Dienstag, 19. März 2024

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"Konstruktiver Journalismus"
"Wer sagt denn, was eine Lösung ist?"

Dass lösungsorientierter Journalismus in den vergangenen Jahren populärer geworden ist, hält die Journalistin und Autorin Kathrin Hartmann für keine gute Entwicklung. Oft würden nur die Vorschläge großer westlicher Firmen oder Organisationen weitergetragen. Das mache die Situation für die Betroffenen aber oft noch schlechter als sie vorher gewesen ist.

Kathrin Hartmann im Gespräch mit Brigitte Baetz | 02.04.2018
    Greenpeace-Aktivisten auf einem Schlauchboot, im Hintergrund Hochhäuser von Manila.
    Nach Ansicht von Kathrin Hartmann wird zu einseitig über Lösungsvorschläge großer Unternehmen und Organisationen berichtet. (AFP / Noel Celis)
    Dass es in Zeitungen, Fernsehbeiträgen und Radiosendungen oftmals um Negatives geht, ist nach Ansicht der Autorin und Journalistin Kathrin Hartmann ganz normal. "Das ist einfach der Nachrichtenlage geschuldet und eine Nachricht, dass irgendwo mal was gut läuft, ist halt keine", sagte Hartmann bei @mediasres.
    Journalisten sollten gesellschaftliche Missstände aufdecken und Machtverhältnisse offenlegen. Solch investigativer Journalismus sei aber teuer und werde inzwischen oft aus Kostengründen weggelassen. "Da kriegt das dann so eine Schieflage, wenn wir dann plötzlich ‚Konstruktiven Journalismus‘ haben, der einfache Lösungen für komplexe Probleme vorschlägt. Das kann das gesellschaftliche Ungleichgewicht oder die Probleme möglicherweise sogar noch verstärken", sagte Hartmann.
    Fokus auf Ideen aus der Privatwirtschaft
    Sich ganz auf mögliche Lösungen von Problemen zu konzentrieren, sei keine gute Idee. "Wer beurteilt denn welche Lösung aus welchem Grund als gut? Wer sagt denn, was eine Lösung ist?", so Hartmann. Die Vorschläge müssten gesellschaftlich ausgehandelt und dürften nicht auf dem Silbertablett serviert werden.
    Beim "Konstruktiven Journalismus" würden aber oft nur die Ideen großer westlicher Unternehmen und Organisationen weitergetragen. "Dann sind wir ganz klar bei PR und nicht mehr bei Journalismus", sagte Hartmann.
    Die Betroffenen nicht im Blick
    Beispielsweise sei das in den vergangenen Jahren beim Thema Mikrokredite so gewesen. Viele Medien hätten diese Kleinkredite in ihren Artikeln gelobt und als möglichen Weg aus der Armut bezeichnet. In den betroffenen Entwicklungsländern zeige sich aber, dass die Mikrokredite große Nachteile hätten. In Bangladesch habe Hartmann Dutzende Frauen getroffen, die seit mehreren Jahrzehnten "nur noch für die Abzahlung der Kredite und Zinsen ackern".
    Die Interessen der einen seien nie auch die Interessen der anderen, sagte Hartmann. "Wer sind wir denn hier in den reichen Ländern des Nordens, uns über die Interessen der lokalen Bevölkerung am Ende der Welt zu stellen und zu sagen: Wir erzählen Euch jetzt, was wir Reichen für eine Lösung für Euch parat haben?"