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Kommt die doppelte Grippe?

Medizin.- Wie die Arbeitsgemeinschaft Influenza mitgeteilt hat, ist die sogenannte Schweinegrippe weiterhin stark auf dem Vormarsch. Theoretisch könnten Menschen sogar parallel mit der saisonalen Grippe sowie mit dem H1N1-Virus infiziert werden. Die Wissenschaftsjournalistin Marieke Degen berichtet im Gespräch mit Ralf Krauter.

    Krauter: Alle reden von der Schweinegrippe. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza auch – aber nicht nur. Bei der heutigen Pressekonferenz in Berlin ging es zunächst um die ganz gewöhnliche saisonale Grippe. Man blickte zurück auf die vergangene Grippewelle und schaute nach vorn auf die im Herbst bevorstehende. Frage an meine Kollegin Marieke Degen, die uns jetzt aus Berlin zugeschaltet ist: Welche Bilanz der zurückliegenden Grippesaison haben die Experten unter Federführung des Robert-Koch-Instituts denn heute gezogen?

    Degen: Die saisonalen Grippeviren haben in der letzten Saison ziemlich heftig gewütet. Das war ungefähr vergleichbar mit der doch recht schlimmen Grippewelle von 2002/2003 und 2004/2005. Viereinhalb Millionen Menschen sind erkrankt. 19.000 davon sind ins Krankenhaus eingewiesen worden. Darunter vor allem Ältere und Kleinkinder. Und wie viele gestorben sind, das muss noch ermittelt werden. In Deutschland geht man ja immer so von 8000 bis 15.000 Grippetoten pro Jahr aus. Und in dem Bereich wird sich das noch bewegen.

    Krauter: Was haben die Experten denn gesagt, welche Grippeviren waren dominant?

    Degen: Die meisten Erkrankungen gingen auf das Konto von den Viren AH3N2. Es sind aber auch saisonale AH1N1-Viren umgegangen. Die sind aber nicht zu verwechseln mit der Neuen Grippe, mit der Schweinegrippe, die ja auch H1N1 genannt wird, aber die völlig anders aufgebaut ist. Und dann gab es noch Influenza-B-Viren. Und der Impfstoff, der damals eingesetzt worden ist, der war auch für genau diese Viren konzipiert und hat auch sehr gut gewirkt. Und der neue Impfstoff, der jetzt zur Verfügung steht, der ist ähnlich aufgebaut. Der steht jetzt zur Verfügung. Ab sofort kann man sich also gegen die saisonale Grippe impfen lassen. Und das empfehlen die Experten von der Arbeitsgemeinschaft Influenza auch besonders älteren Menschen und chronisch Kranken.

    Krauter: Impfung gegen die saisonale Grippe also angeraten, zumindest für manche. Nun konkurriert die saisonale Grippe ja mit der sogenannten Schweinegrippe, von der wir alle viel gehört haben in den letzten Wochen und Monaten. Die breitet sich weltweit rasant weiter aus. Was bedeutet das denn für die Entwicklung der saisonalen Grippewelle, die wir jetzt mit Beginn des Winters auch hier in Deutschland zu erwarten haben?

    Degen: Also, Sie haben es gerade gesagt, die Neue Grippe, die Schweinegrippe, H1N1, die verbreitet sich wirklich rasend schnell aus. Also, das Virus ist jetzt schon für die meisten Grippeerkrankungen auf der Welt verantwortlich. Und wenn man wissen möchte, was uns bevor steht, diesen Winter, dann lohnt sich ein Blick auf die Südhalbkugel unseres Planeten, denn die dort unten haben ja die Winterzeit und damit die saisonale Grippesaison schon hinter sich. Und parallel dazu auch die erste Welle der Schweinegrippe. Und da hat sich gezeigt, dass die Schweinegrippe die anderen Grippeviren zum Teil verdrängt hat. In Argentinien zum Beispiel sind fast alle Grippekranken mit der Schweinegrippe infiziert gewesen. Und interessanterweise hat es da sehr viel weniger Tote gegeben als sonst zur Grippesaison. Wahrscheinlich deshalb, weil die Schweinegrippe auch meistens sehr mild verlaufen ist. In Australien sieht es ein bisschen anders aus. Da setzt sich die Schweinegrippe unterschiedlich durch gegen andere Grippeviren. Aber da haben die Forscher beobachtet, dass die Schweinegrippe H1N1 vor allem die saisonale H1N1 verdrängt. Und das könnt halt ein Zeichen dafür sein, dass sich das Virus langsam etabliert. Also dass es uns lange erhalten bleibt. Und in Deutschland und Europa, da gehen Experten vom Robert-Koch-Institut davon aus, dass die Schweinegrippe-Infektionen jetzt auch im Herbst nochmal deutlich ansteigen. Dass aber auch die saisonalen Viren nebenbei bestehen bleiben. Also es ist theoretisch möglich, sich mit beiden Viren zu infizieren und auch an beiden Viren zu erkranken. Und deshalb empfehlen die Experten auch, sich gegen die saisonale Grippe auf jeden Fall impfen zu lassen.

    Krauter: Wie wird das in Zukunft ablaufen. Den Impfstoff gegen die saisonale Grippe, den gibt’s schon, den kann man sich heute holen. Der für die Schweinegrippe wird gerade getestet, ist in einigen Wochen wahrscheinlich verfügbar. Heißt das, wir werden uns künftig alle zweimal spritzen lassen pro Jahr, um auf der sicheren Seite zu sein?

    Degen: Das ist jetzt die spannende Frage für die Impfstoff-Hersteller. Also im vergangenen Sommer war es ja so, dass die Produktion des saisonalen Grippeimpfstoffes schon abgeschlossen war und dass die Pharmafirmen einfach umschalten konnten auf die Produktion des Schweinegrippegrippenimpfstoffs. Und wenn sich aber herausstellt, dass wir länger mit dieser Schweinegrippe zu tun haben, dann könnte man möglicherweise diese beiden Impfstoffe miteinander kombinieren. Das heißt, da könnte man den saisonalen und den Schweinegrippe-Impfstoff zusammen packen. Und da sind jetzt die Hersteller gespannt, ob das jetzt schon für die nächste Saison, also 2010/2011, gilt oder ob nach wie vor auch in der nächsten Saison mit zwei verschiedenen Impfstoffen geimpft werden wird. Die Empfehlungen dafür, die gibt letzten Endes die WHO.