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Konservative in Frankreich
Präsidentschaftskandidat gesucht

Alain Juppé, Nicolas Sarkozy oder François Fillon: Sie sind die Favoriten bei den Vorwahlen um den konservativen Präsidentschaftskandidaten in Frankreich. Letztlich könnten allerdings die Wähler der Linken oder extremen Rechten den Ausgang der Urwahl entscheiden.

Von Jürgen König | 18.11.2016
    Blick auf die Präsidentschaftskandidaten der Konservativen für die Wahl 2017 Francois Fillon, Alain Juppé und Nicolas Sarkozy beim Treffen der Republikaner im Seebad La Baule 2015
    Francois Fillon, Alain Juppé und Nicolas Sarkozy, Präsidentschaftskandidaten der Konservativen beim Treffen der Republikaner in La Baule 2015 (DPA/Francois Lafite/Wostok Press/Maxppp)
    Man stelle sich vor, CDU und CSU würden ihren gemeinsamen Kanzlerkandidaten direkt vom Volk wählen lassen: in einer bundesweiten, jedermann zugänglichen Wahl, mit sieben Kandidatinnen oder Kandidaten, die zuvor parteiinternen Wahlkampf betreiben und in drei Fernsehdebatten aufeinandertreffen würden.
    Genau vor dieser Aufgabe stehen die französischen Konservativen: Nach anhaltenden Führungsquerelen entschloss man sich 2015 zu Vorwahlen, wohl wissend, dass sich Parteifreunde als Konkurrenten gegenüber stehen würden. Und diese Vorwahlen sind wichtig: Es gilt als wahrscheinlich, dass ihr Sieger in der entscheidenden Stichwahl zur Präsidentschaft gegen die Front National-Vorsitzende Marine Le Pen antreten und gewinnen wird - nach dieser Lesart wird schon jetzt gewissermaßen der Präsident gekürt. Seit Monaten führt der 71-jährige Alain Juppé in den Umfragen, er beschwört ein Frankreich des Zusammenhalts über ethnische und religiöse Grenzen hinweg:
    "Das Bild von Frankreich, so wie es sich im Lauf der Jahrhunderte gebildet hat - es ist das Bild eines sehr vielfältigen Landes. Wir sind nicht alle gleich. Wir haben nicht alle dieselbe Herkunft. Wir haben nicht alle dieselbe Hautfarbe. Wir haben nicht alle dieselbe Religion - diese Verschiedenheit macht unseren Reichtum aus! Aber nur unter zwei Bedingungen: kein Rückzug in Parallelgesellschaften! Und: Jeder muss sich um die Einheit des Landes bemühen! Wenn wir nur unsere Unterschiede betonen und nichts Gemeinsames entwickeln - dann sind wir kein Land, dann sind wir keine Nation, dann sind wir nicht: ein Frankreich!"
    Juppé setzt auf gesellschaftliche Vielfalt, Sarkozy bedient Positionen des FN
    Die Programme der sieben Kandidaten unterscheiden sich nur in Details. In Opposition zur sozialistischen Regierung will man Haushalte und Unternehmen steuerlich entlasten, die 35-Stunden-Woche soll abgeschafft, das Arbeitslosengeld gekürzt, das Rentenalter angehoben werden. Einig ist man sich auch darin, die Terrorbekämpfung zu intensivieren, Polizei und Justiz besser auszustatten, Zuwanderung zu begrenzen. Bei so viel Einigkeit werden Akzente zur Profilierung umso wichtiger. Wo Juppé die Verschiedenheit als Reichtum feiert, rückt sein Hauptkonkurrent Nicolas Sarkozy genuin "französische Werte" in den Vordergrund:
    "Mein Vater ist Ungar, aber man hat mir die Geschichte Ungarns nicht beigebracht. Mein Großvater mütterlicherseits ist griechisch, aber man hat mir die Geschichte Griechenlands nicht beigebracht. In dem Moment, da ich Franzose werde, liebe ich Frankreich, ich lerne die Geschichte Frankreichs, ich spreche Französisch und meine Vorfahren sind die Vorfahren Frankreichs! Das ist Assimilation!"
    Linke Wähler könnten konservative Urwahl beeinflussen
    Vor allem bei den Themen Zuwanderung und Sicherheit gibt Sarkozy den Hardliner. Sein Problem ist, dass es offene Vorwahlen sind: Jeder Wahlberechtigte kann teilnehmen. Die Partei steht mehrheitlich hinter ihm, doch bei Teilen der Linken ist Sarkozy geradezu verhasst. Bis zu sieben Prozent der linken Wähler, haben die Umfrageinstitute ermittelt, wollen an diesen Vorwahlen der Konservativen teilnehmen und für Juppé stimmen. Also spricht Sarkozy gezielt auch Anhänger des Front National an. Die Franzosen sehnen sich nach einer starken Führung: so das Kalkül, das Sarkozy bedient:
    "Ich werde der Präsident der Entscheidung sein - im Gegensatz zum Präsidenten der Ohnmacht, und ich werde der Präsident sein, der die Autorität in unserem Land wieder herstellt, die wir so dringend brauchen."
    Trotz klarer Favoriten: Ausgang offen
    Alain Juppé, 71, Nicolas Sarkozy, bald 62, Francois Fillon, bald 63 Jahre alt - sie sind die Favoriten. Die einzige Frau im Rennen ist die 43-jährige Ingenieurin Nathalie Kosciusko-Morizet, unter Präsident Sarkozy war sie Umweltministerin. 47 Jahre alt ist der ambitionierte Bruno Le Maire, der an gleich drei Elitehochschulen Literatur, Politik- und Verwaltungswissenschaften studierte und deutsch und englisch fließend spricht. Jean-Francois Copé wie auch Jean-Frédéric Poisson, der Vorsitzende der Christdemokratischen Partei, beide gelten als chancenlos. Frankreich blickt mit Spannung auf diese Wahl, deren Ergebnis - allen Umfragen zum Trotz - völlig offen ist. Denn niemand vermag die Wahlbeteiligung einzuschätzen: nicht wenige unter den "Republikanern" finden es gespenstisch, dass es vielleicht die Wähler der Linken und der extremen Rechten sind, die über den konservativen Kandidaten entscheiden.