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Kolumbiens Wissenschaft im Umbruch

Das CEMarin-Meeresforschungsinstitut ist eins von vier Exzellenzzentren weltweit, die vom Auswärtigen Amt gefördert werden. 30 Doktoranden sind dort eingeschrieben. Der Bedarf an internationalen und praxisorientierten Graduiertenprogrammen in Kolumbien ist groß.

Von Karen Naundorf | 24.08.2013
    "So, das hier ist die Korallengärtnerei. Und Sie sehen, die Korallen sind zwar geordneter, aber nicht alleine, die haben ihre Fische dabei, die Beifauna. Es kommt uns einmal darauf an, die Kunst zu beherrschen, wie vermehrt man Korallen und zweitens die Korallen zu haben, um zu experimentieren."

    Bernd Werding führt durch die Aquarienräume, in denen faszinierende Unterwasserwelten aus allen Weltregionen zu sehen sind: Da werden Riffsysteme nachgebildet und Korallen gezüchtet. Man sieht Feuerfische und Einsiedlerkrebse. Die Forscher züchten auch Aquarienfische – mit dem Ziel, die natürlichen Populationen bestimmter Arten zu schonen.

    Auch karibische Meere sind in den vielen Aquarien nachgebildet – und in tropischen Meeren kennt Professor Werding sich besonders gut aus. Als er vor 40 Jahren zum ersten Mal in seinem Leben in ein Flugzeug stieg und nach Kolumbien reiste, war er sofort von der noch unerforschten Natur in der Karibik begeistert.

    "Die Temperatur immer über 30 Grad. Sonne, Strände. Buchten mit unglaublichen Korallenvorkommen - es war also ein Traum für einen Biologen und auch für einen normal interessierten Menschen, das kennenzulernen."

    Auch als Werding später Professor in Gießen wurde, blieb er Kolumbien treu. Und konnte über viele Jahre hinweg beobachten, wie sich das Land veränderte und mit ihm die Universitäten: Als Werding begann, in Kolumbien zu arbeiten, gab es noch keine Möglichkeiten, dort zu promovieren. Wer seinen PhD machen wollte, musste ins Ausland gehen. Auch die Forschung steckte in den Kinderschuhen. Beides hat sich grundlegend geändert, sagt Sven Werkmeister, Leiter des Büros des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá:

    "Es gibt ein sehr, sehr großes Potenzial an hoch und sehr gut ausgebildeten Leuten, die wirklich hervorragende Forschung betreiben. Und das sollte man auch honorieren, respektieren. Kooperation auf Augenhöhe, wie man so schön sagt. "

    Bernd Werdings Initiative ist es zu verdanken, dass das CEMarin-Meeresforschungsinstitut gegründet wurde. Es ist eins von vier Exzellenzzentren weltweit, die seit 2009 vom Auswärtigen Amt gefördert werden. 30 Doktoranden sind dort eingeschrieben. Nach wie vor ist der Bedarf an internationalen und praxisorientierten Graduiertenprogrammen in Kolumbien groß:

    "Kolumbien ist wissenschaftlich und akademisch in einem Umbruch. Eine ganz typische Situation ist, dass es eine große Mehrzahl von Professoren gibt, die keine Promotion haben. Und bei dem Generationsumbruch stellt man fest, jetzt werden Leute nur noch mit Promotion eingestellt."

    Obwohl es in Kolumbien inzwischen viele Doktorandenprogramme gibt, ist das CEMarin beliebt. Zum einen, weil es keine Studiengebühren kostet – im Gegensatz zu den meisten anderen Promotionsprogrammen im Land. Zum anderen, weil es interdisziplinär ist – hier forschen nicht nur Biologen, sondern auch Soziologen oder Ingenieure.

    Und auch, weil es die Internationalisierung fördert. Das sei nötig, sagt Werding, weil es in spanischsprachigen Regionen die Tendenz gebe, nur in der eigenen Sprache zu publizieren. All das überzeugte Alex Rua, einen Biochemiker aus Medellín, am CEMarin zu promovieren:

    "Zunächst einmal war die Möglichkeit, in einer anderen Sprache zu studieren, für mich immer schon attraktiv. Die Qualität der Lehrenden ist wichtig. Und die Chance, die Kenntnisse, die ich in der Umweltchemie, Geochemie und Hydrodynamik schon habe, anzuwenden, und zwar mit einer ganzheitlichen Perspektive. Denn wir reden über das Wasser. Und unser Planet dürfte eigentlich nicht Erde heißen, sondern Wasser."

    Die Projektleitung des Exzellenzzentrums hat Tom Wilke übernommen, ebenfalls Professor in Gießen:

    "Die Idee ist, die besten Studierenden aus den Ländern in diesen Zentren auszubilden, damit sie letztendlich in ihren Ländern bleiben und dort für eine Verbesserung der Infrastruktur sorgen. "

    Da ist Doktorand Alex Rua voll auf Linie. Er denkt schon jetzt daran, seine Kenntnisse weiter zu geben.

    "Ich würde gerne junge Kolumbianer fortbilden und sie motivieren, damit sie Chancen haben, so wie ich sie hatte."