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Komponisten-Metropole Hongkong

Auffallend viele junge Chinesen besuchen Konzerte mit zeitgenössischer Musik. Und auch die Komponistenvereinigung hat regen Zulauf. Gefördert werden vor allem diejenigen, die neue Kompositionen mit traditionellen chinesischen Instrumenten verbinden.

Von Thomas Migge | 12.11.2011
    Konzerte mit zeitgenössischer Musik sind in Hongkong keine Seltenheit. Im Gegenteil. Im Großraum der chinesischen Metropole leben und komponieren mehr als 200 Komponisten. Wenn ihre Musik zu hören ist, sind die Konzertsäle in der Regel bis auf den letzten Platz ausgefüllt. Darunter auffallend viel junges Publikum.
    Eine ungewöhnliches Phänomen und in Europa so gut wie unbekannt. Dazu Joshua Chan, Komponist und Professor für Komposition an der Hongkong-Universität:

    "In Hongkong leben sieben Millionen Menschen. Viele interessieren sich für zeitgenössische Musik. Die städtische Vereinigung für Komponisten hat sage und schreibe 120 Mitglieder. Die schaffen natürlich sehr unterschiedliche Werke, inspiriert vor allem von der westlichen Musikentwicklung. Unsere Komponistenvereinigung ist einmalig in China."

    Joshua Chan unterrichtet an seiner Fakultät über 30 angehende Tonsetzer. Auch andere an Hochschulen Hongkongs lehrende Komponisten haben ungemeinen Zulauf an Studenten. Unter den Komponisten befinden sich viele landesweit bekannte Namen, wie Daniel Law, Richard Tsang und Law Wing-fai.

    Ein waschechter Schotte aber ist der Komponist David Gwilt. Vor rund 40 Jahren verschlug es ihn in die damalige britische Kronkolonie. Er kam im Auftrag der Regierung in London, um an der städtischen Hochschule zu unterrichten. Zahllose zeitgenössische Komponisten Hongkongs sind bei ihm in die Lehre gegangen. Gwilt ist ein kritischer Beobachter der regionalen Musikszene:

    "Immer neue und immer mehr Komponisten machen auf sich aufmerksam, aber wenn wir uns mal ihre Werke genauer anhören, fällt auf, dass viele von ihnen entweder der modernen chinesischen Musik, die immer noch von der Kulturrevolution geprägt ist, oder dem Franzosen Debussy verfallen sind."

    Zeitgenössisch in Hongkong und im übrigen China bedeutet für David Gwilt leider viel zu oft, Zitat: "Post-Debussy-Neo-Romantik chinesisch eingefärbt."

    Wie zum Beispiel diese Arbeit von Zhao Jiping. Beim Publikum kommt sie ausgezeichnet an. In sämtlichen Musikhandlungen wird sie verkauft.

    Es ist Musikmanagern wie dem Sänger Warren Mok zu verdanken, dem mächtigen Direktor der Oper in Hongkong und des Musikfestivals im benachbarten Macao, dass seit einiger Zeit vor allem jene Komponisten gefördert werden, die zwischen chinesischer Tradition und westlicher Tradition einen eigenen Weg suchen. Und die bereit sind, für ihre neuen Werke traditionelle chinesische Instrumente zu nutzen. Es geht um einen Mittelweg zwischen Ost und West.

    Der gebürtige Chinese Huang Ruo lebt zwar in New York. Aber seine Musik inspiriert auch junge Komponisten in Hongkong.