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Konfrontation statt Kooperation

Nicht nur wegen des ungelösten Zypernkonflikts bleibt das Verhältnis zwischen der Türkei und Griechenland angespannt. Der jahrzehntelange Streit um die Ägäis hätte einmal fast zum Krieg geführt. Nun stießen dort ein griechischer und ein türkischer Kampfjet zusammen, der griechische Pilot starb. Jörg Pfuhl berichtet.

    Zwei Explosionen am Himmel meldet der ägyptische Pilot im Vorbeifliegen, und dichten, schwarzen Qualm. In gut 8000 Meter Höhe waren grade zwei F16 kollidiert. Während der Türke noch aussteigen kann, stürzt der griechische Pilot in die Ägäis. Zum ersten Mal seit zehn Jahren hat eines der hunderten Scheingefechte im Himmel wieder ein Leben und ein paar Millionen Dollar teure Flugzeuge gefordert. Es hätte auch letztes oder vorletztes Jahr sein können, schließlich dauert der Konflikt um die Lufthoheit in der Ägäis sozusagen subkutan seit Jahren unverändert an. Doch der Zusammenstoß jetzt passt gut ins allgemeine Bild der Eintrübung. Gerade erst hat Griechenlands Außenministerin Bakogianni Luft abgelassen über die Türken:

    "Wir haben der Türkei am 3. Oktober letzten Jahres das Fenster nach Europa geöffnet. Aber die Türkei hat darauf bisher nicht reagiert. Wir sehen uns nach wie vor mit türkischen Provokationen konfrontiert, die nicht im Einklang sind mit guter Nachbarschaft oder gar einem künftigen EU-Beitritt der Türkei."

    Gemeint ist vor allem die hartnäckige Weigerung der Türken, ihre Häfen und Flughäfen für die griechischen Schiffe und Flugzeuge aus Zypern zu öffnen. Ungelöst ist ohnehin die Teilung der Insel. Zwar ist der Stacheldraht zwischen griechischer und türkischer Inselhälfte seit drei Jahren durchlässiger geworden, doch ist die politische Teilung fester betoniert denn je: Zyperns Griechen haben sie ganz offiziell in einem Referendum vor zwei Jahren bestätigt, und haben bei den Parlamentswahlen letzte Woche die Nein-Sager noch weiter gestärkt. Inselpräsident Papadopoulos hat jetzt ein erneutes Mandat für seinen Kurs, eine Wiedervereinigung der Insel zu 100 Prozent griechischen Bedingungen zu erzwingen, indem er der Türkei die Europa-Pistole auf die Brust setzt, unter de Beifall der Straße:

    "Die Türken sollen nicht beitreten. Was hat die Türkei schon mit Europa zu tun? Haben sie irgendwas mit uns zu tun? Das sind keine Europäer, das sind Mongolen!"

    "Die sollen nicht beitreten. Das sagt mir meine innere Stimme. Nach allem, was man mir beigebracht hat, sage ich nein. Aber wenn ich kühl an unsre Interessen denke, dann sage ich ja, denn dann werden unsere Grenzen sicherer."

    So denken die Griechen, ob auf Zypern oder in Athen. Sie wollen die Türkei nicht in Europa haben, und sie wollen auch nicht mit Türken zusammenleben. Nur die Vernunft gebietet jene Politik, die Griechenland seit sechs Jahren verfolgt: Domestizierung des übermächtigen türkischen Riesen durch Einbindung in europäische Strukturen. Regierungschef Karamanlis:

    "Ich bin überzeugt, dass eine europäische Türkei zum Vorteil aller ist, natürlich des türkischen Volkes selbst, aber eben auch seiner Nachbarn, Griechenlands und letztlich auch der ganzen EU."

    Diese Politik gebar einen Honeymoon zwischen den Ländern, der schließlich Karamanlis sogar nach Istanbul führte, auf die Hochzeitsfeier von Ezra Erdofan, der Tochter seines Amtskollegen Tayyip Erdogan.

    Doch dieser Honeymoon scheint vorbei. Immer weniger regiert die auf Zukunft gerichtete Vernunft, immer häufiger das in Jahrhunderten der Erzfeindschaft gewachsene nationale Bauchgefühl. Es sind eben nicht nur die großen Brocken Ägäisfrage und Zypernteilung, sondern die vielen kleinen Nickeligkeiten des Alltags: So untersagen die Griechen jeden Verein, der das Wort türkisch im Titel führt, und weigern sich hartnäckig, im multikulturellen Athen auch nur eine einzige Moschee zuzulassen. Und die Türkei trocknet ihre jahrhundertealte griechisch-orthodoxe Minderheit aus, indem sie deren Priestern keine Arbeitsgenehmigung gibt und ihre Schulen enteignet.

    Seit dem großen Erdbeben 1999 hatte sich das Verhältnis entspannt: Man half sich gegenseitig, besonders in den Medien gab es einen regelrechten Hype, den jahrhundertelang verfemten Nachbarn neu kennen zu lernen. "Fremder Bräutigam" hieß der Straßenfeger, der als TV-Serie letztes Jahr in beiden Ländern Rekordquoten erzielte. Es geht um die Liebe zwischen einem Griechen und einer Türkin, durchgesetzt gegen alle Familienwiderstände auf beiden Seiten der Ägäis. Dass auch in der Politik die Liebe siegt oder wenigstens die Vernunft, gilt derzeit als wenig wahrscheinlich.