Archiv


Kondome für Ghana

Angeregt durch die erschreckenden Dimensionen der HIV-Neuinfektionen weltweit haben Studenten der Universität der Künste Berlin an einem Projekt gearbeitet, um neue Ansätze für die Aids-Prävention zu entwickeln. Mit dabei auch der deutsch-ghanaische Designer Mark Kwami.

    Autoren: Gaby Mayr und Günter Beyer

    Auf riesigen Plakatwänden an den Hauptstraßen von Accra fordert die ghanaische Regierung ihre Bürger auf, sich vor AIDS zu schützen - durch Enthaltsamkeit, Treue und Kondome.

    Bei Ghanas Männern allerdings sind Kondome nicht sonderlich beliebt, obwohl sie mit umgerechnet zwei Cent wenig kosten.

    Ein Design-Projekt an der Universität der Künste in Berlin hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mit pfiffigen Ideen für den Gebrauch von Kondomen offensiv zu werben. Das Ergebnis ist die Ausstellung "0-tilities for safer sex", die auch ins Goethe-Institut von Ghanas Hauptstadt Accra gelangte.

    Von der Decke hängen an elastischen Schnüren Kleiderbügel mit weißer Herren- und Damenunterwäsche. Darauf im Siebruckverfahren flotte Werbesprüche, Gebrauchsanweisungen und Fotos für Kondome. Wer alle Texte lesen will, muss sich vorsichtig seinen Weg durch sanft wippende Wäsche bahnen. Und dann entdeckt man an der Wäsche befestigte Kondome - in ungewohnten Verpackungen. Farbenfroh, durchsichtig, mal in einer Flasche, mal in einem raffiniert gefalteten Umschlag, der keck an der Mütze zu tragen ist. Ein bunter Tischständer bietet eine Auswahl Kondome in futuristischem Set an - man fühlt sich an Eierbecher erinnert. Kondome überall, coole, stolz getragene Begleiter wie ein Mobiltelefon. Sogar an Verpackungen für gebrauchte Kondome wurde gedacht. Überall taucht der rote Buchstabe "0" auf.

    ''0-tilities for safer sex'' besteht aus zwei Teilen. Utility ist Englisch für einen einfachen, verfügbaren Gebrauchsgegenstand. Und das 0, das wir vorne rangesetzt haben, ist für uns Symbol für Kondom. Wir haben versucht, einfach weil der Begriff so negativ belastet ist, gerade für junge Menschen, einen neuen Begriff zu schaffen, und deswegen sieht man überall in der Ausstellung das 0.

    Mark Kwami ist der Dozent, unter dessen Leitung die ungewöhnlichen Kondomverpackungen entwickelt wurden.

    Ich selbst bin deutsch-ghanaischer Designer, bin in Ghana groß geworden und habe nach meinen Studium auch viel in Afrika gearbeitet, vor allen Dingen auch im südlichen Afrika, wo AIDS ein sehr großes Problem ist. Und gerade in diesen Ländern habe ich mir schon angefangen Gedanken zu machen, was man als Designer machen kann, als afrikanischer Designer.

    Manche Männer haben Schwierigkeiten mit dem Überstreifen, wissen nicht wohin mit den gefüllten Präservativen. Wissen nicht einmal, was für Kondome es gibt. Michael Jonas, Künstlername Mijo:

    Wir haben versucht, all diese Probleme aufzugreifen und dafür Lösungen zu entwickeln. Das betrifft nicht nur Verpackungen, sondern genauso gut advertisements, safer sex im Internet, einfach auch clevere Lösungen für den tagtäglichen Umgang mit Kondomen, bis hin zum Spaßfaktor.

    Keine Frage: Der Schalk saß den Berliner Design-Studierenden im Nacken - auch bei der Präsentation der Ausstellung.

    In dem Weg, wie die Ausstellung aufgebaut ist, möchten wir gleichzeitig darauf anspielen, wie es ist, sich das erste Mal einer Person zu näher, und einfach ihn zu entkleiden. Diese Neugier, diese Spannung, diese Aufregung, die dort drinnen ist, kann man auch in der Ausstellung wiederfinden. Man darf die Bekleidung anfassen. Man muss sich ein bisschen dort durcharbeiten, und es ist dann einfach, als wenn man sich einem anderen Menschen näher und den Stück für Stück näher kennen lernt.

    Die Berliner Design-Entwürfe rund ums Kondom erscheinen modern, schick, geradewegs der westlichen Konsumwelt entsprungen. Ein Problem für ein armes Land wie Ghana sei das nicht, erklärt Moja Kuznik nach einem Treffen mit ghanaischen Design-Studierenden an der Universität von Kumasi im Landesinneren:

    Die waren also nicht der Meinung, dass es jetzt so hochtechnologisch ist und nicht produzierbar sein könnte. Also mit kleinen Änderungen oder Verbesserungen würde es auf jeden Fall auch in Afrika hier selbst produzierbar sein.

    Begeisterung beim ghanaischen Publikum für die Kondome im ungewohnten Outfit.

    Fantasieanregend ist die Präsentation allemal. Ein Besucher schlägt vor:

    Warum nicht ein Kondom mit dem Gehaltsstreifen eintüten? Wenn man die Arbeiter erreichen will, sollte man die Unternehmer sensibilisieren: Passt auf, schützt eure Arbeiter!