Man muss sich das so vorstellen: Rund 20 christdemokratische Politiker, Publizisten und Sympathisanten mit einem Bier- oder Wasserglas in der Hand. Sie hocken auf rustikalen Stühlen im "Paulaners im Spreebogen", einer bayerischen Gastwirtschaft in Berlin-Mitte. Ein Geheimtreffen, das in keiner Zeitung steht - Zutritt gibt es nur mit persönlicher Einladung. Es handelt sich um ein Treffen des Berliner Kreises der CDU, ein Treffen der sogenannten konservativen "Rebellen". Gestern geht es bis tief in die Nacht.
"Also ich sehe keine Rebellen, ich sehe keine Revolutionäre, ich sehe auch keine Rebellion und keine Revolte. Aber ich sehe schon eine Evolution. Und insofern kommt eine Diskussion sicher an der einen oder anderen Stelle nicht auch ohne deutliche Worte aus. Aber das muss nicht heißen, dass wir die CDU vom Kopf auf die Füße stellen."
Thomas Dörflinger ist ein 46-Jähriger mit hellblauem Hemd und goldenem Ehering. In seinem Büro hängt ein Kreuz; in einer Ecke stehen die deutsche, die EU- und die Kolping-Fahne. Tatsächlich: Wie ein Revoluzzer wirkt der Katholik und Familienvater aus Baden-Württemberg nicht. Dennoch sorgt der Bundestagsabgeordnete für Unruhe. Denn der Sozialpolitiker engagiert sich im Berliner Kreis der CDU. Dieses Forum wertkonservativer und marktliberaler Politiker beklagt einen Profilverlust der eigenen Partei: Man unterscheide sich nicht mehr von den Konkurrenzparteien, heißt es, man laufe nur noch dem Zeitgeist hinterher.
"Also Fakt ist, dass die Umfragewerte bundesweit sehr stark durch die Popularität der Frau Bundeskanzlerin dominiert werden. Fakt ist aber auch, dass bei Wahlen – mindestens auf der Landesebene – diese Popularität der Bundeskanzlerin sich in Wahlergebnissen für die CDU so nicht niederschlägt."
Analysiert Dörflinger auf seinem Stuhl, während er sich mit der rechten Faust auf dem Oberschenkel abstützt.
"Und deswegen darf man schon die Frage stellen, ob neben der Popularität der Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin programmatisch da noch etwas nachgelegt werden muss."
Der Berliner Kreis der CDU hat errechnet, dass die Christdemokraten seit 2009 bei sechs von elf Landtagswahlen unter 30 Prozent gelandet sind. Diesen Abwärtstrend, fordern die Aufsässigen, müsse man durch klarere Standpunkte aufhalten. Konservative Standpunkte. Etwa indem die Union am Betreuungsgeld festhalte. Etwa indem sie die Hauptschule nicht abschaffe. Etwa indem sie die Energiewende nicht überstürze. Dies erklärten die besorgten Mandatsträger auch ihrer Parteispitze. Doch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und andere Mächtige blocken immer wieder ab: Für den Berliner Kreis sehe man keinen Bedarf. Dörflinger und seine Mitstreiter sind sauer.
"Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, sozusagen die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, und jeden, der sich ein bisschen kritisch damit befasst, schon als Kritikaster abzutun, dann wird die Debatte ein bisschen schwierig."
In den Bundestagsgebäuden ertönt das Signal zur Plenar-Abstimmung. Der Abgeordnete muss zu seiner Fraktion; er steht auf und bindet sich einen Schlips um. Lässt der Kritiker manchmal auch alle Konventionen fallen? Brüllt er manchmal seinen Frust über die CDU-Führung einfach hinaus?
"Davon dürfen Sie ausgehen, ja! Also es gibt auch Momente ohne Diplomatie."
