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Kommunalwahl
Bürgermeister-Kandidaten sind Mangelware

Ausgefuchste Verwaltungsprofis, die ehrenamtlichen Gemeinderäten und Ortsbürgermeistern die Spielräume nehmen, werden in Rheinland-Pfalz zum Problem. In vielen Dörfern fehlen bei der Kommunalwahl die Kandidaten für das Bürgermeisteramt vollständig oder es steht nur einer zur Wahl.

Von Ludger Fittkau |
    Ein Schild mit dem Wort "Wahl" hängt weist den Weg eine Treppe hinauf, Menschen gehen die Treppe hinauf
    Schild weist den Weg zu einem Wahllokal (dpa/picture alliance/Michael Reichel)
    Das Dorf Aach bei Trier. Die Hauptstraße schlängelt sich durch den alten Ortskern einen Hang hinauf. Rundherum bewaldete Höhen. Das Gemeindehaus des Tausend-Einwohner-Dorfes steht ein paar Meter von der Hauptstraße entfernt an einem ruhigen Platz. Gleich links hinter dem Haupteingang liegt das geräumige Büro des ehrenamtlichen Ortsbürgermeisters Ralf Kierspel. Der sportliche Mittvierziger, der sein Ehrenamt acht Jahre ausübte, steht bei der Kommunalwahl am 25. Mai nicht mehr zur Verfügung, obwohl er keinen Nachfolgekandidaten gefunden hat:
    "Nein, es ist mir nicht gelungen! Nicht nur im Gemeinderat. Ich habe auch in meinem Bekanntenkreis alle gefragt, wo ich mir vorstellen konnte, dass sie für dieses Amt geeignet wären oder Spaß daran hätten, so ein Amt zu begleiten. Aber es will keiner!"
    So richtig empfehlen kann Ralf Kierspel das Amt ehrlicherweise ohnehin nicht. Nicht nur wegen der persönlichen Arbeitsbelastung, die ihm letztlich neben der Berufstätigkeit in benachbarten Luxemburg zu viel wurde. Ein anderer Grund ist der Frust darüber, dass hauptamtliche Verwaltungen übergeordneter Behörden ihm und seinem Gemeinderat das Leben in den vergangenen Jahren immer schwerer gemacht haben und 80 Prozent aller Entscheidungen an sich ziehen:
    "Und die anderen 20 Prozent, die wir noch machen – da ist dann immer irgendwo ein Haken drin, das wir irgendwelche Gesetze nicht beachtet haben, die dann wieder neu gemacht werden müssen. Und damit wird der Handlungsspielraum, den wir als Bürgermeister oder Gemeinderäte haben, immer kleiner. Heute brauchen sie für alles ein Kataster. Sie brauchen ein Brückenkataster, ein Baumkataster, ein Spielplatzkataster. Es wird so viel eingeschnürt. Dann macht es keinen Spaß mehr."
    Zu viel Bürokratie in den Rathäusern
    Wenige Meter vom Gemeindehaus entfernt wohnt Christel Kreis. Sie war zwanzig Jahre lang im Gemeinderat von Aach aktiv und tritt nun auch nicht mehr an. Auch bei ihr ist die Enttäuschung darüber offensichtlich, was Bürokraten aus übergeordneten Behörden so alles verhindert haben.
    "Mein Eindruck ist auch, dass die Verwaltung zunehmend an Bedeutung gewinnt, und dass die ehrenamtlichen Bürgermeister mehr oder weniger zum Stimmvieh werden."
    Da war etwa die Sache mit dem zugewachsenen Dorfweiher. Nachdem rund 100 Dorfbewohner die Fläche mit Motorsägen an mehreren Wochenenden freigelegt hatten, um sie zu einem Gemeindeplatz umzugestalten, stoppte eine übergeordnete Behörde die Aktion. Seit Monaten liegt die Gemeinschaftsbaustelle brach – erstickt in Bürokratie.
    Dass die Kommunen überdies oft pleite sind, erhöht auch nicht gerade den Spaßfaktor für die ehrenamtlichen Bürgermeister, weiß Thomas Müller, Sprecher der Kreisverwaltung Trier-Saarburg:
    "Das ist natürlich frustrierend, dass man keinen finanziellen Handlungsspielraum hat. Wir sind gebeutelt von Pflichtaufgaben. Das ist sicherlich ein Grund, dass die finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten nicht mehr so sind, wie das vielleicht noch vor zwanzig Jahren war.
    Ausgefuchste Verwaltungsprofis, die ehrenamtlichen Gemeinderäten und Ortsbürgermeistern die Spielräume nehmen – das bereitet auch Thomas Müller Sorgen:
    "Behörden neigen ja immer dazu, Aufgaben an sich zu ziehen. Ich arbeite ja selber in einer, ich weiß ja, wie es ist."
    Dörfer ohne Bürgermeister
    Doch trotzdem will Thomas Müller nun in seiner Heimatgemeinde Tawern ehrenamtlicher Ortsbürgermeister werden – er hat sogar noch eine Gegenkandidatin. Da sind die Wählerinnen und Wähler der römischen Gründung Tawern besser dran als manch andere Gemeinde der Region, die gar keine Bürgermeisterkandidaten mehr findet.
    "Findet sich allerdings keiner, der dieses Amt übernehmen möchte, dann wird durch die Kommunalaufsicht ein Verwalter bestellt. Das ist in der Regel der hauptamtliche Bürgermeister der übergeordneten Verbandsgemeinde, der dann die Verwaltung übernimmt, im Zusammenspiel mit dem Gemeinderat."
    Es ist sozusagen ein politischer Insolvenzverwalter, der dann von der übergeordneten Ebene in das bürgermeisterlose Dorf geschickt wird.
    In Aach stellen sich die Bürger schon darauf ein, dass sie demnächst von einer oberen Behörde "zwangsverwaltet" werden. Das politische Ehrenamt muss wieder aufgewertet werden. Da ist man sich in Aach einig. Die Macht der Bürokraten müsse gestoppt werden, ist das Fazit der Bürger des Dorfes, die demnächst wohl ohne Bürgermeister dastehen werden:
    "Es ist ja nicht nur Aach allein, es sind ja auch die Nachbardörfer, es ist in mehreren Ortschaften so."
    "Da wünschte ich mir von den Leuten in der Verwaltung einfach mehr Respekt vor dem Ehrenamt!"