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Kommunale Kostenlawine

Lange Zeit wurde das Reformvorhaben von der Politik schlicht verdrängt. Dabei hatte Rot-Grün schon im Koalitionsvertrag 1998 eine Gemeindefinanzreform vereinbart, nicht zuletzt um die Einnahmen der Kommunen zu sichern. Doch erst jetzt, gegen Ende der Legislaturperiode und damit mitten im Bundestagswahlkampf, macht sich Finanzminister Hans Eichel daran, das Versprechen der Koalition umzusetzen. Am vergangenen Mittwoch segnete das Bundeskabinett die Pläne des Finanzministers ab:

Jörg Münchenberg |
    Wir werden jetzt eine Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen einsetzen - auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite. Das Ziel der Gesamtveranstaltung ist, dass wir eine höhere Effizienz bei der staatlichen Aufgabenerfüllung bekommen und eine Sicherung der Handlungsfähigkeit aller staatlichen Ebenen.

    Schnelle Ergebnisse sind zwar nicht zu erwarten, dazu ist die Materie zu umfangreich, zu kompliziert und nicht zuletzt äußerst umstritten. Die Kommunalpolitiker sind dennoch erleichtert, dass die Bundesregierung überhaupt auf ihre Hilferufe reagiert hat. Denn ihre Finanznot ist groß: Die Gewerbesteuer, immerhin nach der Einkommenssteuer die zweitwichtigste Einnahmequelle für die rund 16.000 Städte und Gemeinden in Deutschland, ist im vergangenen Jahr vieler Orts dramatisch eingebrochen.

    Nach Angaben des statistischen Bundesamtes sanken die Nettoeinnahmen um 10,7 Prozent auf 17,1 Milliarden Euro - bei gleichzeitig wachsenden Ausgaben, etwa für soziale Leistungen. Eine fatale Entwicklung, die nicht länger ignoriert werden dürfe, so Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages:

    Die Bürger erleben es ja auch durch einen miserablen Investitions- oder Instandhaltungszustand der Schulen, durch einen mangelhaften Ausbau von Ganztagsbetreuung, durch das Schließen von Bädern und Stadtteilbüchereien, durch das Reduzieren von Zuschüssen für Sportvereine und Jugendförderung usw. - denke ich doch, haben wir gerade in diesen Wochen und Monaten ein Klima der Sensibilität für die Schieflage der Städte und Gemeinden, wie wir es vorher noch nicht hatten.

    Zwar geht der Trend insgesamt in eine Richtung, allerdings ist die Notlage nicht überall die gleiche. So verzeichnete Recklinghausen im vergangenen Jahr ein Plus bei der Gewerbesteuer in Höhe zwölf Prozent, Dresden plus acht und Freiburg immerhin noch plus sechs Prozent. Dramatisch dagegen teilweise die Situation auf der Verliererseite: Ludwigshafen minus 68,5 Prozent, Krefeld Minus 50,3 oder Gelsenkirchen mit Minus 32 Prozent.

    Alarmierende Zahlen gewiss, meint auch Klaus Bräunig, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Deutschen Industrie, dennoch müsse differenziert werden:

    Es gibt eine ganze Reihe auch von großen Kommunen, wo selbst interne Experten des deutschen Städtetages sagen, dass in der Ausgabenpolitik keineswegs vorsichtig genug vorangegangen wird. Aber darüber wird natürlich weniger öffentlich kommuniziert - verständlicherweise - als über die Beispiele, die in der Tat massive Probleme haben. Aber das Spektrum ist derart weit, dass ich eine grundsätzliche Aussage, die Kommunen könnten an ihrer Ausgabenpolitik nicht mehr drehen, nicht akzeptieren würde.

    Tatsächlich haben gerade auch die Kommunen in der Vergangenheit oftmals über ihre Verhältnisse gelebt. Protzige Schwimmbäder, überflüssige Mehrzweckhallen oder gar die Verlegung von Zebrastreifen aus reinem Marmor - Beispiele für kommunales Missmanagement gibt es genug. Doch längst, so die Frankfurter Oberbürgermeisterin und Vizepräsidentin des Städtetages, Petra Roth, habe ein Umdenkungsprozess eingesetzt:

    Da wir eine eigene Finanzverfassung haben, die wir aber nur über die Länder als berechtigt einführen bzw. nutzen dürfen, kann ich sagen, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben. Die Kommunen haben in den letzten 10 Jahren, als die Gewerbesteuer in höheren Raten uns zugestellt wurde, die Haushalte konsolidiert, Personal abgebaut, keine Gebühren erhoben oder erhöht.

