Archiv


Kommerz contra Karitas

Schätzungsweise 600.000 Tonnen Kleidung werden jedes Jahr in Deutschland als Spenden gesammelt. Tatsächlich ist der Markt für Gebrauchtkleider eher eine kommerzielle Angelegenheit als eine mildtätige. Darauf weist der Dachverband FairWertung hin, ein Zusammenschluss gemeinnütziger Organisationen, die Kleidersammlungen anbieten.

Von Susanne Kuhlmann |
    Kleiderhandel spielt sich auf zwei unterschiedlichen Ebenen ab.

    "Das eine ist der Kreislauf, wo Kleidung direkt abgegeben wird, überwiegend an Kleiderkammern oder Textilprojekte oder Second-Hand-Läden, die teilweise auch Kleidung entgegennehmen, also wo Kleidung an Organisationen gegeben wird, die sie direkt vor Ort weiterverwenden. Der zweite Kreislauf ist der gewerbliche Kreislauf, wo die Kleidung, die gesammelt wird, direkt an gewerbliche Textilrecyclingfirmen verkauft wird."

    Beide Kreisläufe mischen sich, sagt Andreas Voget, Geschäftsführer beim Dachverband FairWertung in Essen. Kleiderkammern und Textilprojekte können nämlich längst nicht alles verwenden, was bei ihnen ankommt. Sie verkaufen Überschüsse deshalb auch an Recyclingunternehmen.

    "Wichtig ist aus unserer Sicht aber, genau hinzugucken: An wen wird die Kleidung verkauft, und gibt es Möglichkeiten, die Verwertung der Kleidung in gewisser Weise nachzuvollziehen und zu überprüfen? Wir haben deshalb Standards definiert, auch für die Vermarktung von Gebrauchtkleidung, die eben für die Vertragsfirmen, mit denen wir zusammenarbeiten, verbindlich sind."

    Firmen, die mit FairWertung zusammenarbeiten, verpflichten sich zum Beispiel, ehrlich über den Zweck ihrer Sammlung zu informieren. Das ist nämlich nicht selbstverständlich, auch nicht bei bekannten gemeinnützigen Organisationen.

    "Wichtig ist es, vor allem nicht auf dubiose Sammelaufrufe hereinzufallen, die durch die Verwendung von bestimmten Symbolen wie Kirchen, Erdkugeln oder Ähnliches und durch die Verwendung von Begriffen wie Not, Opfer, Hilfe sehr bewusst auf die Tränendrüse drücken und den Anschein erwecken, dass die von ihnen gesammelte Kleidung für mildtätige Zwecke verwendet wird. Kleidung aus Containern oder Straßensammlungen werden in der Regel sofort an Textilrecyclingfirmen verkauft. Der Erlös geht an die Organisation, die die Sammlung durchgeführt hat."

    Kleiderspenden sind wertvolle Spenden. Wer damit gezielt bedürftige Menschen unterstützen möchte, muss selbst nach geeigneten Annahmestellen suchen.

    "Man sollte sich zunächst erkundigen, welche Initiativen in der eigenen Umgebung Kleidung direkt verwerten. Das sind häufig Kleiderkammern der Wohlfahrtsverbände, der Kirchengemeinden oder eben Beschäftigungsprojekte. Das ist natürlich aufwendiger, als sie in den Container um die Ecke einzuwerfen."

    Ob Kleiderkammern, Beschäftigungsprojekte oder kommerzielle Sortierbetriebe - die besten Stücke bleiben in Deutschland. Der Rest geht nach Osteuropa oder Afrika. Das Sortieren und Verkaufen von gebrauchten Kleidern ist eine weltumspannende Branche und ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Zum Beispiel in Afrika. Lange befürchteten Spender, Kleidung aus Deutschland zerstöre dort den lokalen Textilmarkt. Das trifft aber nicht zu, sagt Andreas Voget von FairWertung.

    "Wir haben dazu in den letzten zwei Jahren ein Dialogprogramm mit Partnerorganisationen in Afrika durchgeführt, die zu einem einhelligen Urteil gekommen sind: nämlich dass Gebrauchtkleidung für sie ein Teil der täglichen Realität geworden ist, zu der es aus wirtschaftlichen Gründen keine Alternative gibt. Die lokale Produktion steht im Wettbewerb mit der weltweiten Textilproduktion, und da ist insbesondere in der Konkurrenzsituation zur asiatischen Textilproduktion festzustellen, dass Afrika nicht konkurrenzfähig produzieren kann."

    Die afrikanische Textilindustrie produziert zu wenig und zu teuer. Erfolgreich ist sie nur mit Nischenprodukten wie Schuluniformen. Kleine Schneidereien haben sich deshalb auf das Umarbeiten von gebrauchter Kleidung spezialisiert, und das sichert Arbeitsplätze, sagen die afrikanischen Partner von FairWertung.