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Konstanter Energieumsatz
Abnehmen durch Sport?

Zum neuen Jahr nehmen sich viele Menschen vor, mehr Sport zu treiben, um abzunehmen. Ein US-Forscher hat nun herausgefunden, dass strampeln und Gewichte heben nicht unbedingt zu einer besseren Figur beitragen.

Von Lucian Haas | 05.02.2016
    Fitnessgerät an einer Bus-Station in Mexiko-Stadt
    Ein übergewichtiger Mann macht Kniebeugen. Ein US-Forscher meint nun, Sport hilft wenig, um abzunehmen. (picture alliance / dpa / Foto: Andrea Sosa Cabrios)
    Wer Abnehmen will, sollte viel Sport treiben, heißt es. Doch diese Vorstellung passt womöglich nicht ganz zu dem, wie unser Körper funktioniert. Der Anthropologe Herman Pontzer von der City University of New York glaubt, dass Sport tatsächlich nur wenig ausrichten kann, um Gewicht zu verlieren. Als Grund nennt er das Beschränkte-Energie-Modell.
    "Dieses Modell besagt, dass unser Körper darauf ausgerichtet ist, seinen täglichen Energieverbrauch in etwa konstant zu halten – selbst wenn wir unser körperliches Aktivitätsniveau ändern. Das ist vergleichbar damit, wie der Körper seine Temperatur oder den Zuckergehalt im Blut stets in einem schmalen Bereich zu halten versucht."
    Eine Bestätigung für dieses Modell fand Herman Pontzer erstmals vor vier Jahren, als er den Stamm der Hadza in Tansania erforschte. Die Hadza leben noch als Jäger und Sammler und laufen täglich viele Kilometer. Doch ihr durchschnittlicher Energieverbrauch, so fand Pontzer überraschend heraus, unterscheidet sich kaum von dem eines westlichen Büroarbeiters, der die meiste Zeit nur herumsitzt. Jetzt hat der Forscher eine neue Studie im Fachmagazin 'Current Biology' vorgelegt. Dafür untersuchte er mehr als 300 Männer und Frauen in den USA. Eine Woche lang maß er genau, was sie aßen, wieviel sie sich bewegten und welchen Gesamtenergieumsatz ihr Körper dabei zeigte. Das Spektrum der Probanden reichte von Sportverweigerern bis hin zu Leistungssportlern. Die Ergebnisse passen gut zum Beschränkte-Energie-Modell.
    "Wenn ein völlig Unsportlicher, eine echte Couch Potato, sich etwas mehr bewegt, steigt der Energieumsatz des Körpers ein wenig. Aber darüber hinaus geht es dann nicht weiter, selbst wenn man mehr und mehr Sport treibt. Trotz erhöhter Aktivität bleibt der Energiebedarf des Körpers über den Tag gemittelt dann etwa konstant."
    Wer abnehmen will, muss auf die Ernährung schauen
    Was auf den ersten Blick wenig nachvollziehbar erscheint, findet Herman Pontzer gar nicht so überraschend.
    "Schaut man auf die Evolution, ist es völlig plausibel, dass Tiere, die Menschen eingeschlossen, über Regelmechanismen verfügen, um ihren Energieaufwand konstant zu halten. So passt der Energiebedarf zum Nahrungsangebot in der Umwelt. Wir Menschen leben heute freilich nicht mehr in einer ganz natürlichen Umwelt, wir leben in Städten. Aber unsere Körper sind immer noch die gleichen. Wir sind daran angepasst, den Energiebedarf so zu begrenzen, dass er das Nahrungsangebot nicht übersteigt.
    Unklar ist allerdings noch, wie der Körper es anstellt, trotz erhöhter sportlicher Betätigung über den Tag gesehen insgesamt nicht mehr Energie zu verbrauchen. Herman Pontzer hat eine Reihe von Theorien, denen er jetzt nachgehen will.
    "Vielleicht verändern wir unser Verhalten auf subtile Weise, um Energie zu sparen. Etwa in dem wir häufiger sitzen anstatt zu stehen, und derlei Dinge. Vielleicht wird auch die Aktivität des Fortpflanzungs- oder des Immunsystems herunter gefahren. Die nächste spannende Aufgabe wird sein herauszufinden, wie der Körper seine Energiebedarfsanpassung meistert.
    Eine Lehre könne man aus den Studien aber jetzt schon ziehen, meint Herman Pontzer.
    "Wer abnehmen will, muss auf die Ernährung schauen. Man muss die Kalorien reduzieren, die man täglich zu sich nimmt. Bewegung ist auch wichtig – für die Gesundheit. Aber wenn es einem hauptsächlich um Gewichtsverlust geht, muss man sein Augenmerk auf die Nahrung richten."