    Die Einbrüche bei den Einnahmen haben die Kommunen längst zum Handeln gezwungen - mit fatalen Folgen. Denn Städte und Gemeinden sind der größte öffentliche Investor, immerhin zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen, vor allem für Infrastrukturmaßnahmen, werden von ihnen bestritten. Gehen aber die Einnahmen zurück, dann wird hier zuerst der Rotstift angesetzt, so Dieter Vesper, Finanzexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftforschung:

    Die Kommunen haben nicht die Möglichkeit so wie der Bund und die Länder, Einnahmeausfälle durch Kredite auszugleichen. Das bedeutet aber, dass die Kommunen dann, wenn sie Einnahmeausfälle haben, flexibel auf diese Einnahmeausfälle nur reagieren können, indem sie ihre Investitionsausgaben kürzen. Und so zeigt sich bei den Kommunen ein ausgesprochen prozyklisches Investitionsverhalten, was natürlich aus konjunkturpolitischer Sicht äußerst problematisch ist.

    Zumal der Bedarf insgesamt gewaltig ist, vor allem natürlich in Ostdeutschland. Bis 2009 müssten hier, so schätzt das Deutsche Institut für Urbanistik, 13800 Euro pro Einwohner investiert werden, im Westen immerhin noch 7100. Stattdessen aber wird das Investitionsniveau auch in diesem Jahr weiter zurückgehen. Nach Angaben des Städtetages dürfte es sich in diesem Jahr auf 22 Milliarden Euro belaufen, gut ein Drittel weniger als 1992.

    Doch nicht nur bei notwendigen Neubaumaßnahmen oder Sanierungen etwa bei Schulen oder Straßen wird gespart, bisweilen beweisen die Stadtkämmerer bei ihrer Suche nach neuen Einsparmöglichkeiten auch ungewollten Einfallsreichtum. Beispiel Braunschweig: die zweitgrößte Stadt Niedersachsens musste allein 2001 einen Gewerbsteuerausfall in der Größenordnung von 30 Prozent verkraften - im Zuge der kreativen Haushaltsgestaltung soll nun zumindest zeitweise die Stadtbeleuchtung abgeschaltet werden. Galgenhumor beim 1. Stadtrat Udo Kuhlmann:

    Das Tiefbauamt, das dafür zuständig ist, hat entschieden oder den Vorschlag unterbreitet, die Nachtbeleuchtung von zwölf bis fünf Uhr morgens zu sparen, zu schließen. Und die Politik hat aber dann gesagt, na ja, machen wir eine vermittelnde Lösung - jede zweite Lampe wird ausgeschaltet. Es wird verdunkelt, darf ich mal sagen, aber es ist nicht totale Finsternis.

    Diese und andere Sparmaßnahmen bringen für dieses Jahr 7,85 Millionen Euro - bleibt immer noch ein Fehlbetrag von fast 26 Millionen. Weil aber selbst an der Gebührenschraube kaum noch gedreht werden kann, wird in Braunschweig, wie in vielen anderen deutschen Kommunen auch, über eine weitere Privatisierung städtischen Vermögens nachgedacht. Doch der Verkauf des Tafelsilbers, das betont der Stadtkämmerer von Hannover, Stephan Weil, sei oftmals keine wirkliche Alternative, um die klammen Kassen zu entlasten:

    Man stellt fest, dass es immer schwieriger wird, aus einem ganz einfachen Grund: Entweder es handelt sich um Unternehmen, die sehr lukrativ sind. Dann ist für uns die Frage, ob sich ein Verkauf rechnet. Denn, was ich auf der einen Seite an Verkaufserlös reinkriege, das bekomme ich auf der anderen Seite als laufenden Gewinn nicht mehr. Oder aber, es handelt sich um Unternehmen, die nicht so lukrativ sind oder gar rote Zahlen schreiben, da ist es natürlich schwierig, einen Käufer zu finden. Und insofern wird sich die Ära, wo Kommunen Haushaltskonsolidierung durch das Verkaufen von Tafelsilber versucht haben, langsam aber sicher dem Ende zuneigen.

    Aber auch in Hannover sind noch letzte Reserven vorhanden. Derzeit, so Stadtkämmerer Weil, werde über einen Verkauf der städtischen Häfen genauso nachgedacht wie über eine weitere Privatisierung der Flughafenanteile. So hofft Weil, wenigstens einen Teil der Gewerbesteuerausfälle ausgleichen zu können.

