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Komponist der Extravaganz

"Die Vier Jahreszeiten" zählen zu den am häufigsten gespielten Werken der Barockmusik, doch nur wenige kennen das Leben ihres Komponisten. Antonio Vivaldi kam am 4. März 1678 während eines Erdbebens zur Welt - und erbte von seinem Vater nicht nur die Musikalität, sondern auch einen gellend roten Haarschopf.

Von Sabine Fringes | 04.03.2008
    "Das Besondere an der Musik Vivaldis ist ihre Wildheit und Ungezwungenheit; und manchmal scheint es fast, als habe er genau das erreichen wollen. Einige seiner Kompositionen sind ausdrücklich als 'Extravaganzen' bezeichnet, und sie sind es auch tatsächlich in ihrer Melodik und Modulation."

    Sir John Hawkins in seiner Musikgeschichte von 1776. Extravagant war auch das Erscheinungsbild des am 4. März 1678 in Venedig während eines Erdbebens zur Welt gekommenen Antonio Vivaldi: von seinem Vater Giovanni Battista Vivaldi, einem Barbier und einem der besten Violinisten im Orchester von San Marco, hatte er nicht nur die Musikalität geerbt, sondern auch einen gellend roten Haarschopf.

    Und als er dem Wunsch des Vaters folgend im Alter von 25 Jahren Priester wurde, verpasste man ihm den Spitznamen "il prete rosso", der rothaarige Priester. Er sollte ihn sein Leben lang begleiten, auch wenn Vivaldi wegen eines Asthma-Leidens nur kurze Zeit seinem Amt nachkommen konnte.

    "Kaum zum Priester geweiht, habe ich noch etwas mehr als ein Jahr Messe gelesen und es dann aufgegeben, weil ich dreimal wegen meines Übels vom Altare gehen musste, ohne die Messe zu beenden. "

    Vivaldi widmete sich fortan ganz seiner eigentlichen Berufung, der Komposition.
    Viele Inspirationen erhielt er dabei als Orchester- und Chorleiter des Ospedale della Pieta, eines unweit des Doms San Marco gelegenen Waisenhauses für adlige Töchter. Die regelmäßigen Konzerte der Ospedali galten als gesellschaftliche Ereignisse ersten Ranges - und mit ihnen verbreitete sich auch der Ruhm Vivaldis in ganz Europa. Ein französischer Reisender über das Musikleben der Lagunenstadt:

    "Die vorzüglichste Musik hier ist die der Ospedali. Es sind deren vier, alle von außerehelichen Mädchen besetzt und von solchen, deren Eltern nicht imstande sind, sie aufzuziehen. Sie werden auf Staatskosten erzogen, und man bildet sie einzig dazu aus, sich in der Musik auszuzeichnen. Daher singen sie wie die Engel, (spielen Geige, Flöte, Orgel, Oboe, Cello, Fagott), und ist kein Instrument zu groß, um ihnen Angst zu machen."

    Den größten Teil aller Instrumentalkonzerte hat Vivaldi für die Aufführungen des Mädchenorchesters komponiert, das unter seiner Führung zu einem der besten europäischen Orchester aufstieg. 450 Konzerte stammen aus der Feder des Barockmeisters, unter ihnen auch die berühmten Jahreszeiten. Und bei seinen Zeitgenossen kursierte das Bonmot, Vivaldi komponiere schneller als seine Kopisten schreiben können.
    Die formale Klarheit seiner Konzerte galt als vorbildlich und hat auch ihre Spuren bei Komponisten außerhalb Italiens hinterlassen, so etwa in Bachs "Brandenburgischen Konzerten". Für Furore in und außerhalb Venedigs sorgte Vivaldi auch mit seinen Opern, deren farbenreiche Instrumentierung und ausdrucksstarke Affektdarstellung das Publikum verblüfften.

    Doch musste Vivaldi auch das Ende seiner Popularität in der Lagunenstadt miterleben, wo man in der Musik mit der Mode ging - und Vivaldis Werke in den 1730er Jahren längst nicht mehr der letzte Schrei waren. So versuchte er in den Niederlanden einen neuen Anfang zu machen. Vergeblich. Er starb am 28.7.1741 in Wien, völlig verarmt, wie dem Totenbuch des Stephansdom zu entnehmen ist.