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Konferenz in Berlin
Wissenschaftler arbeiten an neuen Ernährungsempfehlungen

Wie die menschliche Ernährung aus wissenschaftlicher Sicht am besten aussähe, darüber diskutieren auf einer internationalen Konferenz in Berlin vor allem Ernährungswissenschaftler.

Von Daniela Siebert |
    Bewegung ist eine Zutat, die man in den Empfehlungen der Ernährungswissenschaftler überraschend oft findet. Denn Speisen und Getränke können noch so gut sein, wenn der Körper, der sie verzehrt keine Bewegung bekommt, dann funktioniert das ganze Konzept nicht wirklich. Beispiel Kalzium:
    "Um harte Knochen zu bekommen brauchen wir drei Dinge: Wir brauchen genug Kalzium, wir brauchen Vitamin D, damit das Kalzium aus dem Darm ins Blut kommt und auch von dem Blut in den Knochen, aber allein funktioniert das nicht, wir brauchen immer den Reiz der Belastung, sobald man einen passiven Lebensstil hat, wird es schwieriger, das Kalzium in die Knochen zu bekommen", erklärt Helmut Heseker aus Paderborn, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
    Kalzium ist auch ein Schlüsselbegriff, wenn es um das Streitthema Milchprodukte geht. Denn als wichtige Kalzium-Lieferanten sind Käse, Milch, Joghurt und Co beliebt und hochgelobt, doch das richtige Maß ist strittig, zumal es wissenschaftliche Indizien gibt, dass zu viel Milchprodukte bei Männern das Risiko für Prostata-Krebs erhöhen könnten.
    Walter Willet aus den USA filtriert aus dem aktuellen Wissensstand diese Empfehlung.
    "Der Zusammenhang zwischen hohem Konsum von Milchprodukten und dem Risiko für Prostatakrebs wurde in vielen Studien gezeigt, aber nicht in allen. Ob dabei Kalzium der entscheidende Faktor ist oder hormonelle Effekte, die das Zellwachstum anregen, beides oder anderes ist noch unklar. Männer im mittleren Erwachsenenalter sollten daher meiner Meinung nach nicht mehr als zwei Portionen Milchprodukte pro Tag zu sich nehmen, am besten in Form von Joghurt oder Käse."
    Bei den klassischen Problemstoffen in der Ernährung - gibt es nichts Neues: Salz - da gilt weiterhin die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation von sechs Gramm am Tag. Zucker: nicht zu viel. Da sei übrigens Fruchtsaft genauso negativ einzurechnen wie Limonade betont Helmut Heseker. Weiterhin größte Sorge macht den Wissenschaftlern unser hoher Verzehr von gesättigten Fetten, die für die große Zahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mitverantwortlich gemacht werden. Pflanzliche Fette seien den tierischen vorzuziehen lautet eine Botschaft, aber auch nicht jedes Pflanzenöl ist so gut wie das andere. Dazu Pekka Puska aus Finnland:
    "Entscheidend ist der Anteil gesättigter oder ungesättigter Fettsäuren. Palmöl und Kokosöl sind weitgehend gesättigte Fette. Es wäre gut wenn unsere Ernährung von diesen Ölen weg käme hin zu anderen wie Olivenöl oder Rapsöl."
    Auch Vitamin D muss man eigentlich nicht kaufen. Das bildet der Köper selbst, wenn wir ausreichend ins Sonnenlicht gehen. Eine zusätzliche Gabe von entsprechenden Produkten mache nur bei Säuglingen oder älteren Menschen Sinn, die aus gesundheitlichen Gründen nicht aus dem Haus können.
    "Da wird im Moment ein Hype drum gemacht, die Vitaminindustrie braucht immer irgend so einen Leuchtturm, den sie so in die Öffentlichkeit bringt, beim Vitamin D ist ganz klar belegt, dass es für die Knochengesundheit wichtig ist, es ist wichtig für die Muskelkraft, reduziert die Sturzanfälligkeit im Alter, aber alle anderen Sachen, die behauptet werden dort sind nicht belegt."
    In der Kaffeepause des Kongresses wurde deutlich: Auch Ernährungswissenschaftler greifen eher zum Kuchenblech als zu den bereitgestellten Früchten. Immerhin: Für Kaffeetrinker - seien sie nun Wissenschaftler oder nicht - hat Kongressleiter Heiner Boeing aus Potsdam diese gute Neuigkeit:
    "Je mehr Kaffee desto weniger Risiko für Typ-2-Diabetes. Wir glauben, dass diese Polyphenole im Kaffee etwas mit dem Leberstoffwechsel zu tun haben, und der hat etwas mit dem Typ-2-Diabetes zu tun."
    Außerdem werde Kaffee jetzt nicht mehr verdächtigt, Herzinfarkte zu befördern, so Boeing. Also: Wohl bekomms!