Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Kommentar
Warum das Hall-of-Fame-Projekt an Täve Schur scheitert

Straßenrad-Weltmeister, Friedensfahrtsieger - aus rein sportlicher Sicht wäre die DDR-Radsportlegende Gustav-Adolf "Täve" Schur vielleicht ein geeigneter Kandidat für die virtuelle Hall of Fame der Deutschen Sporthilfe. Aber es geht eben um mehr als nur Sport, kommentiert Thomas Purschke.

Von Thomas Purschke | 23.04.2017
    In der DDR eine Legende, heute umstritten: Radrennfahrer Gustav-Adolf "Täve" Schur.
    In der DDR eine Legende, heute umstritten: Radrennfahrer Gustav-Adolf "Täve" Schur. (Imago)
    Gegenwärtig kann man das seit langem umstrittene Projekt "Hall of Fame" der Stiftung Deutsche Sporthilfe als gescheitert ansehen. Der Grund: Die Führungskräfte der Sporthilfe mit dem Vorstandsvorsitzenden Michael Ilgner an der Spitze haben versagt. Aber nicht nur die. Bis heute verherrlicht Gustav-Adolf Schur den Unrechtsstaat DDR, dessen große Propaganda-Figur er einst selbst war. Erst vor wenigen Tagen behauptete er wieder allen Ernstes, der DDR-Sport sei nicht kriminell gewesen. Und doch wurde Schur zum zweiten Mal seit 2011 von der federführenden Sporthilfe als Aufnahmekandidat zur Wahl bestätigt.
    DDR-Staatsdoping? Wird ignoriert
    Das vor Gericht belegte Staatsdoping in der DDR mit dem besonders perfiden Missbrauch von Minderjährigen ignoriert der einstige einflussreiche DDR-Sportfunktionär sowie Volkskammer-SED-Abgeordnete Schur beharrlich bis heute. Und das, obwohl er von 1998 bis 2002 als Abgeordneter der PDS-Linkspartei im Sportausschuss des Deutschen Bundestages saß. Also genau in jener Zeit, in der vor dem Landgericht Berlin die Urteile gegen die Hauptverantwortlichen des DDR-Dopings um Manfred Ewald und Co. fielen.
    In der Causa Schur versagt haben aber auch die Spitzen aller 16 Landessportbünde in Deutschland. Denn diese haben sich auf Vorschlag des LSB-Präsidenten von Sachsen-Anhalt, Andreas Silbersack, einstimmig für die Aufnahme von Schur ausgesprochen. Begründung: Schurs sportliche Lebensleistung. Dass Schur bis heute DDR-Mauer- und Stasi-Opfer und Dopinggeschädigte verhöhnt, nehmen sie in Kauf. Damit beschädigen die Sportfunktionäre die Glaubwürdigkeit, den Fairplay-Gedanken und die moralische Integrität des deutschen Sports erheblich. Sie zeigen erneut, dass sie auf der Seite der einstigen Täter stehen. Die Opfer sind ihnen seit jeher lästig.
    Reputationsschaden für DOSB und Sporthilfe
    Mit der aktuellen Behauptung von Seiten der Sporthilfe, man habe die Vorschläge für die aktuell fünf neuen Aufnahmekandidaten um Schur und Drechsler mit der nötigen Sorgfalt analysiert und auf Unbedenklichkeit überprüft, wird die Öffentlichkeit zudem massiv getäuscht. Denn die Verstrickung ins DDR-Staatsdopingsystem ist sowohl bei Gustav-Adolf Schur als auch bei Heike Drechsler aktenkundig längst belegt. Und beide haben laut seit langem bekannten Stasi-Unterlagen auch Informationen über Sportkameraden an die DDR-Geheimpolizei geliefert.
    Heike Drechsler diffamierte 1992 zudem die Doping-Aufklärerin und Buchautorin Brigitte Berendonk als Lügnerin, die Angelegenheit wurde vor dem Landgericht Heidelberg verhandelt. Heike Drechsler und fünf ihrer Mitstreiter wurden wegen Lügens vor Gericht und damit Prozessbetrugs verurteilt. Unabhängig davon, wie die diesjährige Wahl für die Hall of Fame ausgehen wird, ist der Reputationsschaden für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und insbesondere die Sporthilfe, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiern will, längst vorhanden und enorm.