Ein Bundestagsbüro mit einem auffälligen Schild an der Flur-Tür: "Chef". Im Zimmer: ein weiterer Aktivist des Berliner Kreises der CDU. Er ist braun gebrannt und trägt ein rosafarbenes Hemd, die Ärmel hochgekrempelt. Auf einem Bildschirm läuft das Parlamentsfernsehen. Eine Mitarbeiterin will es ausschalten. Der Chef nicht.
"Das machen wir jetzt mal aus, weil Sie brauchen…"
"Halt!"
Wolfgang Bosbach ist häufig weithin zu hören – nicht zuletzt, weil der 59-Jährige keine Scheu hat, immer wieder den Eurokurs seiner Partei anzugreifen. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Berliner Kreises fordert der Nordrhein-Westfale nun auch mehr innerparteiliche Demokratie. Die Abschaffung der Wehrpflicht etwa sei der Basis nur auf einer Regionalkonferenz der CDU verkündet worden.
"Regionalkonferenzen sollen ja den Anschein erwecken, jetzt kommt die Parteispitze, und dann hört sie einmal gründlich zu, wie an der Basis gedacht wird und lässt dann die vorgetragenen Argumente in die Entscheidungen mit einfließen. In der Praxis sieht es natürlich etwas anders aus. Und nicht wenige haben dann das Gefühl, die Basis soll hören, was in Berlin bereits entschieden worden ist."
Die Unzufriedenen beteuern, sie wollten mit ihrem Forum keine Debatten über Angela Merkel, über das CDU-Führungspersonal, über Parteiposten anstoßen. Es gehe ihnen lediglich um Inhalte. Innenpolitiker Wolfgang Bosbach ist so vorsichtig, dass er auch nicht auf die Frage nach der Eignung der Parteivorsitzenden und Kanzlerin antworten würde.
"Dann würde ich fragen: Was soll der Blödsinn?"
Der sogenannte Berliner Kreis der CDU will nun ein Grundsatzpapier verabschieden, eine Internetseite basteln und ein eigenes Büro aufbauen. Die konservative Offensive soll noch vor der Sommerpause öffentlich wirksam starten. Nicht als Gegenpol zur eigenen Partei, sondern lediglich als Ergänzung – versichern die Opponenten.
"Früher war man Rebell, wenn man an der Spitze irgendeiner revolutionären Bewegung stand. Heute wird man ja schon zum Rebell, wenn man nur die Auffassungen vertritt, die die CDU selber jahrzehntelang vertreten hat."
"Also ich sehe keine Rebellen, ich sehe keine Revolutionäre, ich sehe auch keine Rebellion und keine Revolte. Aber ich sehe schon eine Evolution. Und insofern kommt eine Diskussion sicher an der einen oder anderen Stelle nicht auch ohne deutliche Worte aus. Aber das muss nicht heißen, dass wir die CDU vom Kopf auf die Füße stellen."
Thomas Dörflinger ist ein 46-Jähriger mit hellblauem Hemd und goldenem Ehering. In seinem Büro hängt ein Kreuz; in einer Ecke stehen die deutsche, die EU- und die Kolping-Fahne. Tatsächlich: Wie ein Revoluzzer wirkt der Katholik und Familienvater aus Baden-Württemberg nicht. Dennoch sorgt der Bundestagsabgeordnete für Unruhe. Denn der Sozialpolitiker engagiert sich im Berliner Kreis der CDU. Dieses Forum wertkonservativer und marktliberaler Politiker beklagt einen Profilverlust der eigenen Partei: Man unterscheide sich nicht mehr von den Konkurrenzparteien, heißt es, man laufe nur noch dem Zeitgeist hinterher.
"Also Fakt ist, dass die Umfragewerte bundesweit sehr stark durch die Popularität der Frau Bundeskanzlerin dominiert werden. Fakt ist aber auch, dass bei Wahlen – mindestens auf der Landesebene – diese Popularität der Bundeskanzlerin sich in Wahlergebnissen für die CDU so nicht niederschlägt."
Analysiert Dörflinger auf seinem Stuhl, während er sich mit der rechten Faust auf dem Oberschenkel abstützt.
