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Konkurrenz zwischen Tank und Teller

Die Energiegewinnung aus Biomasse ist nicht unumstritten: Der Anbau von Energiepflanzen darf nicht auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion gehen. Diese Frage stand im Mittelpunkt der Biomassekonferenz in Hamburg.

Von Verena Herb | 30.06.2009
    "Die Situation ist zu ernst, als dass wir irgendwas ausschließen. Aber es muss sich alles den Nachhaltigkeitskriterien unterordnen."

    Eine klare Aussage von Michael Müller, dem Staatssekretär im Bundesumweltministerium auf der europäischen Biomasse-Konferenz in Hamburg. Rund 1000 Delegierte aus über 70 Ländern treffen sich in der Hansestadt, um sich über die Entwicklung regenerativer Energien und speziell der Biomasse auszutauschen und zu diskutieren.

    In Deutschland und vielen europäischen Ländern ist Biomasse ein wichtiger erneuerbarer Energieträger. Und mittelfristig werde das auch so bleiben, macht Müller deutlich und fügt hinzu:

    "Wir gehen im Augenblick davon aus, dass etwa neun Prozent des Potenzials für die Weltenergieversorgung über Biomasse zu organisieren ist - etwa neun bis zehn Prozent."

    Wichtig sei deshalb eine nachhaltige Erzeugung von Biomasse. Im Dezember einigte sich die Europäische Union auf Nachhaltigkeitsanforderungen für die energetische Nutzung von flüssiger Biomasse, zum Beispiel Raps-, Palm und Sojaöl, die für den Strombereich umgesetzt wird - ab dem 1. Januar 2010 soll die flüssige Biomasse so hergestellt sein, dass ihr Einsatz zur Stromerzeugung im Vergleich zu fossilen Energieträgern mindestens 35 Prozent weniger Treibhausgase freisetzt. Außerdem dürfen die Pflanzen nicht auf Flächen mit hohem Naturschutzwert, wie etwa Regenwälder oder Feuchtgebiete angebaut worden sein. Doch wie kann das kontrolliert werden? Darauf antwortet Michael Müller nur ausweichend und sagt:

    "Ich glaube, das wichtigste, was es überhaupt gibt, um da zu einer sorgfältigen Regelung zu kommen, ist erstens, dass einige Länder und hier besonders die Europäische Union - ein einziges europäisches Land wäre aus meiner Sicht dafür zu schwach - klare Kriterien setzt und damit Strukturen in den Markt setzt und zweitens die öffentliche Debatte."

    Klare Kontrollwerte, nach denen sich gerichtet werden muss, gebe es international gar nicht.

    "Nachdem wir beispielsweise viele Länder in Asien besucht haben, selbst wenn es die gäbe, würde das im Augenblick nicht ausschließen, dass es Missbrauch gäbe."

    Außerdem seien die Waldbestände und -beschaffenheiten weltweit so unterschiedlich, dass es schwierig sei, hier allgemein geltende Kriterien aufzustellen, pflichtet Jos Delbeke ihm bei. Delbeke ist Emissionsexperte bei der EU-Kommission:

    "Wenn wir alleine nach Europa schauen: Die Waldzonen im Norden kann man nicht mit denen im Süden vergleichen. Deshalb ist das Management dieser Wälder in erster Linie eine lokale Angelegenheit und es ist schwer, es allgemein zu reglementieren. Allerdings gibt es bereits jetzt eine Anzahl von Nachhaltigkeitsprinzipien, an die sich die lokalen Begebenheiten einbinden lassen."

    Im Fokus steht bei der Konferenz ebenfalls die Konkurrenz zwischen Teller oder Tank: Also der Nutzung von Pflanzen als Nahrungsmittel oder für die Herstellung von Biosprit. Schon jetzt hat die vermehrte Nutzung von Pflanzen zur Treibstoffherstellung zu einer Erhöhung der Nahrungsmittelpreise geführt. Deshalb setzen Politiker, Forscher und Naturschutzorganisationen alle Hoffnung auf die Biokraftstoffe der zweiten Generation - so Giovanni de Santi, Direktor des Energieinstituts der EU.

    "Wir sind dabei, eine zweite Generation von Pflanzen zu entwickeln, die keine Konkurrenz mehr zwischen Tank und Teller herstellt. Doch aufgrund der Komplexität im Konversionsprozess kann man davon ausgehen, dass es noch einige Zeit dauern wird, ehe wir auf eine neue Art des Biotreibstoffs zurückgreifen können."

    Zehn Jahre werde es wohl noch dauern, sind sich die Experten einig. Biokraftstoffe der zweiten Generation bedeutet, dass dafür nicht eigens Pflanzen angebaut werden müssen, sondern sie werden aus allerlei pflanzlichen Abfällen gewonnen. Diese Technik sei allerdings noch nicht marktreif. Bis dahin konzentriere man sich eher auf eine nachhaltige Nutzung der Kraftstoffe der ersten Generation - meldet sich ein weiterer Vertreter der EU zu Wort, Fabrizio Barbaso, bei der Kommission zuständig für Energie und Transport:

    "Wenn wir weiterhin die erste Generation der aus Biomasse hergestellten Kraftstoffe nutzen, müssen wir uns in erster Linie darauf konzentrieren, den CO2-Ausstoss zu verringern. Und darauf, den bestmöglichen juristischen Rahmen zu schaffen, um den Markt zu animieren, in die Produktion und Technologie der zweiten Generation zu investieren."

    Es sind hehre Ziele, die die Experten sich stecken - allerdings auch versuchen, realistisch zu bewerten. In Hamburg haben sie dazu noch bis Freitag Zeit - denn so lange wird die 17. Europäische Biomasse-Fachtagung dauern.