    Wie viele andere Kommunen in Deutschland ist Hannover bei seiner wichtigsten Einnahmequelle letztlich nur von einer Handvoll Unternehmen abhängig. 80 Prozent der Gewerbesteuer in der niedersächsischen Landeshauptstadt werden von 20 Unternehmen entrichtet. Genau darin liegt das Grundproblem dieser Einnahmequelle. Seit der Reform von 1998 werden allein die Erträge der Firmen besteuert und nicht mehr, wie vorher auch das Kapital. Daraus, so Vesper vom DIW, habe sich eine fatale Abhängigkeit entwickelt:

    Dadurch, dass eben jetzt nur noch der Gewerbeertrag eine Rolle spielt, zeigt sich die Steuer als ausgesprochen konjunkturabhängig und aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Monaten ist es hier zu einem Einbruch gekommen.

    Zumal die Konzerne auch Gewinne und Verluste, etwa bei Tochterunternehmen, miteinander verrechnen dürfen. So erwirtschaftete etwa der Automobilhersteller BMW im vergangenen Jahr einen ordentlichen Gewinn, musste aber dank der horrenden Verluste bei der Firmentochter Rover keine einzige Mark an den Stadtkämmerer zahlen. Ähnlich erging es Bonn mit der Deutschen Telekom, Schwäbisch Hall mit der gleichnamigen Bausparkasse oder Leverkusen mit dem Bayer-Konzern.

    Doch damit nicht genug, denn die Gewerbesteuer gehört den Kommunen nicht allein. Seit der Gemeindefinanzreform von 1970 müssen Städte und Gemeinden einen Teil ihrer Steuereinnahmen in Form eines Umlageverfahrens an die Länder und den Bund abtreten - dafür wurden sie allerdings an der Einkommenssteuer beteiligt. Derzeit beläuft sich die Gewerbesteuerumlage auf 20 Prozent, allerdings soll sie bis 2004 auf knapp 30 Prozent angehoben werden.

    Einnahmeausfälle müssen zusätzlich - im Zuge der Steuerreform - bei der Einkommens- und Umsatzsteuer verkraftet werden, an deren Aufkommen Städte und Gemeinden prozentual beteiligt sind. Das Beispiel Steuerreform, so der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Articus sei exemplarisch: der Gesetzgeber, also Bund und Länder handelten, ohne die finanziellen Folgen in letzter Konsequenz durchdacht zu haben:

    Man muss uns sagen, wo wir denn entsprechend Ausgaben und Aufgaben zurücknehmen können, damit wir diese Mindereinnahmen verkraften. Diese Mindereinnahmen belaufen sich in diesem Jahr auf ungefähr vier Milliarden Euro - nur für die Kommunen - und sie werden aufwachsen bis zum Jahre 2005 auf jährlich sechs Milliarden Euro.

    Die Aufgabenverlagerung auf die Kommunen ohne finanzielle Kompensation hat Tradition und wird von jeder Bundes- oder Landesregierung ganz unabhängig von der parteipolitischen Ausrichtung gepflegt. Zumal sich die Gemeinden kaum dagegen wehren können, weil sie an den maßgeblichen Gesetzgebungsverfahren nicht beteiligt sind.

    Natürlich gebe es durchaus auch Gegenbeispiele, räumt der Hauptgeschäftsführer des Städtetages ein - etwa die Einführung der Pflegeversicherung, wodurch die Gemeinden bei der Sozialhilfe entlastet worden waren. Doch dies, so Articus, seien letztlich Ausnahmefälle von der Regel, Aufgaben und damit auch die Kosten auf die Kommunen abzuschieben:

    Wir bezahlen das Kindergeld durch den Direktabzug des Kindergeldes vom Einkommenssteueraufkommen mit 15 Prozent mit, weil wir 15 Prozent des Einkommenssteueraufkommens haben. Das sind jährlich 5,1 Milliarden Euro. Davon bekommen wir 1,6 von den Ländern erstattet als Ausgleich - verbleiben uns 3,5 Milliarden Euro oder sieben Milliarden D-Mark jährlich, die wir das Kindergeld mitfinanzieren. Ein zweites Beispiel ist die private Altersvorsorge: Da setzt derselbe Mechanismus ein. Durch die steuerliche Begünstigung der Altersvorsorge werden wir in den nächsten Jahren - so ab zwei, drei Jahren - 2,4 Milliarden Euro verlieren an Steuereinnahmen.

