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Kontakthof Berlinale

Die 58. Berlinale ist nach zehn Tagen Glamour zu Ende gegangen. Doch auch der Filmnachwuchs wollte das Filmfest für sich nutzen, deshalb luden die sieben größten deutschen Filmhochschulen erstmals zu einem eigenen Empfang. Etablierte Produzenten, Regisseure und Sponsoren sollten sich über Projekte und Ideen der Filmstudenten informieren.

Von Amelie Ernst |
    400 Menschen, mindestens, drängen sich an diesem Nachmittag in der - eigentlich - weitläufigen Empfangshalle der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin. Die meisten ganz leger in schwarz, mit Hornbrille oder Seidenschal. Wer Grün trägt, ist hier klar im Vorteil - hofft zumindest Frauke Thielecke. Die Regiestudentin steht, im grünen Blümchenkleid, vor einem der Tagungsräume und blättert noch ein letztes Mal in ihren Notizen.

    "Also der Plan ist, gleich im Kino 2 einen Stoff vorzustellen, den ich mir als Debütfilm vorstellen könnte und den ich gerne nach Schulschluss im September realisieren und selber schreiben würde, und dazu Kontakte zu bekommen."

    Kontakte bekommen - das wollen natürlich alle hier. Doch vor den Kontakten stehen Screenings und Pitchings: Kurze Vorträge mit oder ohne Filmausschnitten, die das geplante Projekt möglichen Interessenten möglichst interessant erscheinen lassen. Genau drei Minuten hat Frauke jetzt, um ihren Psychothriller "Provinzglück" vorzustellen.

    "Hallo, guten Tag, ich bin auf der HMS, der Hamburg Media School, noch bis Ende September, und das soll ein Debütfilm werden und ich suche natürlich Leute, die mich dabei unterstützen. 'Provinzglück', ein Psychothriller, der im norddeutschen Kleinstadtmilieu spielen soll. Maria, eine Frau Ende 20, kehrt in ihre Geburtsstadt zurück ... "

    Fraukes Geschichte über die trügerische Idylle einer Kleinstadt und die Abgründe hinter den weiß getünchten Fassaden scheint anzukommen: Die Profis im Publikum nicken hin und wieder und machen sich Notizen.

    " ... und wünsche mir besonders, diese Milieuschilderung in einem Psychothriller zu sehen."

    Doch kaum ist der Vortrag geschafft, geht's eigentlich erst los: Lächeln, präsent sein - und immer griffbereit: Die Schatulle mit den Visitenkarten. Denn jetzt bestürmen Frauke im besten Fall die Menschen, die ihren Film erst möglich machen.

    "Es geht um Geld natürlich, wie immer; es geht um Produzenten, um Unterstützer allgemein, um ´ne Redaktion, die eben sagt 'Ja, das wird das Kleine Fernsehspiel oder 'Das wird 'Debüt im Dritten' oder 'Wir haben auch sonst Interesse an anderen Projekten mit dir'."

    Während Frauke und ihr grünes Kleid jetzt auf solche Gespräche warten, hat's bei Regiestudentin Réka Kincses von der Deutschen Film- und Fernsehakademie schon geklappt mit dem Networking.

    "Ja, also ich habe einen Schauspieler gefunden, den ich dringend gesucht habe. Und ich habe eine ganze Off-Theatergruppe gefunden, die ich für meinen Film auch dringend brauche - das ist schon ziemlich viel."

    Schauspieler, Produzenten, Regisseure, Kameraleute - viel mehr Profis, als die Studenten erwartet hatten, sind gekommen. So wie Christian Beetz. Der Produzent ist auf der Suche nach neuen Stoffen und Regisseuren, mit denen er Filme und Doku-Serien für 3sat und arte drehen kann. Ein Empfang wie heute war längst überfällig, findet er.

    "Es haben viele wahrgenommen und das heißt ja einfach, es gibt so ein Bedürfnis danach, dass es mal geballt auch stattfindet, weil wir nicht die Zeit haben, zu jeder einzelnen Filmhochschule immer zu fahren wenn die ihre Vorstellungen haben. Das kostet einfach zuviel Zeit."

    Eine Handvoll spannender Ideen hat Christian Beetz heute schon entdeckt. Die Talentdichte sei hoch, erste Kontakte geknüpft - auch wenn man dann doch nicht alles umsetzen könne.

    "Wir haben uns jetzt viele DVDs mitgenommen, wir schauen uns die Exposés an. Dann muss es zwischenmenschlich auch immer stimmen. Das ist kein kaltes Business, sondern ein warmes Business, das Filmemachen. Und dann schauen wir weiter."

    Auch Frauke Thielecke hat mittlerweile jede Menge Kärtchen verteilt. Ihr letzter Kurzfilm wurde schließlich preisgekrönt, da sollte es jetzt auch mit dem ersten Langfilm klappen.

    "Es sind tatsächlich schon Leute auf mich zugekommen, und ich habe auch sehr viel positives Feedback bekommen. (Also es lohnt sich, es ist ´ne tolle Veranstaltung, es funktioniert genau so wie wir uns das vorgestellt haben.)"

    Sogar Berlinale-Chef Dieter Kosslick schafft es noch, kurz vor Schluss beim Studenten-Empfang vorbeizuschauen. Er will die Veranstaltung am liebsten zur Berlinale-Institution machen - allerdings nicht ganz uneigennützig.

    "Am besten kann dabei rumkommen, dass es ein neues Arbeitstreffen gibt, wo dann nachher Filme rauskommen - und jetzt sag' ich als Dieter Kosslick - die ich dann bei mir da drüben zeigen kann. Ist doch eigentlich genial, oder?"