbianer hat er aufgerufen, bei den Regionalwahlen an diesem Wochenende auch in einem Referendum über seine Politik abzustimmen.