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Kongo
Die verzögerte Wahl

Zwei Jahre lang hat Kongos scheidender Präsident Kabila die anstehende Wahl verschleppt. Am 30. Dezember soll sie nun wirklich stattfinden. An eine freie Abstimmung oder gar einen Machtwechsel glauben allerdings die wenigsten Kongolesen. Schon im Wahlkampf dominierten Korruption und Einschüchterung.

Von Simone Schlindwein | 22.12.2018
    Viele Plakate, aber wenig programmatische Diskussion oder Hoffnung auf einen Machtwechseln - der Kongo vor der Wahl im Dezember 2018
    Viele Plakate, aber wenig Hoffnung auf einen Machtwechsel - der Kongo vor der Wahl im Dezember 2018 (AFP / Alexis Huguet)
    Lastwagen mit scheppernden Lautsprechern auf der Ladefläche fahren durch das Zentrum der ostkongolesischen Millionenstadt Goma. Junge Männer marschieren hinterher, verteilen Flugzettel mit dem Foto von Emmanuel Shadary, dem Wunschnachfolger von Präsident Joseph Kabila. Der Konvoi steuert auf ein großes Haus zu.
    Vor der Villa von Olive Lembe Kabila hat sich eine Menschenmenge versammelt. Kabilas Frau stammt gebürtig aus dieser Region. Sie ist hier, um Werbung für Emmanuel Shadary zu machen. Junge Männer wie Daniel Muhindo, hoffen, etwas Geld zugesteckt zu bekommen.
    "Wir sind hier, um Shadary zu unterstützen als unseren Kandidaten. Wir hoffen, dass sie uns etwas geben, denn wir sind für ihn hierhergekommen."
    "Wir erhoffen uns von ihm Stabilität"
    Kabila selbst darf laut Verfassung nicht mehr antreten. Emmanuel Shadary war früher sein Innenminister und gilt als loyal. Die Opposition wirft ihm vor, er sei ausgewählt worden, um Kabilas Immunität und seinem enormen Reichtum zu sichern, den er in den 17 Jahren an der Macht angehäuft hat. Shadary gilt als verantwortlich für die gewaltsame Niederschlagung von Protesten gegen Kabila mit zahlreichen Toten. Wegen Menschenrechtsverletzungen hat die EU Sanktionen gegen ihn verhängt.
    Dass seine Wahlkampfhelferin Olive Lembe Kabila Geld verteilt, das hat sich rasch herumgesprochen. Immer mehr Männer und Frauen kommen angelaufen. Studenten wie Daniel Lodama, der seit dem frühen Morgen hier steht, erhoffen sich ein paar Dollar für ihre Schulgebühren.
    "Wir warten auf unsere Mama, die First Lady. Wenn sie kommt, dann ist Shadary wirklich unsere beste Wahl. Seit gestern sind wir sicher, die Stadt wird 100 Prozent für Shadary stimmen. Wir erhoffen uns von ihm Stabilität, denn bei uns gibt es so viele Rebellen."
    Geld für Stimmen? "Das ist keine Korruption."
    In einem solch rohstoffreichen Land, in dem die meisten Menschen in Armut und Unsicherheit leben, ist Geld ein einfaches Instrument, sich Stimmen zu kaufen. Dabei steht der Kampf gegen die Korruption im Wahlkampfprogramm von Kabilas Regierungspartei PPRD ganz oben. Und laut Wahlgesetz ist es eigentlich illegal, Wählern Geschenke zu überreichen. Dennoch hat der Generalsekretär der PPRD in Goma, Raphael Katindi, kein Problem damit.
    "Das ist keine Korruption. Wir wollen die Leute entschädigen für ihr Engagement und dafür, dass sie uns wählen. Ich denke, die Leute sind erwachsen genug, um für denjenigen Kandidaten zu stimmen, den sie sich aussuchen und sich nicht durch Bestechung beeinflussen zu lassen. Wir wissen alle, dass die Wahlen frei, demokratisch und transparent sein müssen."
