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Kommunalwahl in Bayern
"Poltern gehört in Bayern dazu"

Im Auftreten der CSU der vergangenen Monate habe sehr viel Wahlkampf gesteckt, sagte Ursula Münch, Leiterin der Akademie für politische Bildung Tutzing, im DLF. Gerade Stammtischparolen zur Armutseinwanderung hätten ohne die anstehenden Wahlen so wohl nicht stattgefunden.

Ursula Münch im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Eine Maß Bier steht auf einer blau-weißen Tischdecke
    Mario Dobovisek: Wann immer CSU-Chef Horst Seehofer mit volkstümelnden Zuspitzungen in Berlin aufschlägt, dann richtet er seine Worte einerseits an die Koalitionspartner in der Bundeshauptstadt und andererseits auch in Richtung Bayern, denn von dort aus erhält er seinen Rückenwind, jene Unterstützung also, die den Kleinen im Bunde der Großen Koalition so mächtig macht. Das war bei Schwarz-Gelb nicht wesentlich anders. So bewegt sich Bayern des Öfteren mal zwischen der Autobahnmaut für Ausländer und der Armutseinwanderung aus Rumänien und Bulgarien.
    Andreas Scheuer: Wer betrügt, der fliegt – der Satz gilt. Wir sind gewohnt, klare Aussagen zu treffen.
    Horst Seehofer: Wer Freizügigkeit in Europa will, der muss dafür sorgen, dass die Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme beendet wird. Das wird nicht mit uns stattfinden.
    Dobovisek: Andreas Scheuer und Horst Seehofer sprechen damit ihren Bayern, so scheint es, aus der Seele, für die Opposition jedoch reiner Wahlkampf, vor allem Getöse vor der bayrischen Kommunalwahl morgen. Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing – guten Morgen!
    Ursula Münch: Guten Morgen!
    Dobovisek: Wie viel Wahlkampf steckt denn in den vergangenen Monaten im Auftreten der CSU?
    Münch: Viel Wahlkampf, das war schon viel, also gerade diese plakativen Sätze, "Wer betrügt, der fliegt", das war schon auch auf die Kommunalwahlen durchaus, aber auch auf die Europawahlen gemünzt. Ohne das hätte das vielleicht nicht ganz so vehement stattgefunden, ohne die Wahlen.
    Dobovisek: Wie steht es dabei um die Autobahnmaut, die etwas früher durch das politische Berlin geisterte?
    Münch: Na ja, um die Autobahnmaut ist es auffallend still geworden. Seitdem wir einen bayerischen Bundesminister haben, der sich damit beschäftigt, ist das Thema in Bayern nicht mehr wichtig.
    Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung Tutzing
    Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung Tutzing (picture alliance / dpa)
    Dobovisek: Das heißt, man hat erkannt, dass es doch etwas schwieriger werden könnte und kann damit nicht mehr punkten?
    Münch: Das könnte man vermuten, zumindest also in dem Kommunalwahlkampf hat es keine Rolle gespielt.
    Dobovisek: Stichwort Lufthoheit über den Stammtischen, immer wieder gerne zitiert – entscheidet das volkstümliche Poltern in Bayern Wahlen?
    Münch: Es entscheidet nicht, aber es ist zumindest ein ganz wichtiges Drumherum, es ist eine ganz wichtige Einbettung, das gehört dazu, das gehört zum Verständnis von Politik dazu, die muss auch Spaß machen, und damit was Spaß macht, muss es auch mal ordentlich poltern. Das ist durchaus ein Verständnis, das die Leute dann aber auch bei der Stange hält und hoffentlich dann auch gelegentlich immer mal wieder zu den Wahlurnen bringt.
    Dobovisek: Welches Poltern ist Ihnen, Frau Münch, denn in den vergangenen Wochen besonders aufgefallen?
    Münch: Da muss man sicherlich stark unterscheiden zwischen den größeren Städten, den Großstädten in Bayern, und den kleineren Orten. Es hat sehr viel die Leute bewegt die Energiewende, also die Frage, wie schaut eigentlich die Energiewende, die ja grundsätzlich jeder will, so lange sie nicht vor der eigenen Haustür stattfindet, wie schaut es aus mit Windrädern, mit Stromtrasse? Das hat außerhalb der großen Städte eine sehr große Rolle gespielt. In den großen Städten war es eher ein Thema Miete, Mieten, teures Wohnen, nicht nur in München, das ist auch für andere Städte ein großes Thema, und auch die Verkehrssituation in den Städten.
    Dobovisek: Wie – weil Sie das Stichwort Energiewende bringen – wurde denn die Trasse, die Energietrasse genannt, die auch quer durch Bayern verlaufen soll?
    Münch: Also das ist tatsächlich ein ganz emotionales Thema verständlicherweise, weil man ... je näher das natürlich dann im wahrsten Sinne des Wortes rückt, desto klarer wurde vielen Leuten, vor allem im Fränkischen, dass es unter Umständen also relativ schnell zu relativ großen Eingriffen dann ins jeweilige örtliche Umfeld kommt und das ist ein ganz großes Thema, das wird aber auch ein Thema bleiben, jedenfalls der Kommunalwahlen.
    Dobovisek: Wo wird es denn morgen, wenn morgen gewählt wird, besonders spannend werden?
