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Kontroll-Modell für AKW trifft auf verhaltene Reaktionen

Energie.- Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) möchte, dass sich alle Kernkraftwerke weltweit regelmäßig Stresstests unterziehen und überall einheitliche Sicherheitsstandards eingehalten werden. Die Vertreter der zahlreichen Mitgliedsstaaten sind allerdings skeptisch.

Wissenschaftsjournalistin Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Uli Blumenthal | 21.06.2011
    Uli Blumenthal: "Ein 'weiter so' ist keine Option." Dieser markige Ausspruch stammt vom Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, Yukiya Amano, bei der Eröffnung eines fünftägigen Ministertreffens in Wien. Regierungsvertreter der 151 IAEA-Mitgliedsstaaten diskutieren über Lehren aus Fukushima. Dagmar Röhrlich in Wien: Welche Rolle kann und will die Internationale Atomenergiebehörde bei der Aufarbeitung der Katastrophe von Fukushima und bei der weiteren zivilen Nutzung der Kernenergie weltweit spielen?

    Dagmar Röhrlich: Nachdem die IAEA jetzt bei Fukushima eher wie ein zahnloser Tiger gewirkt hat und manchmal regelrecht machtlos rüberkam, möchte man nun seine Kompetenzen stärken. Yukiya Amano fordert mehr Kompetenzen für die IAEA. Damit hat er die Delegierten überrascht, wie es hier in diplomatischen Kreisen hieß. Amano hofft jetzt darauf, dass nicht nur die Mitgliedsstaaten sich ernsthaft verpflichten, die Sicherheitsstandards ihrer Kernkraftwerke zu erhöhen, sondern auch international die selben Maßstäbe überall anzulegen. Und man hofft, dass die IAEA in den nächsten zwölf Monaten sozusagen ein Paket von Standards aufgesetzt hat, wo dann beispielsweise auch das Zusammentreffen von mehreren Ereignissen, wie Erdbeben und Tsunami, betrachtet werden - und dass die dann, wenn es irgendwie geht, verpflichtet werden sollten, so die große Hoffnung. Außerdem wünscht die IAEA, dass alle Mitgliedsstaaten in den nächsten 12 bis 18 Monaten nationale Stresstests durchführen und - und das ist der große Knackpunkt hier - , dass die IAEA selbst auch Stresstests durchführen will - unabhängige Expertenüberprüfungen von der IAEA an allen 440 Kernkraftwerken dieser Welt, nach dem Zufallsprinzip ausgeführt. ... mehr als ein Zehntel davon könne man im Jahr nicht betrachten. Und das soll jeden treffen können, so dass jeder etwas tut, um die Sicherheit seiner Kernkraftwerke zu verbessern, so jedenfalls die Hoffnung, die dahinter steckt.

    Blumenthal: Ich fasse nochmal zusammen: verpflichtende Sicherheitsstandards weltweit und verbindliche Vereinbarungen zu Stresstests. Gibt denn die Rechtslage international und national so etwas überhaupt her?

    Röhrlich: Man kann jetzt nur im Rahmen der bestehenden Konvention so etwas machen. Die IAEA erklärt ausdrücklich, dass man keine neue Konvention schaffen möchte. Denn dazu müsste man lange Verhandlungen führen. Von daher bleibt alles im Rahmen der bestehenden Konvention. Da wären solche Besuche zwar möglich, aber die Ergebnisse wären nicht verpflichtend. Man könnte niemanden das zu tun, was dann die Experten sagen, was gemacht werden sollte.

    Blumenthal: Wie war die Reaktion in den über 150 Mitgliedsländern denn jetzt auf diese ganzen Forderungen und Diskussionen in Wien?

    Röhrlich: Das hört sich alles sehr diplomatisch an. Einige begrüßen es. Die Franzosen betonen aber, dass die Sicherheit der Kernkraftwerke auf jeden Fall zuerst einmal eine nationale Aufgabe ist. Das sagen auch die Amerikaner, die Ansonsten sehr vage bleiben und die IAEA eher so als Koordinator sehen oder als Katalysator, der es erleichtern soll, Verbesserungen durchzusetzen. Die Deutschen haben sich heute auch dazu geäußert. Die Deutschen haben gesagt, wir sind damit einverstanden, dass andere Länder auch Kernenergie weiter haben. Aber wir sehen auch, dass wir unserer Experten selbst weiterhin zur Verfügung stellen. Aber ob das jetzt mit diesen Stresstests von der IAEA der richtige Weg ist, wird man sehen müssen. Deutschland sieht die Kernverantwortung auch bei den nationalen Behörden und fürchtet, wenn eine internationale Verpflichtung kommt, dass jede Sicherheitsanforderung überall gleich gilt, dass das eher zu einer Verwässerung der Sicherheitsstandards führen wird und nicht zu einer Verbesserung. Außerdem wurde gesagt: Kernkraftwerke zu überprüfen - das geht nicht, indem man von irgendwoher einfliegt und dann mal durchschaut. Sondern das ist ein steter Prozess. Es ist so, dass auch da die Reaktion eher verhalten ist.

    Blumenthal: Ziel dieser Zusammenkunft in Wien ist es natürlich auch, die internationale Zusammenarbeit zu überprüfen, möglicherweise neu zu strukturieren und organisieren. Wie sehen die beteiligten Mitgliedsländer in Wien das? Sind sie offen, sind sie eher ablehnend? Ist es eine problematische Situation, in der dort verhandelt wird?

    Röhrlich: Also man hat gestern eine ministerielle Deklaration vorgestellt, die im Prinzip besagt, dass man natürlich die Sicherheit der Nuklearanlagen stärken möchte. Die Notfallvorsorge muss unbedingt verbessert werden - Strahlenschutz für Menschen und Umwelt. Und auch grenzüberschreitende Folgen müssen beachtet werden. Allerdings wurde eine Konvention zur Haftung KKW-Unfällen immer noch nicht in Kraft gesetzt, weil nicht genügend Länder gezeichnet haben. Es ist also alles nicht so einfach und schnell durchzuführen wie es sich manchmal anhört. Man sieht die Notwendigkeit, dass die internationale Zusammenarbeit verbessert werden muss, aber man möchte das nationale Heft auf keinen Fall aus der Hand geben. Es wird auch gesagt: Ist das wirklich gut, das nationale Heft aus der Hand zu geben? Die USA haben beispielsweise die Rolle der IAEA in der ersten Zeit nach der Fukushima-Katastrophe kritisiert. Die haben gesagt, das wirkte sehr chaotisch. Und ohne eigene Quellen hätte man nicht so gut Bescheid gewusst. Das ist eine sehr schwierige Situation hier. Und im Lauf dieser Woche wollen die Experten jetzt die Lehren ziehen. Es ist wirklich spannend zu sehen, was am Ende der Woche, am Freitag, dann für Lehren verkündet werden.

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