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Konjunkturlage bei Praktika
Die Früchte des Mindestlohns

Seit Anfang 2015 müssen freiwillige Praktika, die länger als drei Monate dauern, mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde honoriert werden. Ein gutes Jahr später zeigt der jährliche Praktikantenspiegel, wie sich der Mindestlohn auswirkt. Der Untersuchung zufolge erhalten derzeit satte 96 Prozent aller Praktikanten Geld.

Von Stephanie Kowalewski | 06.05.2016
    Mehrere Studenten in weißen Kitteln arbeiten in einem Labor. Eine Studentin hat einen Mörser in der Hand. Andere betrachten Reagenzgläser.
    Der durchschnittliche Lohn für ein dreimonatiges Praktikum liegt bei 950 Euro. (Picture Alliance / dpa / Jan Woitas)
    Die gute Nachricht vorne weg: Die Generation Praktikum gibt es nicht mehr. Die Zeiten, in denen fertig ausgebildete Absolventen auf der Suche nach einem festen Job von einem schlecht bezahlten Praktikum zum nächsten hetzten, sind vorbei, betont Ruth Girmes vom Career-Service der Universitär Duisburg-Essen:
    "In diesem Zusammenhang hat natürlich auch das Mindestlohngesetz gewirkt, aber auch dass Nachwuchskräfte gesucht werden, dass viele Studierende auch viel selbstbewusster auftreten und natürlich auch die Tatsache, dass wir nicht mehr so starke Jahrgänge haben."
    Laut dem aktuellen Praktikantenspiegel, der die Aussagen von mehr als 6.000 Praktikanten wissenschaftlich auswertet, erhalten immerhin 96 Prozent von ihnen Geld. Und zwar durchschnittlich 950 Euro, das sind fast 180 Euro mehr als im Vorjahr.
    "Diesen Mindestlohn finde ich gar nicht schlecht", sagt Marc Baier, der an der Uni Duisburg-Essen im sechsten Semester Wirtschaft der Emerging Markets studiert.
    "Allerdings, wenn es mir den Weg zu einem guten Praktikum versperrt, finde ich es eher schlecht."
    "Man wird halt ernst genommen als Mitarbeiter"
    Tatsächlich hat der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde nicht nur Vorteile. Viele Unternehmen nehmen nun lieber Studierende, die sich um ein Pflichtpraktikum bewerben oder sie haben die Dauer der freiwilligen Praktika auf maximal drei Monate reduziert. In beiden Fällen muss kein Mindestlohn gezahlt werden.
    "Und das bringt so ein bisschen Konkurrenz rein und eine Schieflage. Und das hat auch sehr, sehr viele Studierende irritiert, weil die unheimlich lange haben suchen müssen. Wobei da aber auch eine Rolle spielt, die Erhöhung der Studierendenzahlen."
    Charlotte Saal hat einen der sehr begehrten Praktikumsplätze bei der Kindernothilfe in Duisburg ergattert. Auf 50 Stellen im Jahr bewerben sich hier mehrere Tausend Studierende.
    "Ich hab' schon ein paar andere Praktika gemacht. Also das Klima hier ist deutlich angenehmer als bei anderen Stellen. Man wird halt ernst genommen als Mitarbeiter. Also es ist wirklich auf Augenhöhe."
    Die 25-Jährige studiert im zweiten Mastersemester British, American and Postcolonial Studies in Münster. Entwicklungsarbeit, sagt sie, ist einer ihrer beruflichen Träume. Und dem kommt sie bei der Hilfsorganisation näher. Seit Anfang März recherchiert sie mehrsprachig, wie die Staaten dieser Welt mit Kinderrechten umgehen und bereitet eine entsprechende Präsentation vor.
    "Was mir wirklich sehr viel Spaß macht, weil ich auch das Gefühl habe, das ich mich tatsächlich für meinen weiteren beruflichen Weg tatsächlich einarbeiten kann und da ein breiteres Wissensspektrum bekomme."
    Die Duisburger Kindernothilfe ist vom Praktikantenspiegel bereits mehrfach als bester Arbeitgeber ausgezeichnet worden. Dabei zahlt die spendenfinanzierte Organisation für die dreimonatigen Praktika keinen Cent, erklärt Personalreferent Marcel Rütten:
    "Also bei uns war es tatsächlich so, dass wir schon vorher eine durchschnittliche Praktikumsdauer von acht bis zwölf Wochen hatten. Das heißt, wir waren zur Einführung des Mindestlohns gar nicht von der Thematik betroffen."
    Zahlen würden sie ihn aber schon gerne, sagt er, denn die Hilfsorganisation profitiert von den frischen Ideen der Praktikanten.
    "Wir sehen, dass die Praktikanten auch einen sehr großen Input leisten für unsere Arbeit, aber die Konsequenz daraus wäre, dass wir mehrere Millionen an Spenden mehr einnehmen müssten, weil wir nur einen bestimmten Anteil an Verwaltungskosten einbehalten dürfen."
    Dennoch hat sich Charlotte Saal bewusst für dieses unbezahlte Praktikum entschieden, obwohl sie die Einführung des Mindestlohns schon richtig findet.
    "Natürlich spielt das schon in den Überlegungen eine Rolle, vor allem wenn man sich sonst selber finanziert. Aber ich konnte das hier relativ flexibel regeln, dass ich nebenbei noch meinem Nebenjob nachgehen kann, und da war mir dann doch die Erfahrung, die ich hier sammeln kann, als eine hohe Bezahlung."
    Das sehen drei Viertel der befragten Praktikanten genauso. Erfahrungen sind ihnen wichtiger als 8,50 Euro Mindestlohn. Marc Baier, der Student aus Essen, geht übrigens für sein nächstes Praktikum nach London:
    "Und da wird es nicht bezahlt. Man muss sogar Geld mitbringen. Ist teuer, dort zu arbeiten."
    Aber er kann davon ausgehen, dass es sich später bei der Jobsuche auszahlt, sagt Studienberaterin Ruth Girmens.
    "Was man sehen will, ist, dass Leute aktiv sind. In welchem Rahmen sie das sind, ist zweitrangig. Und es gibt ja durchaus auch gleichwertige Alternativen. Es kann ja was Freiberufliches sein, was Ehrenamtliches. Nichts Praktisches zu machen, ist ein absoluter Killer."