    Münch: Ach, das eine ist natürlich: München wird sehr spannend werden. Wir sehen ja dem Ende der Amtszeit eines extrem langjährigen Oberbürgermeisters entgegen: Christian Ude kann nicht mehr antreten, und es wird schon sehr spannend, und es ist davon auszugehen, dass es eine Stichwahl geben wird zwischen voraussichtlich dem SPD-Bewerber und dem CSU-Bewerber. Und ebenfalls sehr spannend wird die Frage sein: Wie geht man im Landkreis Miesbach in Oberbayern mit dem Nachfolger eines Landrats um, der sehr viel Geld in private Geburtstagsfeiern durch die örtliche Sparkasse hat stecken lassen, der immer noch auf dem Wahlzettel steht, sein Name, der aber offiziell nicht mehr antritt? Und da ist die Frage: Halten sich die Wähler dran oder was passiert eigentlich, wenn die jetzt trotzdem diesen CSU-Kandidaten wählen? Wie verfährt man dann?
    Dobovisek: Ist es in Bayern längst nicht mehr ausgesagte Sache, dass das Land CSU-geführt und die Städte unter SPD-Regierung stehen?
    Münch: Also es ist im Grunde unentschieden. Wenn man sich die großen Städte anschaut, dann steht es bei den Großstädten vier zu vier für die CSU und für die SPD, also da wird die Stichwahl sicherlich in einigen Städten entscheiden. Wenn man sich das Land anschaut, dann muss man feststellen, dass außerhalb der großen Städte die Freien Wähler und zusätzlich andere sogenannte Freie-Wähler-Gruppen, die nicht unbedingt etwas mit den Freien Wählern, die auch im Landtag sitzen, zu tun haben, dass die dort ein ganz starkes Gewicht haben und sehr, sehr stark die Gemeinderäte und zum Teil auch die Stadträte prägen. Da hat nicht unbedingt die CSU dann die Vorherrschaft, sondern durchaus diese Freien-Wähler-Gruppen. Also das ist für ... die CSU muss im Grunde auf zwei unterschiedlichen Feldern kämpfen, in den großen Städten gegen die SPD und auf dem Land eher gegen diese Freien-Wähler-Gruppen.
    Dobovisek: Wie wichtig sind die Kommunalwahlen morgen für Horst Seehofer, für die CSU in München?
    Münch: Sie sind schon sehr wichtig. Sie sind deshalb wichtig, weil es für Seehofer drum geht, zu zeigen, dass er nach den erfolgreichen Landtagswahlen und nach der erfolgreichen Bundestagswahl für die CSU, dass er jetzt auch hier bei den Kommunalwahlen mit der CSU es schafft, die bei den letzten Kommunalwahlen 2008 verlorenen Punkte wieder wettzumachen, wieder gutzumachen. Das ist schon für ihn und für sein Ansehen und für das Selbstverständnis sehr wichtig, weil die letzten Kommunalwahlen 2008 waren für die CSU mit nur 40 Prozent im Durchschnitt des Landes ein nicht besonders rühmliches Ergebnis.
    Dobovisek: Wenn wir in diesen Tagen über Bayern reden, kommen wir am FC Bayern und seinem Ex-Präsidenten Uli Hoeneß nicht vorbei. Wegen Steuerhinterziehung wurde er zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Einst galt er als enger Vertrauter der CSU-Führung. So hatte Seehofer ihn noch im Sommer vergangenen Jahres verteidigt und einen anständigen Umgang mit ihm gefordert. Hat Seehofer sich noch rechtzeitig vor dem bodenlosen Fall von Uli Hoeneß distanzieren können?
    Münch: Er hat sich einerseits von ihm distanziert in Sachen Steuerhinterziehung natürlich, auch in Sachen dieses Taktierens. Er hat jetzt aber gleichzeitig dann auch wieder deutlich gemacht, dass er die Entscheidung von Hoeneß, jetzt die letzte Entscheidung von gestern, doch nicht in die Revision zu gehen und doch sich der Haftstrafe sofort auszusetzen, dass er das auch sehr honorig findet. Also im Grunde Distanzierung im Inhaltlichen, aber gleichzeitig deutlich machen, dass man den Mensch Hoeneß jetzt deshalb nicht verloren gibt.
    Dobovisek: Welche Wirkung hat der Fall Hoeneß insgesamt auf Bayern?
    Münch: Ich würde schon sagen, tiefe Erschütterung, also das hat in den letzten paar Tagen oder in den letzten paar Wochen sogar ... Das war das Thema, egal, wo Sie hingekommen sind, egal, wem Sie zugehört haben – über Kommunalwahlen ist sehr wenig gesprochen worden, Hoeneß war das Thema.
    Dobovisek: Hat irgendjemand versucht, daraus politischen Saft zu saugen?
    Münch: Nein, das würde ich so nicht sehen. Also es war insgesamt so eine, diese Wahrnehmung, da versucht jemand, ja, im Grunde doch noch seine Ehre zu retten, und jetzt durch diese jüngste Entscheidung, dass er eben doch sich jetzt mit dem Urteil so abfindet, das spricht wieder sehr für ihn, aber jetzt politisch daraus zu profitieren, das würde ich nicht sehen, nein.
    Dobovisek: Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Morgen wählen die Bayern ihre Kommunalparlamente und Bürgermeister. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Münch!
    Münch: Ja, gern geschehen!
    Über Ursula Münch:
    Geboren 1961 in Esslingen am Neckar. Seit 1999 Professorin für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr München. Dort von 2009 bis 2011 auch Dekanin der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Das Interview mit Ursula Münch können Sie noch mindestens drei Monate in unserem Audio-on-demand- Bereich nachhören.