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Konservierung von Holzkunst
Mit Radiowellen Holzwürmer bekämpfen

Holzwürmer in alten Kunstobjekten - ein Albtraum für Konservatoren, Museen und Sammler. Nun haben Forscher eine neue Methode getestet, mit der man den nagenden Holzschädlingen zu Leibe rücken kann. Dafür werden die Kunstobjekte mit Radiowellen behandelt und erwärmt. Doch das ist nicht ohne Risiko.

Von Simon Schomäcker | 27.03.2019
Deteilaufnahmen eines kunstvoll verzierten Stuhls aus dem Inneren einer Kirche nahe der Reduktion San Ignacio Guazu in Paraguay. Aufgenommen am 26.05.2013.
Kostbar und empfindlich: Alte Holzkunst wurde bislang meist mit Stickstoff gegen Schädlinge behandelt (picture alliance / Christian Ender)
Angelica Hoffmeister ist leitende Restauratorin am Grassi-Museum für Völkerkunde in Leipzig. Regelmäßig behandeln sie und ihre Mitarbeiter Holzobjekte in einer Stickstoffkammer gegen Schädlingsbefall.
Auf der Suche nach einer Alternative zu Stickstoff
"Man kann schon sagen, dass die Behandlung mit Stickstoff am problemlosesten für das Objekt ist. Und hat halt den Nachteil, dass es relativ lange dauert. Also es muss mindestens vier Wochen in der Kammer drin sein. Hinzu kommt, dass es im Moment eine neue Rechtsprechung gibt zur Stickstoff-Behandlung. Weil Stickstoff mittlerweile auch unter die Gefahrstoff-Verordnung fällt."
Für Museen heißt das: Sie müssen sich auf Dauer nach Alternativen umsehen. Angelica Hoffmeister wandte sich deshalb an eine Forschungsgruppe, koordiniert von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur. Die Wissenschaftler testen, wie sich Holzschädlinge mit Radiowellen bekämpfen lassen. Denn die Funkwellen erzeugen auch Wärme.
Professor Dr. Lutz Nietner öffnet die Türen eines etwa drei Meter hohen Metallspinds. Aus dessen Wand ragen mehrere dünne Glasfaserleitungen. Auf dem Boden liegen zwei etwa 40 Zentimeter lange Kupferstreifen, zu denen Kabel führen.
"Diese Kupferbänder, das sind die Zuleitungs-Elektroden, die dann mit dem zu erwärmenden Objekt verbunden werden – und das elektromagnetische Feld, ähnlich wie bei einer Mikrowelle, in das Objekt einleiten."
Mikrowellen im Gigahertzbereich heizen allerdings nur flüssige Stoffe auf. Deshalb haben die Leipziger Forscher eine niedrigere Frequenz von 13,56 MHz gewählt. Damit lassen sich feste Stoffe wie Holz gut erwärmen. Die Frequenz bleibt unabhängig von der Größe des Behandlungsobjekts immer gleich. Allerdings müssen die Leistung und die Aufheizgeschwindigkeit angepasst werden.
"Je mehr filigrane Sachen da dran befestigt sind, umso langsamer müssen wir die Energie eintragen, damit sich der massive Teil nicht so schnell erwärmt, dass er durch seine Ausdehnung die filigranen Teile mitnimmt und damit auseinanderreißt."
Test erstmal nur am Duplikat
Hinzu kommt: Die wenigsten Kunstgegenstände bestehen ausschließlich aus Holz. Darum haben die Forscher Angelica Hoffmeister um ein Versuchsobjekt gebeten, das aus verschiedenen Materialien besteht.
"Es sollte aus Holz sein, es sollten aber auch Metallteile dran sein, es sollte nicht zu groß sein, es sollte aber auch ein Sammlungsobjekt, also auch ein gealtertes Objekt sein."
Die Wahl fiel auf ein Schmuckkästchen, das in der Sammlung zweimal existiert. Allerdings haben die Wissenschaftler für die Testreihen zunächst einen originalgetreuen Nachbau angefertigt. Zum Schutz wurde dieser in ein Vlies eingewickelt und in Holzpellets eingebettet. Durch das Vlies hindurch konnten die Experten außerdem mehrere der Glasfaserkabel fixieren. Es sind Temperatursensoren, erklärt Lutz Nietner:
"Wir können also sehr viele Temperatur-Messstellen definieren, die für uns kritisch sein können. An der Steuerungssoftware wird ein bestimmter Wert eingestellt. Und die Anlage schaltet automatisch ab, wenn also eine kritische Temperatur überschritten wird."
Restrisiko bei vergoldetem und bemaltem Holz
Die Versuchsreihen mit dem Nachbau ergaben: In einer halben Stunde konnte das Versuchskästchen auf die Zieltemperatur von 60 Grad Celsius gebracht werden, ohne dass ein Schaden entstand. Und Holzwürmer würden sich so abtöten lassen. Die vergoldeten Teile des Originalkästchens kamen aber nicht ganz schadensfrei davon, resümiert Angelica Hoffmeister:
"An diesem Kästchen gab es eben zwei Stellen mit feinen Haarrissen. Und die waren besonders interessant, weil das sind ja so die Angriffspunkte, wo vielleicht am ehesten Veränderungen stattfinden. Und da hat sich dann ja auch herausgestellt, es gab Veränderungen – und dann wurde der Test abgebrochen."
Bei historischen Holzkunst-Objekten mit gealterten Metallschichten besteht also oft ein gewisses Restrisiko, auch wenn sie mit Radiowellen kontrollierter als sonst erhitzt werden können. Für eine wirklich sichere Behandlung mit der neuen Technik sind daher noch Folgeforschungen nötig. Vollholz-Objekte ohne filigrane Teile, Vergoldung oder empfindliche Farbe lassen sich hingegen schon bedenkenlos bestrahlen.