
Die Bundesregierung sucht Geld. Sie sucht Milliarden. Unter der Matratze hat sie schon nachgeschaut, auch bei den Bürgergeldempfängern. Eine andere Idee ist besser: Holt es von den Erben. Den reichen Erben!
Da zucken jetzt viele zusammen. Sobald das ausgesprochen ist, gehen die meisten Deutschen instinktiv – Umfragen belegen das – in eine Abwehrhaltung. Auf keinen Fall mehr Erbschaftssteuer! Die ist erstaunlich unpopulär.
Warum? Weil viele Sorge haben, dass sie selbst davon betroffen sein könnten. Die Sorge ist unbegründet: Die Deutschen insgesamt erben zwar so viel wie nie. Aber nur die eine Hälfte. Die andere geht weitgehend leer aus. Insbesondere Ostdeutsche, deren Familien zu DDR-Zeiten ja kaum Eigentum aufbauen konnten.
Üppige Freibeträge
Glück oder Pech in der Sperma-Lotterie, wie es die deutsche Politologin Martyna Linartas ausdrückt. Das heißt, wer in eine Familie hineingeboren wird, in der es nichts oder wenig zu vererben gibt, hat Pech gehabt. Er oder sie schafft es allein durch Arbeit und Einkommen kaum noch, diesen Startnachteil im Laufe des Lebens wieder zu korrigieren.
Für die Hälfte, die bei der Sperma-Lotterie gewonnen hat und im Schnitt etwas Erspartes und womöglich noch ein Haus erbt, besteht kein Grund zur Sorge: Es gibt üppige Freibeträge. Dadurch ist gesichert, dass Familien Vermögen über Generationen hinweg aufbauen können. Die Freibeträge betragen 500.000 Euro für Ehepartner, 400.000 für die Kinder – von jedem Elternteil.
Grob gesagt: Nur, wer alleine ein millionenschweres Elternhaus erbt, zahlt. Jetzt aber kommt die Ungerechtigkeit: Wer zehn Häuser über eine Immobilienfirma erbt, nicht nur eins, zahlt keinen Cent. Das ist ungerecht. Eine Erbschaftssteuer, die für sehr große Vermögen eine Menge Ausnahmen und Schlupflöcher kennt, untergräbt den Leistungsgedanken. Inzwischen sind zwei Drittel des Vermögens in Deutschland nicht mehr selbst erarbeitet.
Ungerechte Erbengesellschaft
Mit einer Leistungsgesellschaft, in der der Einzelne es zu etwas bringen kann, wenn er sich anstrengt, an die die meisten von uns immer noch glauben, hat das nicht mehr viel zu tun. Mit einer Erbengesellschaft schon sehr viel eher. Besonders Firmenerben können riesige Erbschaften, dreistellige Millionenbeträge, oft sogar Milliarden weitervererben und zahlen darauf kaum mehr als ein, zwei oder drei Prozent Erbschaftssteuern. Einfach nur, indem sie nachweisen, dass sie das Geld zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht auf dem Konto haben.
Hinter diesen großzügigen Steuerausnahmen steht die von Lobbyisten von Familienunternehmen gezielt genährte Angst, Unternehmen müssten durch die Erbschaftsteuer dichtmachen - oder Menschen entlassen. Dabei gäbe es Abhilfe: zum Beispiel, dass man Firmenerbinnen und -erben die Steuer im Notfall stundet und sie später die Schulden in Raten abbezahlen können.
Ökonomen fordern eine Flat-Tax für alle
Und was ist mit der Sorge, dass eine reformierte Erbschaftssteuer ein Bürokratiemonster wird? Das muss nicht sein. Renommierte Ökonomen schlagen eine Flat-Tax für alle vor: Also fünf bis zehn Prozent auf alle Erbschaften, und die Freibeträge für enge Verwandte bleiben erhalten. Also: insgesamt niedriger, aber auch auf große Vermögen.
Nicht nur das Netzwerk Steuergerechtigkeit, auch sehr viele Ökonomen, die OECD und das Bundesverfassungsgericht finden, dass die Erbschaftssteuer zu viele Schlupflöcher für Wohlhabende hat. Das Bundesverfassungsgericht könnte sogar demnächst eine Reform der Erbschaftssteuer erzwingen.
Die Mitte der Gesellschaft wird benachteiligt
Denn ein Erbe hat Verfassungsbeschwerde eingereicht. Er hält es für ungerecht, dass er auf das Aktiendepot seiner Tante mehr Steuern zahlen muss als viele Unternehmer für ihre Anteile. Als noch ungerechter werden das viele Arbeitnehmer empfinden. Arbeitende Normalbürgerinnen und Normalbürger, die sogenannte Mitte der Gesellschaft, tragen hohe Lohnnebenkosten, können sich aber selbst, wenn sie fleißig sind, oft keine Wohnung oder kein Haus kaufen, wenn sie nicht geerbt haben. Oder vorher schon die Bank von Mama und Papa anzapfen können.
Deshalb: Die Erbschaftssteuer muss reformiert und ausgeweitet werden. Damit mehr Geld in die Staatskasse kommt. Aber noch wichtiger: Damit es in Deutschland gerechter zugeht.