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Konsumstress aufgrund von Überangebot

Auf dem Deutschen Verbrauchertag 2009 sind alle vertreten, die auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes mitmischen - von der Politik über die Wirtschaft bis hin zu Verbraucherorganisationen. Der Bundesverband der Verbraucherbände hat die Veranstaltung am Dienstag schon einmal zum Anlass genommen, um die Punkte zu benennen, die dringend in Angriff genommen werden müssen.

Von Philip Banse |
    Deutschlands oberste Verbraucherschützer haben durch repräsentative Umfragen herausgefunden, dass Alte, Arme, aber vor allem Familien von zunehmend liberalisierten Märkten überfordert sind. Bei Familien sammelten sich alle Probleme der alltäglichen Lebensgestaltung, sagt Gerd Billen, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes:

    Wir haben gesehen, das insbesondere das insbesondere die 24 Millionen Familien zunehmend in Konsumstress geraten. Es ist die Auswahl der Altersvorsorge. Um hier das richtige Produkt zu finden, muss ich fast zum Finanzberater werden. Es ist die Auswahl des richtigen ambulanten Pflegedienstes für die eigenen Eltern. Und es ist die alltägliche Erfahrung beim Abschluss einen Handy-Vertrags, dass die Anbieter alles tun, um den Durchblick durch den Tarif zu verhindern. Es wird alles getan - und zwar bewusst - um die Vergleichbarkeit von Leistungen zu verhindern, damit die Verbraucher dann aus Frust doch zu irgendeinem Tarif greifen, der meistens teurer ist.

    Billen lobte ausdrücklich die Liberalisierung der Märkte, mehr Wettbewerb bringe den Verbrauchern unterm Strich große Vorteile - aber nur, wenn der Staat sie nicht alleine lässt.

    "Mündige Verbraucher kann man nicht nur fordern, man muss sie auch fördern. Zum Beispiel, in dem man auf Märkten dafür sorgt, dass es fair zugeht zwischen Anbietern und Verbrauchern. Wir brauchen Schiedsrichter, die den Unternehmen, die Verbraucher abzocken, auch die rote Karte zeigen."

    Gerd Billen hat vier Märkte ausgemacht, auf denen es nach seiner Einschätzung besonders unfair zugeht. Ganz oben auf der Liste: Der Finanzmarkt. Nach Berechnungen des Verbraucherschutzministeriums haben Verbraucher zuletzt bis zu 30 Milliarden Euro verloren, weil sie falsch beraten worden waren.

    "Der Finanzmarkt braucht deswegen Regeln, er braucht Aufsicht. Das, was Frau Merkel in London neulich für den internationalen Finanzmarkt gefordert hat, muss auch für das heimische Geschäft gelten: Keine Institution, kein Geschäft, kein Produkt ohne Aufsicht und ohne Kontrolle."

    Die Bundesregierung müsse klar regeln, wer wie Finanzprodukte überprüft, bevor sie verkauft werden. Außerdem gelte es zu regeln, wer eigentlich Finanzprodukte verkaufen darf. Der zweite Problemmarkt: Einzelhandel, Produktsicherheit. Frisch ist noch die Erinnerung an Tipps, vor Weihnachten doch mal das Spielzeug im Laden zu beschnüffeln, um so giftigen Chemikalien auf die Spur zu kommen:

    "Es kann nicht sein, dass wir die Verantwortung für alles und jedes tragen müssen. Für die Produktsicherheit sind die Anbieter verantwortlich. Und der Staat muss dafür sorgen, durch eine vernünftige Produktüberwachung, durch vernünftige Regeln, dass nur vernünftige Spielzeuge bei uns auf den Markt kommen. Diese Frage kann man nicht auf die Verbraucher abschieben, die sich dann an Weihnachten nicht nur mit Frage zu beschäftigen haben, was sie ihren Kindern schenken, sondern auch noch, ob das Spielzeug giftig ist oder nicht."

    Auch beim Kauf von Strom und Gas stünden die Verbraucher machtlos einem Oligopol weniger Energiekonzerne gegenüber, die verhinderten, dass Preise sinken. Billen regte an, die vier großen Stromriesen zu zwingen, Kraftwerke zu verkaufen, um für mehr Wettbewerb zu sorgen. Auch im Internet müsse der Staat den Verbrauchern Orientierung bieten. So müsse es dringend ein Siegel her für sicheres und datensparsames Online-Shopping. Angesichts der Wirtschaftskrise müssten immer mehr Menschen sparen. Daher müsse die Verbraucherberatung ausgebaut werden, so Billen. Kosten würde das pro Jahr 245 Millionen Euro, im Vergleich zu heute fast eine Verzehnfachung.