Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Kommen und Gehen von Sängern und Bandbesetzung

Seit einiger Zeit drängt die englische Band Archive auf die großen Konzertbühnen der Welt. Mit dem "Supersonic Symphony Orchestra" gastierte sie jetzt in der Kölner Philharmonie. Während des Auftritts bot sie einen Streifzug durch die Entwicklungsstufen der eigenen Geschichte - von ihren TripHop-Wurzeln bis hin zum Klangbild an der Grenze zum ProgRock.

Von Fabian Elsäßer | 12.11.2011
    "Es ist ja nicht so, dass wir die Songs neu arrangieren, oder nur in ganz wenigen Fällen. Wir haben im Studio schon oft mit Orchestern zusammengearbeitet, man hört die Songs also jetzt auch live so, wie man sie eigentlich hören sollte."

    Waren in früheren Jahren Auftritte mit großem Besteck eher die Ausnahme, drängt die Band inzwischen regelrecht auf die großen Philharmonie-Bühnen dieser Welt. Dabei greifen Keeler und seine Mitspieler seit diesem Jahr am liebsten auf ein junges Ensemble aus Brüssel zurück. Es trägt den obskuren Namen "Supersonic Symphony Orchestra", spielt aber wesentlich seriöser und zurückhaltender, als der Name vermuten lässt.

    Die Partituren arbeitet Darius Keeler mit einem klassisch ausgebildeten Arrangeur aus, teilweise mit unkonventionellen Mitteln.

    "Ich konnte Noten lesen, als ich jünger war, aber ich habe das meiste vergessen. Also singe ich ihm meistens etwas vor, und er setzt es dann um. Er denkt sich aber viel selber aus. Es ist eine gute Mischung."

    Deep Purple-Gitarrist Ritchie Blackmore beklagte sich einst darüber, wie schwierig es sei, mit klassisch ausgebildeten Musikern zu konzertieren. Eine Rockband spiele auf dem ersten Schlag eines Takts oder davor, ein Orchester dagegen immer leicht dahinter. Alles Übungssache, meint Darius Keeler.

    "Weil wir auf dieser Tour immer mit demselben Orchester arbeiten, haben wir dieses Rhythmus-Ding inzwischen perfektioniert. Es ist eher so, dass wir als Band uns ans Orchester anpassen, also vielleicht auch ein bisschen hinter dem Beat zu spielen, bis man es zusammen hinkriegt. Und die Klang-Qualität, die man bekommt, wenn man 45 Leute hinter sich auf der Bühne hat, ist großartig. Das wiegt dieses kleine Rhythmus-Problem auf."

    Während des rund zweistündigen Auftritts in der Kölner Philharmonie streifen Archive nahezu alle Entwicklungsstufen ihrer Bandgeschichte. Den größten Anteil haben aber Songs der letzten vier Studioalben. Alben also, mit denen sich die Band kontinuierlich von ihren TripHop-Wurzeln entfernt hat, hin zu einem druckvolleren Klangbild an der Grenze zum ProgRock. Dabei herrscht ein ständiges Kommen und Gehen der drei Sänger, auch die Bandbesetzung wächst und schrumpft von Song zu Song. Man beginnt zu verstehen, warum sich Archive nicht als Band, sondern als Kollektiv bezeichnen.

    "Bei Archive geht es eher um einen Sound, es geht um eine Sache, die durch die Hilfe vieler Menschen weiterexistiert. Die sich aber auch ständig ändert. Und so sagen wir der Öffentlichkeit, dass es sich immer ändern und weiterentwickeln kann. Oder auch mal zurückentwickeln. Es ist eine Art offener Think Tank, so könnte man es vielleicht am besten beschreiben."

    Das Kommando liegt eindeutig bei Darius Keeler, dem Keyboarder und Hauptkomponisten. Wenn er gerade keine Tasten drücken muss, steht der freundliche Hüne mit dem eindrucksvollen Schnauzbart am Bühnenrand und führt rührend unrhythmische Ausdruckstänze auf. Band und Orchester bilden in den besten Momenten eine gut geölte Einheit. In kraftvollen Passagen hingegen gehen die orchestralen Elemente manchmal flöten, werden selbst Pauken und Bläser von der Band regelrecht niedergeknüppelt. Dann wieder hat man den Eindruck, wie auf einer großen Welle von Klang zu schwimmen. Archive-Chef Darius Keeler gerät ins Schwärmen.

    "Ich bin ein großer Orchester-Fan – ich wäre glücklich, wenn ich immer eines dabei haben könnte."

    Was das Publikum in der Kölner Philharmonie nicht durchgehend so sieht. Obwohl die Lautstärke die Akustik des gediegenen Konzertbaus oftmals überfordert, sind von den oberen Sitzreihen immer mal wieder "Lauter, lauter" – Rufe zu hören.