Kommentar
Mietpreisbremse lockern statt Bauturbo

Zwei Monate statt fünf Jahre: Mit schnelleren Genehmigungen und weniger Auflagen will Bauministerin Verena Hubertz (SPD) den sogenannten Bauturbo anwerfen. Doch würde sie die Mietpreisbremse lockern, kämen die Bürger eher an eine Wohnung.

Von Sandra Pfister |
Mit einem Zettel mit der Aufschrift "Wir beide suchen eine Wohnung" an einem Laternenpfahl im Stadtteil München-Haidhausen sucht ein Vater mit seinem Sohn eine Wohnung.
Die Bundesregierung sollte selbst Einfluss nehmen am Markt, meint Sandra Pfister. Keiner, dem die Wohnung eigentlich zu groß ist, tauscht seine günstige Bleibe gegen kleinere und teurere Wohnungen. (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
Die neue Bauministerin kommt aus der Start-up-Branche. Ihr Meisterstück war eine Koch-App. In der Start-up-Branche geht vieles zackig. Verena Hubertz ist also genau die richtige, um den Bauturbo zu zünden. Tempo zu machen, wo Baugenehmigungen Jahre brauchen.

Städte können sich mehr Freiheiten beim Bauen nehmen

Hubertz spielt den Ball zurück an die Städte. Die sind es, die sich jetzt mehr Freiheiten beim Bauen nehmen. Oder es bleiben lassen können. Sie können ein paar Vorschriften vorerst lockerer sehen. Richtig gut ist zum Beispiel die Idee, dass die Kommunen relativ freihändig Stockwerke auf Gebäude draufsetzen können, die es schon gibt. Oder dass Wohnquartiere verdichtet werden können. Für die Städte gibt es keine Ausrede mehr, dass sie irgendetwas nicht können oder nicht dürfen.
Ein Problem bleibt jedoch: Die, die da schon wohnen, sind meist keine großen Fans davon, nachzuverdichten – also: auf die schöne Wiese, den Acker, die Freifläche nebenan noch ein Gebäude draufzubauen. Nach dem bewährten Motto: Mehr Wohnungen sind toll, aber bitte not in my backyard. Die Städte haben künftig viel mehr Spielraum gegenüber Anwohnern, die partout kein Mehrfamilienhaus in ihrer Nähe haben möchten oder schlicht auch einfach keine monatelange Baustelle.

Es ist fraglich, ob der Turbo vor Ort umgesetzt wird

Aber: Durchsetzen müssen sie es, gegen die Widerstände vor Ort. Und das trotz unterbesetzter Bauämter. Und trotz leerer Kassen. Das klingt jetzt erst mal nicht so, als ob viele Städte jetzt in die Hände spucken und Bebauungspläne wirklich, wie gewünscht, innerhalb von zwei Monaten fertigstellen werden statt in fünf Jahren.
Heißt: In dem Bauturbo der Ministerin stecken, ähnlich wie in ihrem Meisterstück, der Koch-App, viele gute Rezepte. Aber sie selbst hat am Ende wenig Einfluss darauf, ob die Köche sie umsetzen – und wie.

Unsinn, dass der Bauturbo überall gelten soll

Völlig überflüssig ist zum Beispiel, dass der Bauturbo – weniger Vorschriften, schnellere Genehmigungen – überall gelten soll und nicht nur in Ballungsgebieten. Das wird dazu führen, dass Gemeinden jetzt relativ unbehelligt naturnahe Randflächen zubetonieren lassen können, und da wehren sich Umweltschutzverbände zurecht.
Auf die wesentlichen Kosten beim Bauen hat die Ministerin aber gar keinen Einfluss. Wer will, darf jetzt weniger Steckdosen einbauen, dünnere Wände oder kann sich die Tiefgaragenstellplätze schenken.

Die Bodenpreise sind zu hoch

Aber das ist ja nur ein Element. Der bezahlbare Wohnraum in den Städten scheitert ja nicht vor allem am Lärmschutz, sondern an den hohen Bodenpreisen. Und die sinken kein bisschen, nur, weil jetzt in den Etagen darüber weniger Stecker eingeplant werden. Das Hauptziel – bezahlbare Mieten – bleibt da in weiter Ferne.
Und ausgerechnet da, wo die Bundesregierung selbst Einfluss nehmen kann auf die Mieten, marschiert sie weiterhin in die komplett falsche Richtung: mit der Mietpreisbremse. Die will sie verschärfen, statt sie zu lockern. Damit verschärft sie das Problem nur, so gut es auch klingt, dass die Miete nicht so stark steigen kann.

Es profitieren die, die sich teure Mieten leisten können

Das Problem ist jedoch: Davon profitieren in den Städten auch viele, die sich teurere Mieten leisten könnten oder die längst keine große Wohnung mehr brauchen. Aber sie wären ja schön blöd, günstig und groß gegen klein und teuer zu tauschen.
Neue können nicht nachrücken, der Wohnungsmarkt in den Städten friert quasi ein. Gerade junge Menschen sind die Verlierer, weil sich bei ihnen noch so viel ändert und sie deshalb mobiler sein müssen.
Gut wäre es also, wenn die Ministerin anfangen würde, sich etwas unbeliebter zu machen, indem sie an der Mietpreisbremse dreht.