    Nicht nur dieser Unterstützer Shadarys, der ganze Wahlkampf im Kongo weist sehr grimmige Züge auf
    Nicht nur diese Unterstützer Shadarys, der ganze Wahlkampf im Kongo weist sehr grimmige Züge auf (AFP / Alexis Huguet)
    Von freien Wahlen kann keine Rede sein. Kabilas Machtapparat hat alles Mögliche unternommen, die Kampagnen der Oppositionskandidaten zu behindern. Kabilas größte Gegner im politischen Spiel, Moise Katumbi sowie Jean Pierre Bemba wurden zu den Wahlen erst gar nicht zugelassen. Beide befinden sich im Exil.
    Sie haben einen gemeinsamen Oppositionskandidaten ins Rennen geschickt: Martin Fayulu, der zwar auch wenig bekannt war, aber dennoch große Massen anlockte. Viele seiner Wahlveranstaltungen wurden nicht zugelassen. Die staatlich kontrollierten Medien gaben ihm keine Sendezeit. In manchen Städten des riesigen Landes erhielt sein Flugzeug keine Landeerlaubnis. Die Polizei schoss Tränengas oder Kugeln gegen seine Anhänger. Sechs Menschen wurden getötet.
    Viele Poster, aber kaum Diskussion übers Programm
    Nur einen Steinwurf entfernt findet eine Diskussionsveranstaltung statt. Die Bevölkerung ist eingeladen, den örtlichen Kandidaten für das regionale und das nationale Parlament Fragen zu stellen, so Ghislain Muhiwa von der Jugendbewegung LaLucha:
    "Unser Ziel ist es, eine Diskussion zustande zu bringen. Denn all diese Kandidaten haben so viele Poster hier in der Stadt aufgehängt, sie sind sehr sichtbar. Aber ihre Programme wurden nicht kommuniziert. Wir wollen sie konfrontieren. Wir nennen unsere Kampagne 'die Mittelmäßigkeit aus dem System fegen'. Es gibt Abgeordnete aus Goma, die nun nicht nur fünf, sondern sogar sieben Jahre in Kinshasa im Parlament waren, weil die Wahlen zwei Jahre verschleppt wurden. Aber sie haben nie irgendetwas für uns getan. Solche Leute sollten wir wirklich nicht wieder wählen. Wir appellieren an die Bevölkerung, sich dessen bewusst zu sein, wenn sie Wählen gehen."
    Wählen gehen ohne Vertrauen in die Wahl
    Zahlreiche Wahllokale warten noch auf ihre Unterlagen. Viele abgelegene Orte im Dschungel sind von Rebellen belagert. Nur hundert Kilometer nördlich von Goma grassiert das tödliche Ebola-Virus. Die Regierung hat elektronische Wahlmaschinen angeschafft, von denen kaum jemand weiß, wie sie funktionieren. Vertrauen in die Wahl hat kaum jemand, so Muhiwa von LaLucha.
    "Unsere Position ist klar: Wir unterstützen keinen der Kandidaten. Wir sind eine Bürgerrechtsbewegung und keine politische Bewegung. Wir versuchen die Bevölkerung zu einer Revolution zu bewegen, denn sollte die Wahlkommission die Ergebnisse manipulieren, werden wir Bürger uns dagegen wehren und dafür sorgen, dass das Regime sich ändert. Bei all diesen Problemen hier im Kongo ist es endlich an der Zeit, dass wir eine neue Regierung bekommen."
    Emmanuel Ramazani Shadary, Präsidentschaftskandidat für die Demokratische Republik Kongo und Wunschnachfolger des Amtsinhabers Joseph Kabila, zum Wahlkampfauftakt im November 2018
    Shadary beim Wahlkampfauftakt im November 2018 (AFP / John Wessels)
    Internationale Beobachter sowie die UN-Friedensmission im Kongo fürchten, dass es nach den Wahlen zu Ausschreitungen oder gar einem weiteren Krieg kommen kann. Auch am Wahltag selbst. Denn viele Kongolesen fühlen sich von der Regierung Kabilas um ihre Rechte der freien, demokratischen Wahlen betrogen. Am Donnerstag entschied Kongos Wahlkommission letztlich, die Abstimmung um eine Woche zu verschieben, um die Zustellung der Wahlunterlagen in den abgelegenen Landesteilen doch noch zu ermöglichen.