Montag, 06. Mai 2024

Kommentar
Parolen im Stakkato

Mehr Bürgernähe, echte Debatten – mit diesem Versprechen stellen sich fünf europäische Spitzenkandidaten zur Wahl. Erstmals sind sie auch im Fernsehen gegeneinander angetreten: Die Deutschen Martin Schulz (SPD) und Ska Keller (Grüne). Der Luxemburger Christdemokrat Jean-Claude Juncker, der Belgier Guy Verhofstadt für die Liberalen. Und der griechische Linken-Führer Alexis Tsipras. Fast 50 europäische Sender übertrugen die "Eurovisions-Debatte" live.

Von Stephanie Lob | 16.05.2014
    Die Grüne Ska Keller und der Sozialist Tsipras
    Sie brachten Leben in die Debatte: Ska Keller und Alexis Tsipras (picture alliance / dpa / Olivier Hoslet)
    Nord gegen Süd, Jung gegen Alt, eine Frau gegen vier Männer: Die Runde bot einiges an Sprengstoff. Doch schon die Frage, in welcher Sprache diskutiert werden sollte, sorgte für eine babylonische Verwirrung -Tsipras wollte partout Griechisch reden, Juncker Französisch, die anderen wählten Englisch. Und so erlebten die Fernsehzuschauer, wie anstrengend eine europäische Debatte sein kann, in der die Dolmetscher das letzte Wort haben.
    Dazu kam das Format: In einer Sprechzeit von jeweils nur einer Minute feuerten die Kandidten stakkatohaft ihre Parolen ab. Die Moderatorin von der italienischen RAI las ihre Fragen brav ab statt nachzuhaken. Eine Publikumsbeteiligung war nicht vorgesehen.
    Leben kam auf, als die perfekt Englisch sprechende und telegene Keller ihre „Joker" nutzte, um bei den Herren nachzuhaken. Und als Verhofstadt den Griechen Tsipras daran erinnerte, dass nicht die EU an der Misere in seinem Land schuld sei, blitzte tatsächlich so etwas wie ein echtes Streitgespräch über die Solidarität und ihre Grenzen auf.
    Fünf gegen Cameron und Merkel
    Viele wichtige Themen wurden in den 90 Minuten angeschnitten. Die Ukraine-Krise, die Jugend-Arbeitslosigkeit, der Umgang mit Flüchtlingen. Am stärksten war die Debatte, als sich alle fünf Kandidaten geschlossen hinter den Anspruch stellten, aus ihrer Runde müsse der nächste Kommissions-Präsident kommen – gegen einen widerstrebenden David Cameron und eine zögerliche Angela Merkel, für mehr europäische Demokratie.
    Vieles blieb jedoch erwartbar: Keller beklagte die Macht der Lobbyisten in Brüssel und Straßburg, Tsipras die Macht der deutschen Bundeskanzlerin. Juncker erklärte, er wolle ein Europa schaffen, in das sich die Bürger wieder verlieben könnten. Schulz gab sich selbstverliebt und erklärte, vor den Zuschauern stehe der künftige Kommissions-Präsident. Und Verhofstadt ließ sich zu der Aussage hinreißen, die Demokratie bedeute Bürgerwillen und „kein Spiel, das wir alle fünf Jahre spielen".
    Reicht das nun aus, um europaskeptische Bürger zum Wählen zu animieren? Womöglich nicht. Kritiker bemängeln, dass die Rechtspopulisten zu dieser Debatte wieder einmal nicht eingeladen waren. Die sind allerdings selber schuld. Schließlich konnten sie sich noch nicht einmal auf einen gemeinsamen Spitzenkandidaten einigen.