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Trump, Le Pen und der Populismus
Auch in Frankreich werben Politiker um die "Vergessenen"

Der Wahlsieg Donald Trumps beflügelt viele rechtspopulistische Parteien in Europa, die im kommenden Jahr vor Wahlen stehen. Als eine der ersten hat Front-National-Chefin Marine Le Pen Trump gratuliert. Tatsächlich gibt es vor allem in der Art zu kommunizieren viele Parallelen.

Von Jürgen König | 10.11.2016
    Marine Le Pen kommentiert am 9. November 2016 die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in den USA.
    Marine Le Pen kommentiert die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in den USA. (dpa/EPA/Yoan Valat)
    Die Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen, gratulierte Donald Trump schon am frühen Morgen - als er offiziell noch gar nicht gewonnen hatte, gratulierte ihm und "dem ganzen freien amerikanischen Volk". Dahinter steckte Strategie: Für die tagesweite Aufmerksamkeit der Medien war gesorgt. Und der Sieg Donald Trumps kann für ihren Präsidentschaftswahlkampf wichtig werden, lässt er sich doch sehr gut interpretieren als weiterer Meilenstein der "weltweiten Bewegung" jener Völker, die sich gegen die etablierten, von Marine Le Pen als durch und durch korrupt angesehenen Politiksysteme auflehnen. Vom "Wind der Freiheit" hatte sie schon nach dem Brexit-Referendum gesprochen, wohl wissend, dass derlei bei den europakritischen Franzosen sehr gut ankommt. Auch auf ihrer Pressekonferenz fehlte das Stichwort nicht:
    "Die Amerikaner haben sich ihren Präsidenten gewählt und nicht den, den das System für den einzig richtigen erklärt hat - so, als sei die Wahl nur eine Formalität, eine lästige Pflicht. So gesehen muss diese Entscheidung des amerikanischen Volkes als ein Sieg der Freiheit interpretiert werden."
    Wortgleiches Werben um die "Vergessenen"
    Immer wieder hatte Marine Le Pen sich für Donald Trump stark gemacht, ihn gepriesen als jemand, der wie sie nicht dem politischen Establishment angehöre, sondern "außerhalb des Systems" stehe und daher unabhängig agieren könne. Vieles entspricht sich: Die "vergessenen Männer und Frauen", von denen Trump in seiner ersten Rede nach der Wahl sprach - sie passen genau zur Klientel des Front National. Auch Marine Le Pen fühlt sich als Vertreterin der von der Politik "Vergessenen", der Unzufriedenen in Frankreich, die im Weltbild der politischen Klasse in Paris angeblich nicht vorkommen. Auch Le Pen polemisiert gegen Einwanderung, gegen die "Auslieferung französischer Interessen an Europa", auch sie propagiert eine Rückbesinnung aufs Nationale, fordert den völligen Bruch mit dem alten System: EU-Austritt und geschlossene Grenzen, Rückkehr zum französischen Franc.
    Rhetorik des Front National rückt den politischen Diskurs weiter nach rechts
    Und ihr Beispiel macht längst Schule: In einer ersten Stellungnahme zum Wahlsieg Trumps etwa kam der republikanische Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy ohne Umschweife von der US-Wahl auf den islamistischen Terror in Frankreich zu sprechen:
    "Die Botschaft des amerikanischen Volkes muss gehört werden. Wie beim Brexit wird hier der Wunsch nach einem Wechsel formuliert, wird ein Denken abgelehnt, dass alles Reden über Gefahren, die unserer Nation drohen, verbietet. Ein Denken, das die Realität eines weltweiten Handels nicht sehen will, der weder anständig ist noch gerecht. Ein Denken, das die Forderung der Völker nicht wahrnimmt, dass Einwanderung beschränkt und Grenzen respektiert werden müssen. Ein Denken, das die Notwendigkeit ignoriert, schwierige Maßnahmen zu ergreifen, um die Bürger vor dem Terrorismus und dem Islamismus zu schützen."
    Bei den Republikanern ist der Umgang mit dem FN umstritten
    Während Sarkozy mit solchen Tönen insbesondere die Anhänger des Front National ansprechen will, präsentiert sich sein parteiinterner Konkurrent, Alain Juppé, dezidiert als Gegenkraft:
    "Ich will nicht, dass Frankreich sich dem Extremismus und der Demagogie hingibt. Ich will nicht, dass die Zukunft dem Front National gehört. Und genau deshalb will ich - und jetzt mehr als jemals zuvor! - die Franzosen zusammenbringen, all diejenigen, die eine bestimmt Idee von der französischen Republik haben, um dem Front National etwas entgegenzusetzen. Frankreich und Europa müssen auf der internationalen Bühne die Botschafter des Friedens und der Eintracht sein, um diesen Anstieg des Nationalismus zu verhindern, mit dem wir uns heute konfrontiert sehen."
    Umfragen zufolge hat Alain Juppé im Moment gute Chancen, der nächste französische Präsident zu werden. In Frankreich liebt man Umfragen. Doch was sind sie noch wert, fragen sich jetzt viele ohnehin schon verunsicherte Franzosen, wenn ihre Ergebnisse so falsch sein können wie im Falle der US-Wahl?