"Und deswegen darf man schon die Frage stellen, ob neben der Popularität der Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin programmatisch da noch etwas nachgelegt werden muss."
Der Berliner Kreis der CDU hat errechnet, dass die Christdemokraten seit 2009 bei sechs von elf Landtagswahlen unter 30 Prozent gelandet sind. Diesen Abwärtstrend, fordern die Aufsässigen, müsse man durch klarere Standpunkte aufhalten. Konservative Standpunkte. Etwa indem die Union am Betreuungsgeld festhalte. Etwa indem sie die Hauptschule nicht abschaffe. Etwa indem sie die Energiewende nicht überstürze. Dies erklärten die besorgten Mandatsträger auch ihrer Parteispitze. Doch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und andere Mächtige blocken immer wieder ab: Für den Berliner Kreis sehe man keinen Bedarf. Dörflinger und seine Mitstreiter sind sauer.
"Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, sozusagen die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, und jeden, der sich ein bisschen kritisch damit befasst, schon als Kritikaster abzutun, dann wird die Debatte ein bisschen schwierig."
In den Bundestagsgebäuden ertönt das Signal zur Plenar-Abstimmung. Der Abgeordnete muss zu seiner Fraktion; er steht auf und bindet sich einen Schlips um. Lässt der Kritiker manchmal auch alle Konventionen fallen? Brüllt er manchmal seinen Frust über die CDU-Führung einfach hinaus?
"Davon dürfen Sie ausgehen, ja! Also es gibt auch Momente ohne Diplomatie."
Ein Bundestagsbüro mit einem auffälligen Schild an der Flur-Tür: "Chef". Im Zimmer: ein weiterer Aktivist des Berliner Kreises der CDU. Er ist braun gebrannt und trägt ein rosafarbenes Hemd, die Ärmel hochgekrempelt. Auf einem Bildschirm läuft das Parlamentsfernsehen. Eine Mitarbeiterin will es ausschalten. Der Chef nicht.
"Das machen wir jetzt mal aus, weil Sie brauchen…"
"Halt!"
Wolfgang Bosbach ist häufig weithin zu hören – nicht zuletzt, weil der 59-Jährige keine Scheu hat, immer wieder den Eurokurs seiner Partei anzugreifen. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Berliner Kreises fordert der Nordrhein-Westfale nun auch mehr innerparteiliche Demokratie. Die Abschaffung der Wehrpflicht etwa sei der Basis nur auf einer Regionalkonferenz der CDU verkündet worden.
"Regionalkonferenzen sollen ja den Anschein erwecken, jetzt kommt die Parteispitze, und dann hört sie einmal gründlich zu, wie an der Basis gedacht wird und lässt dann die vorgetragenen Argumente in die Entscheidungen mit einfließen. In der Praxis sieht es natürlich etwas anders aus. Und nicht wenige haben dann das Gefühl, die Basis soll hören, was in Berlin bereits entschieden worden ist."
Die Unzufriedenen beteuern, sie wollten mit ihrem Forum keine Debatten über Angela Merkel, über das CDU-Führungspersonal, über Parteiposten anstoßen. Es gehe ihnen lediglich um Inhalte. Innenpolitiker Wolfgang Bosbach ist so vorsichtig, dass er auch nicht auf die Frage nach der Eignung der Parteivorsitzenden und Kanzlerin antworten würde.
"Dann würde ich fragen: Was soll der Blödsinn?"
Der sogenannte Berliner Kreis der CDU will nun ein Grundsatzpapier verabschieden, eine Internetseite basteln und ein eigenes Büro aufbauen. Die konservative Offensive soll noch vor der Sommerpause öffentlich wirksam starten. Nicht als Gegenpol zur eigenen Partei, sondern lediglich als Ergänzung – versichern die Opponenten.
"Früher war man Rebell, wenn man an der Spitze irgendeiner revolutionären Bewegung stand. Heute wird man ja schon zum Rebell, wenn man nur die Auffassungen vertritt, die die CDU selber jahrzehntelang vertreten hat."
