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Kompromisslos unromantisch

Der Pianist Artur Schnabel blieb immer ein Einzelgänger im Konzertbetrieb. Sein kompromisslos unromantisches Spiel hatte zeitweilig ebenso wenig Erfolg wie sein Repertoire, das einen weiten Bogen um alle vordergründig-effektvollen Virtuosen-Stücke schlug. Doch seine Mozart-, Schubert- und Beethoven-Aufnahmen gelten bis heute als Meilensteine der Schallplattengeschichte.

Von Michael Stegemann | 17.04.2007
    "Aus dir wird nie ein Pianist - du bist ein Musiker!"

    Sein Lehrer Theodor Leschetitzky sollte Recht behalten: Der österreichisch-amerikanische Pianist Artur Schnabel, geboren am 17. April 1882 in Lipnik bei Bielitz, war und blieb immer ein Fremder unter den Tastenlöwen des 20. Jahrhunderts.

    Schon früh gilt seine Leidenschaft zwei Polen: Den Wiener Klassikern Mozart, Beethoven und Schubert auf der einen, der Neuen Musik auf der anderen Seite. Hier ist es vor allem der Kreis um Arnold Schönberg, dem er sich nahe fühlt, und von dem auch seine eigenen Werke inspiriert sind.

    Als 18-Jähriger geht Schnabel nach Berlin, wo er bis 1933 eine zentrale Rolle im Musikleben spielt - Professor an der Musikhochschule, Kammermusik-Partner der berühmtesten Musiker seiner Zeit, Konzertpianist und einer der meist beschäftigten Künstler der frühen Schallplatten-Geschichte. Seine Mitte der 1930er Jahre entstandene Gesamtaufnahme der Beethoven-Sonaten ist bis heute ein Meilenstein.

    "Beethoven ist der ganze Weg zum Ziele des Menschen. Alles Fühlen und Denken wächst an ihm."

    "Künstler ist doch wohl, wer, untrennbar von ihr, ausschließlich und natürlich in der Kunst lebt und wirkt. Kunst ist doch wohl Ausdruck innerer Notwendigkeit, der der Künstler als auserwählter Liebender besessen folgt."

    Als Jude von den Nationalsozialisten vertrieben, wendet sich Schnabel 1933 zunächst nach England, bevor er bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in die USA übersiedelt, um unter anderem an der University of Michigan zu unterrichten. Als Lehrer begehrt, stößt doch der Pianist Schnabel in Amerika auf taube Ohren: Sein intellektuelles, glasklares und kompromisslos unromantisches Spiel hat ebenso wenig Erfolg wie sein Repertoire, das einen weiten Bogen um alle vordergründig-effektvollen Virtuosen-Stücke schlägt.

    "Der Künstler empfängt einen Auftrag nur von der Begabung und ist nur ihr verantwortlich. Er kann dem Versuch und Anreiz von außen widerstehen, den Auftrag durch Anpassung zu verwirren. Er lebt in einer Welt, wo der Wechsel nichts bedeutet. Zeit und Art des künstlerischen Schaffens erhalten ihre Gestalt nicht vom Tage, bleiben immer gleich."

    Seit 1946 verbringt Artur Schnabel die meiste Zeit des Jahres in der Schweiz, wo er am 15. August 1951 auch gestorben ist: einer der bedeutendsten Pianisten, nein Musiker des 20. Jahrhunderts.