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Kontaktbeamte
Zuhause in zwei Welten

Mit dem Erstarken des gewaltbereiten Islamismus vor zehn Jahren wuchst auch bei den muslimischen Verbänden die Angst - sowohl vor Islamisten als auch Rechtsradikalen. Aus Angst vor Angriffen und Drohungen entstanden die sogenannten Kontaktbeamten. Bei der Polizei fungieren sie als Ansprechpartner für interkulturelle Angelegenheiten. Eine von ihnen ist die gebürtige Türkin Emine Tayfur.

Von Kadriye Acar | 16.12.2015
    Ein Polizei-Kontaktbeamter in Neubrandenburg
    Ein Polizei-Kontaktbeamter in Neubrandenburg (dpa / picture alliance / Jens Büttner)
    Polizisten, die Beifall bekommen. Das erleben Emine Tayfur und ihr Kollege Matthias Ferring auch nicht jeden Tag. Doch an diesem Abend in einer Kölner Moschee applaudieren ihnen muslimische Jugendliche.
    "Der Abend heute war sehr interessant. Wir haben viele neue Erfahrungen gemacht, vor allem mit der Polizei. Sie haben uns gezeigt, dass die Polizei auch hinter den Muslimen steht und nicht nur hinter christlich-deutschen Gesellschaft."
    Die deutsche Polizei als Freund und Helfer – für viele hier ist das eine neue, positive Erfahrung.
    "Ich fand´s auch gut, dass hier ein deutscher Polizist war. Und Damit zeigt er Engagement."
    Emine Tayfur ist eine große, blonde Frau. Die türkischen Wurzeln sind ihr nicht anzumerken. Aber so definiert sich die 41-jährige Polizistin auch nicht. Geboren wurde sie in Trabzon, an der türkischen Schwarzmeerküste, doch aufgewachsen ist sie im Oberbergischen Kreis, westlich von Köln. Diese Gegend bezeichnet sie als ihre Heimat. Emine Tayfur kennt die türkische und die deutsche Welt.
    "Ich komme aus einer Zeit, da war es verpönt, dass Mädchen studieren durften. Die Eltern tickten halt so, wenn die Mädels mit der Schule fertig waren, die zehnte Klasse beendet haben, dann waren sie meistens so 16 bis 17 und spätestens mit 18 werden sie eh heiraten. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern aus einem Stadtgebiet kamen, die hatten das Denken vieler türkischer Mitbürger, die teilweise ihre Tradition aus Dörfern mit hier rübergebracht haben, wo sie das Denkmuster hatten, dass Mädels vielleicht noch einen Schulabschluss haben und danach ist Schluss. Sie werden eh heiraten und ihre Kinder groß ziehen, das hatten meine Eltern nicht."
    Ihre Erzählungen aus dem Privatleben schaffen Vertrauen bei den Jugendlichen in der Moschee. Vor allem die jungen Frauen, die getrennt von den Männern sitzen, erkennen sich zum Teil wieder.
    Erzählen aus dem eigenen Leben
    "Öfters wird so dargestellt, dass die Männer mehr in Aktion in der Moschee sind. Dass es halt so gezeigt wird. Wir haben heute an diesem Abend Beweis, dass die Frauen auch mitreden können."
    "Ich bin in einem Getto groß geworden da hat man auch schon geguckt. Was sagen die Nachbarn, was denken die Nachbarn. Es war schon so eine Art 'wie die macht jetzt eine Ausbildung, das geht ja gar nicht', das ist ein Mädchen. Einige haben den Kontakt auch zu meinem Vater abgebrochen. Meine Mutter hat aber die ganze Zeit darauf bestanden. Sie sagte, ich war die ganze Zeit zu Hause, ich habe vier Kinder großgezogen ich konnte keine Ausbildung machen. Sie soll ihre Ausbildung beenden."
    Emine Tayfur begann zunächst eine Ausbildung als Arzthelferin und arbeitete als Radiologie-Assistentin, als sie durch Zufall einen Einstellungsberater der Polizei kennenlernte. Er begeisterte sie für den Beruf. Damals hatte sie noch die türkische Staatsbürgerschaft, weshalb sie für ihr Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, mit dem Ziel Polizeikommissarin, eine Sondergenehmigung des Landesinnenministeriums brauchte.
    2008 fing sie bei der Kölner Polizei an. Seit fünf Jahren arbeitet sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Matthias Ferring als Kontaktbeamtin für die muslimischen Verbände.
    "Sie ist natürlich deshalb kompetent, weil sie die Sprache spricht. Weil sie schon weiß, wie so ein Gesprächseinstieg noch besser gelingen kann. Wie man mit dem Thema vielleicht gar nicht sofort auf den Tisch kommen, sondern sagt, wir reden erst einmal über ganz andere Dinge. Und irgendwann kommen wir dann näher. Sie hat natürlich noch einmal durch ihre Kenntnisse konkretere Fragen zu stellen. Dem Thema etwas Tiefe zu geben, die ich gar nicht hätte."
    "Ich bin in der muslimischen Szene groß geworden und es ist interessant, wenn ich mich mit ihm austausche: Er hat erst einmal einen ganz anderen Blickwinkel und sieht die Sache vielleicht auch anders als ich es sehe. Dieser Austausch ist für mich sehr sehr wertvoll."
    Hilfestellung für Frauen
    Auch wenn Emine Tayfur in der muslimischen Szene groß geworden ist: Die Türken, mit denen sie es auf dem Land zu tun hatte, erlebte sie so ganz anders als die, denen sie in der Kölner Großstadt begegnete. Da ist nicht nur die höhere Kriminalitätsrate, Emine Tayfur berichtet auch von patriarchalischem Macho-Gehabe und dem Einfordern von Solidarität – weil Türken doch zusammenhalten sollten. Türkische und muslimische Frauen hingegen reagierten anders:
    "Was ich so total positiv fand, war von den Frauen halt. Die haben mich dann doch eher respektvoller behandelt. Da war so, dass sie teilweise auch gefragt haben, was kann ich denn jetzt noch machen. Wenn im Rahmen der häuslichen Gewalt der Mann sie dann geschlagen hat. Können Sie mir vielleicht Hilfen geben, ich verstehe jetzt nicht was – wenn sie der Sprache nicht mächtig waren. Wir haben Hilfestellung gegeben, dann habe ich das noch einmal auf Türkisch erklärt. Sie öffneten sich dann intensiver uns gegenüber."
    Aber die andere Seite kennt sie auch. Den alltäglichen Rassismus gegenüber tatsächlichen oder vermeintlichen Ausländern.
    "Da ging es um ein Raubdelikt. Und da war es halt so, der war bisschen unter Alkoholeinfluss. Das muss man auch dazu sagen. Der dann auch gesagt hat, als er herausfand, dass ich eine Türkin bin: Von einer Türkin lass ich mich nicht anpacken."
    Emine Tayfur ist gläubige Muslimin. Als Kind war sie im Koranunterricht, Das helfe ihr heute bei ihrer Arbeit, sagt sie. Zum Beispiel, wenn sie bei Gewalt gegen Frauen einschreiten müsse. Manchmal wollten muslimische Männer Gewalt gegen ihre Frauen mit dem Koran begründen. Emine Tayfur nutzt dann ihre Kenntnisse aus dem Koran. Doch letztlich gehe es ihr nicht um Religion, sagt sie. Sondern um die Vermittlung von Kultur und die Einhaltung der Gesetze in diesem Land.