    Eine Kommune aber kann nicht Pleite gehen - schlimmstenfalls droht stattdessen die Zwangsverwaltung durch das zuständige Bundesland. Immerhin müssen allein in Nordrhein-Westfalen nach einer Umfrage des Städte- und Gemeindebundes fast 100 Kommunen ein sogenanntes Haushaltssicherungskonzept vorlegen, die Vorstufe zur eigentlichen Zwangsverwaltung.

    Doch schon hinter einem Haushaltssicherungskonzept verbirgt sich im übertragenen Sinne die kommunale Bankrotterklärung: Bereits auf dieser Stufe ist eine Kommune nicht mehr autonom, stattdessen darf das zuständige Regierungspräsidium bei den Ausgaben ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Viele Stadtkämmerer greifen aber zuvor zu einem Notmittel, das sie eigentlich laut Gesetz gar nicht nützen dürfen: Sie nehmen ständig Kredite auf, um selbst laufende Ausgaben für Gehälter und Sozialhilfe bezahlen zu können. Eine gängige Praxis, gibt der Stadtkämmerer von Hannover, Stephan Weil, zu :

    Wir haben uns weit davon entfernt, dass Kassenkredite nur einer vorübergehenden Liquiditätssicherung dienen. Sondern sie sind in Hannover, wie in vielen anderen Städten auch mittlerweile eine ständige Finanzierungsgrundlage - das ist ein höchst ungesunder Zustand.

    Doch nun hoffen die Bürgermeister und kommunalen Finanzverwalter auf die neue Kommission zur Neuordnung der Gemeindefinanzen, die nach diesem Osterwochenende ihre Arbeit aufnehmen wird. Aber es werden keine einfachen Verhandlungen, das zeigt allein schon der Blick auf die Teilnehmerliste: Denn neben Finanzminister Eichel und Arbeitsminister Walter Riester, der sich um die geplante Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe kümmern soll, sind auch die Verbände der Kommunen sowie der Wirtschaft vertreten.

    Und gerade die großen Wirtschaftsverbände drängen massiv auf eine Abschaffung der Gewerbesteuer, um, so Klaus Bräunig vom BDI, einen schwerwiegenden Wettbewerbsnachteil für die großen Unternehmen zu beseitigen:

    Die deutsche Gewerbesteuer hat sich als Absurdum erwiesen. Sie wird nur noch von sehr wenigen Großunternehmen gezahlt. Etwa ein Drittel der gewerblichen Unternehmen sind überhaupt nur noch gewerbesteuerpflichtig. und drei Prozent der gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen zahlt etwa zwei Drittel des Aufkommens. Das zeigt, dass immer weniger Großunternehmen immer mehr zahlen sollen. Für die kommunalen Finanzen sind aber alle Bürger verantwortlich, nicht nur die Wirtschaft.

    Insofern schlägt der BDI eine radikale Reform vor, die der Industrieverband zusammen mit dem Institut der deutschen Wirtschaft erarbeitet hat: Streichung der Gewerbesteuer, dafür sollen die Kommunen einen Zuschlag erhalten auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer. Darüber hinaus soll jeder Gemeinde noch ein eigenes Hebesatzrecht für beide Steuereinkommen eingeräumt werden.

    Vorraussetzung für diesen Ansatz aber wäre eine Absenkung der Einkommenssteuer, um eine drohende Steuererhöhung zu verhindern. Die enormen Steuerausfälle seien, so die Argumentation des BDI, durchaus beherrschbar, weil unter dem Strich nur eine Umschichtung der Mittel stattfinden würde: Bund und Länder würden zunächst ihre Anteile an der Gewerbesteuerumlage verlieren, dazu kämen noch die Mindereinnahmen durch die Absenkung bei der Einkommenssteuer.

    Im Gegenzug seien aber auch entsprechende Mehreinnahmen zu erwarten, etwa weil der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer genauso wegfallen würde wie die pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommenssteuer. Man habe das Konzept noch nicht auf einzelne Kommunen durchgerechnet, räumt Bräunig ein, aber der Grundansatz weise in jedem Fall in die richtige Richtung:

    Damit wird gewährleistet, dass die Kommunen individuell ihre Finanzierung mitgestalten können. Damit wird gewährleistet, dass die Steuerbelastung sich insgesamt nicht erhöhen muss - für die Unternehmen nicht und für die Bürger nicht. Und damit wird gewährleistet, dass, was dem Bürger heute nicht klar gemacht wird - nämlich dass er heute schon zu einem Gutteil mit etwa 15 Prozent pauschal seiner Einkommenssteuerschuld zur Finanzierung beiträgt, auf eine transparente und auch leistungsgerechte Grundlage gestellt wird.

