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Konkurrenz in Zeiten der Datenspionage

Der Abhörskandal der NSA und die aktuellen Schlagzeilen um die Datenspionage des französischen Geheimdienstes werfen die Frage auf, inwieweit eine freie Konkurrenz auf dem globalen Markt überhaupt noch möglich ist. Fragt man Studierende der "Schule für den Wirtschaftskrieg" in Paris, ist dieses Thema längst überholt.

Von Suzanne Krause |
    "Ich habe es nicht überprüft, aber wir brauchen auch nicht viel zu fürchten. Schließlich werden hier keine Staatsgeheimnisse diskutiert."

    Soeben hat die Tageszeitung "Le Monde" aufgedeckt, dass auch der landeseigene Auslandsnachrichtendienst systematisch Informationen über die elektronische Kommunikation der Franzosen sammelt, speichert und die Daten anderen einheimischen Geheimdiensten zur Verfügung stellt. Ein Skandal? Eigentlich ein offenes Geheimnis, sagt Christian Harbulot:

    "Prism ist alles andere als ein Einzelfall. Was Prism interessant macht: Nunmehr kann man unmöglich weiter behaupten, die Welt der Informationen sei ein sicheres Universum. Im Gegenteil: Es ist porös und nicht nur wegen der amerikanischen Abhöraktivitäten. Da tummeln sich noch viel mehr Akteure."

    Für den französischen Experten erhellt Prism brennspiegelartig drei Fragen: erstens, ob man im Informationszeitalter noch von der Souveränität eines Staates über die einheimischen Daten sprechen könne. Zweitens, wie es sich mit der Demokratie in der Informationsgesellschaft verhält. Ein hochaktuelles Thema angesichts der Datenschutz-Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa. Und drittens:

    "Wie lässt sich eine freie Konkurrenz auf dem globalen Markt erhalten, wenn die Informationsströme undichte Stellen haben?"

    Seit Langem wirbt Christian Harbulot dafür, dass Europa bei der Abwehr der Wirtschaftsspionage an einem Strang ziehe, ein eigenes EU-Programm entwerfe. Aufrüste für den Wirtschaftskrieg im Zeitalter der Globalisierung. Doch für liberale Ökonomen ist der Begriff Wirtschaftskrieg weiterhin ein Reizwort.

    Jean-Sylvain Chavanne wollte sich nach seinem Jurastudium auf die Abwehr der Wirtschaftsspionage spezialisieren. Auf der 'Schule für den Wirtschaftskrieg' verlor der 25-Jährige seine Blauäugigkeit.

    "Hier habe ich begriffen, dass die Annahme, es gäbe für jedes Unternehmen weltweit einen Platz auf dem Markt, schlicht falsch ist. Wenn man auf neue Märkte geht oder auch nur seinen eigenen Markt absichern will, bedeutet das: Man nimmt einem anderen seinen Platz. Und dabei geht es dann gleich immer auch um Arbeitsplätze."

    Im kleinen grün gestrichenen Klassenzimmer geht es heute um Verhandlungstechniken: Nachmittags werden die Teilnehmer die historischen Verhandlungen von Jalta nachspielen. Als Lehrkräfte fungieren Geheimdienstler, Militärexperten, Topmanager, sie weisen ein in das Hauen und Stechen auf den globalen Märkten. Die beste Waffe dabei: die Computermaus, das Internet. Die Schüler lernen, umfassend Informationen zu beschaffen. Und sie strategisch auszuwerten.

    Alain ist Schweizer, als Angestellter einer Bank möchte er anonym bleiben.
    "Die Abwehr der Wirtschaftsspionage ist in der Schweiz kaum entwickelt, ich möchte die besten Praktiken aus der Pariser Schule nun dorthin importieren. Ich bin auf eigene Initiative hier, denn ich glaube, die Ausbildung ist zukunftsträchtig. Die Schweizer Bankenwelt wird zunehmend angegriffen von den traditionellen Alliierten, sei es Frankreich, Deutschland, die Vereinigten Staaten. All diese Staaten sind heute verschuldet und setzen viel daran, an ihre Gelder, die auf Schweizer Konten ruhen, heranzukommen."

    Einen Abhörskandal wie Prism allerdings kann sich Alain für seine Heimat nicht vorstellen.

    "Dafür fehlen der Schweiz die Kompetenzen."