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Konfrontation mit Moskau

Das Moskauer Patriarchat ist für die orthodoxe Kirche der Ukraine ein Politikum. Kiew strebt Richtung Westen und will alles abschütteln, was nach Bevormundung aussieht. So eskalierte das Treffen der orthodoxen Kirchen beinah, weil die politische Führung der Ukraine alles daran setzte, den eigenen Zweig der Kirche zu stärken, den Patriarchen aus Moskau zu brüskieren und somit die Spaltung voranzutreiben. Doch vorerst konnte der Kirchenstreit beigelegt werden. Robert Baag berichtet.

    Viel hatte sich der ukrainische Staatspräsident Viktor Juschtschenko von diesem Besuch versprochen. Seite an Seite mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios dem Ersten von Konstantinopel - heute eher bekannt als das türkische Istanbul - lächelte er zunächst von Plakaten in den Straßen der ukrainischen Hauptstadt Kiew, ehe er den orthodoxen Kirchenfürsten schließlich persönlich begrüßen konnte. Aus Anlass des 1020. Jahrestages der Christianisierung der so genannten Kiewer Rus', Teil der heutigen Ukraine, hatte Juschtschenko auch den Patriarchen aus der fernen Türkei an die Wiege der ostslawischen Kirche gebeten:

    "Ich hoffe, dass unser Wunsch wahr wird, dass der Geschichte Gerechtigkeit widerfährt und dass in der Ukraine eine nationale Kirche entsteht. Für diesen Wunsch bitte ich um Ihren Segen um unserer Hoffnung und um unseres Landes willen."

    Dieses vordergründig unschuldig klingende Begehren hatte es in sich. Im Patriarchat der russisch-orthodoxen Kirche schrillen deshalb schon seit geraumer Zeit die Alarmglocken. Wäre der von Juschtschenko demonstrativ umschmeichelte Bartholomaios diesem Ansinnen gefolgt, hätte sich ein Teil des ukrainischen orthodoxen Klerus wohl berechtigt gesehen, sich endgültig der Rechtsaufsicht des Moskauer Patriarchen Alexi II. zu entziehen. Als Niederlage gälte das dort nicht nur im seelsorgerischen sondern auch im politischen Bereich. Die Führung in Kiew hätte damit einen weiteren Schritt gehen und sich noch weiter aus Moskauer Bindungen lösen können. Geradezu demonstrativ wirkte die Brüskierung des russischen Gastes Alexi, dem Juschtschenko nur kühl die Hand reichte, während er den Gast vom Bosporus zur Begrüßung herzlich umarmte. Negativgesten, die das russische Fernsehen ostentativ hervorhebt - und sich dann betont den moskautreuen Gläubigen zuwendet, die ihrem Patriarchen aus der russischen Hauptstadt zujubelten.

    Drei orthodoxe Kirchen gibt es heute in der Ukraine - auch ein Ergebnis des Zerfallsprozesses der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre: Eine an Moskau orientierte Richtung konkurriert mit dem so genannten Kiewer Patriarchat, dessen Metropolit Filaret vom Heiligen Synod exkommuniziert worden ist. Und dann gibt es auch noch die
    "Autokephale ukrainische orthodoxe Kirche", gegründet in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Diese drei Richtungen zu vereinen, überhaupt auf die Einheit der Orthodoxie hinzuwirken, wollen jetzt seit diesem Kiewer Treffen sowohl die russisch-orthodoxe Kirche Alexis aber auch Patriarch Bartholomaios. Er hat es diplomatisch geschickt verstanden hat, beiden Seiten entgegenzukommen. Zwar erteilte er nicht den von Juschtschenko gewünschten Segen, sprach aber vom - Zitat - "Interesse Konstantinopels an einer geeinten ukrainischen Kirche."

    Und mit Moskau, zu dem die Beziehungen traditionell als reserviert bis gespannt gelten, vereinbarte Bartholomaios, künftig anfallende Kontroversen gemeinsam per Diskussion und Dialog lösen zu wollen. - Dass das Moskauer Patriarchat aber an seiner Führungsrolle festzuhalten gedenkt, machte Alexi noch in Kiew vor seinen Gläubigen unmissverständlich klar:

    "Es gelang noch immer, jene Einheit zu bewahren oder wieder herzustellen, die äußere Kräfte zu zerstören nie im Stande waren. Weder Grenzen noch Räume haben es je vermocht die Einheit im Gebet außer Kraft zu setzen."

    Nüchterner gibt sich dagegen Kirill, der Metropolit von Smolensk und Kaliningrad, eine Art Außenminister der russisch orthodoxen Kirche. Zwar sei die für Kiew zunächst befürchtete endgültige Spaltung der ukrainischen und der Welt-Orthodoxie ausgeblieben, aber:

    "Ich glaube nicht, dass sich jetzt alles für immer beruhigen, dass unsere Kirche in der Ukraine einfachen Zeiten entgegen gehen wird. Vielleicht gibt es ja schon Revanche-Gelüste. Doch all diesen Heißspornen möchte ich sagen: Eine Spaltung ist nichts als eine Attrappe. Das ist keine Kirche. Das ist Dekoration. Das ist eine Art Zirkus. Solch ein künstliches Schema ist lebensunfähig."

    Derlei Äußerungen indes dürften wiederum Wasser auf die Mühlen all jener sein, die das Moskauer Patriarchat von jeher als verlängerten kirchenpolitischen Arm des Kreml sehen, der seinen Einfluss auf das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion mindestens behalten, wenn nicht sogar wieder ausbauen möchte.