    Auch im Bundesfinanzministerium findet dieses Modell durchaus Sympathie, wenngleich auch nur hinter vorgehaltener Hand. Man wolle sich vor den entscheidenden Verhandlungen der Fach-Kommission nicht festlegen, heißt es zur Begründung. Daneben werden aber auch Alternativ-Modelle diskutiert: etwa höhere Anteile der Gemeinden an der Umsatzsteuer oder die Einführung einer sogenannten Wertschöpfungssteuer, bei der die örtliche Wertschöpfung als Summe aus Löhnen, Zinsen, Pachten , Mieten und Gewinnen belastetet werden soll. Ein Vorschlag, für den sich besonders die so genannten "Fünf Weisen" stark machen.

    Doch hinter allen Vorschlägen steckt der Ansatz, die Gewerbesteuer abzuschaffen - und genau das lehnen, zumindest bislang, Kommunen und Städte kategorisch ab. Sie hoffen stattdessen auf eine Revitalisierung der Gewerbesteuer - was letztlich nichts anderes als eine Steuererhöhung bedeuten würde. Stephan Articus vom deutschen Städtetag:

    Die Wirtschaft in allen Formen und in allen Größenordnungen muss ihren Beitrag zu den Leistungen der öffentlichen Hand, für Standortpolitik, für Infrastrukturen mitbezahlen. Dabei wollen wir wie gesagt insbesondere, dass Änderungen erreicht werden etwa bei den Organschafts-Regelungen, die verhindern, dass die großen Unternehmen überhaupt nichts mehr bezahlen.

    Darüber hinaus fordert der Städtetag eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Das bedeutet, die Gewerbesteuerpflicht soll auch auf Selbstständige, Freiberufler, Land- und Forstberufe erweitert werden, die bislang davon ausgenommen sind.

    Wie aber der Interessenkonflikt zwischen Städten und Wirtschaft letztlich gelöst werden kann, ist derzeit noch völlig offen. Zumal es mit einer Gewerbesteuerreform allein nicht getan sein wird. Parallel dazu verhandelt eine zweite Arbeitsgruppe auch über die Zusammenlegung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe: Ziel hier: eine Verbesserung der Vermittlungsbemühungen, die Straffung von Arbeitsabläufen und nicht zuletzt - eine Absenkung der Kostenbelastung.

    Von den Kommunen wird auch dieses Vorhaben grundsätzlich begrüßt, schließlich müssen sie für die Sozialhilfe finanziell gerade stehen. Allerdings hat der Städtetag schon vorsorglich wissen lassen: Reformen auf Kosten der Kommunen werde man nicht akzeptieren. Diese Botschaft, so die Staatssekretärin Ulrike Mascher im Arbeitsministerium, sei auch angekommen:

    Diese Kommission wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Kommunen nicht das Gefühl haben, dass das eine Reform ist, die zu ihren Lasten geht. Also Gefühl ist der falsche Ausdruck - die werden das nachrechnen, spitz nachrechnen, weil sie eben schlechte Erfahrungen haben. Und ich denke, es ist auch nicht das Interesse des Bundesfinanzministers und des Arbeitsministers, hier etwas bei den Kommunen abzuladen.

    Mit raschen Ergebnissen aber ist, wie gesagt, aufgrund der großen Interessengegensätze, kaum zu rechnen. Die Erwartungen an die Reformkommission sind dennoch enorm: Es sei faktisch die letzte Chance, um die Kommunen vor dem finanziellen Kollaps zu bewahren- so die Einschätzung vieler Bürgermeister und auch die des Stadtkämmerers von Hannover:

    Auch wenn wir sehr sicher sind, dass es vor allem darum gehen muss, mit den eigenen Anstrengungen Haushaltskonsolidierung zu betreiben und zu sparen, wo es nur geht - gibt es nur eine stichhaltige Schlussfolgerung: wenn die steuerlichen Rahmenbedingungen sich nicht ändern, dann werden viele Städte vor die Hunde gehen, auch Hannover.