Archiv


Kontrolle chancenlos?

Immer wieder empören Skandale in der Wirtschaft die Öffentlichkeit. Insbesondere wenn Bilanzfälschungen festgestellt werden, fragen sich viele Bürger, warum diese Fälschungen nicht rechtzeitig erkannt wurden – durch die Aufsichtsräte, aber auch durch die Wirtschaftsprüfer. Häufig hat es den Anschein, dass die Kontrolleure nicht richtig prüfen oder sogar mit Vorständen gemeinsame Sache machen.

Klaus P. Weinert |
    Noch in Erinnerung sind die fabelhaften Prognosen, die man vielen Unternehmen gestellt hat, die am Neuen Markt gelistet waren. Unternehmen aus der Computer- und Medienbranche wurden ungewöhnliche Zukunftschancen vorhergesagt. Kaum drei Jahre nach der Eröffnung des Neuen Marktes schwand die Zuversicht und Skepsis machte sich breit, insbesondere als bei manchen Unternehmen festgestellt wurde, dass deren Vorstände die Geschäfte wohl zu positiv dargestellt hatten.

    Einer der größten Skandale am Neuen Markt war der Kurssturz des Medienunternehmens EM.TV. Die Gebrüder Haffa hatten die Zukunftsaussichten übertrieben dargestellt. Zu dieser Ansicht kam auch das Gericht in München. Die Gebrüder Haffa bestreiten dies jedoch noch immer und wollen in die Revision gehen. Jüngst wurde auch berichtet, dass der Internetprovider Ision AG Scheingeschäfte durchgeführt haben soll.

    Auch der Telematikanbieter Comroad hatte überzogene Wachstumsprognosen gestellt. Nur etwas mehr als ein Prozent der Umsätze, die in der Bilanz 2001 standen, konnten belegt werden, alles andere war offenbar "heiße Luft", wie eine Wirtschaftszeitung schrieb. Im selben Jahr erregte auch der Skandal um die Firma Flowtex aus dem badischen Ettlingen die Gemüter. Diese Firma verkaufte Horizontalbohrgeräte zur Verlegung von Versorgungsleitungen. Die Umsatzzuwächse waren ungewöhnlich hoch und niemand schöpfte Verdacht. Wie sich jedoch herausstellte, existierten die meisten dieser Maschinen lediglich auf dem Papier.

    Viele Menschen fragen sich, warum solche Betrügereien meist erst dann erkannt werden, wenn es schon zu spät ist, das Unternehmen nicht mehr zahlen kann und Insolvenz anmelden muss. Die Frage stellt sich vor allem deshalb, weil es Wirtschaftsprüfer gibt, die den Jahresabschluss des Unternehmens prüfen. - Was eigentlich geprüft wird, dazu Professor Klaus-Peter Naumann, Vorstandssprecher des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Düsseldorf:

    Der Jahresabschluss besteht ja aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und den erläuternden Angaben im Anhang. Und dann wird der Abschluss noch mal begleitet, von einem so genannten Lagebericht. Im Jahresabschluss verzeichnet die Gesellschaft ihre Vermögensgegenstände und Schulden. Also hat der Wirtschaftsprüfer zu beurteilen, ob all die Vermögensgegenstände, die im Jahresabschluss ausgewiesen sind – und Schulden – auch tatsächlich vorhanden sind. Darüber hinaus muss er prüfen, ob tatsächlich alle Vermögensgegenstände und Schulden auch richtig im Abschluss verzeichnet sind, bilanziert worden sind, er muss prüfen, ob sie richtig bewertet worden sind, er muss prüfen, ob sie nach den gesetzlichen Vorschriften richtig bewertet worden sind und aus dem Zusammenspiel all dieser Dinge muss er dann beurteilen, ob der Jahresabschluss ein unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften ein zutreffendes Bild der Vermögens- Finanz- und Ertragslage des Unternehmens bzw. des geprüften Konzerns vermittelt.

    Was sich einfach anhört, ist in der Praxis oft ein Problem. So kann ein Unternehmen beispielsweise schon seit langer Zeit ein Grundstück besitzen, auf dem nun ein Gebäude errichtet werden soll. Bei den Bauarbeiten wird entdeckt, dass der Boden umweltbelastet ist. Dadurch reduziert sich der Wert des Grundstückes, der in der Bilanz ausgewiesen ist. Wie sich aber der Wert verändert, dafür gibt es keine allgemeingültige Regel, das ist von Fall zu Fall verschieden.

    Wirtschaftsprüfer müssen also beurteilen, ob die Werte, die der Vorstand zum Beispiel den Vermögensgegenständen zuordnet, auch korrekt sind. Bei großen Unternehmen ist das eine schwierige Aufgabe, da man niemals alle Geschäftsvorfälle prüfen kann, die täglich oft in tausenden von Buchungen festgehalten werden. Professor Naumann:

    Man darf sich eine Jahresabschlussprüfung nicht so vorstellen, dass der Prüfer nun alle einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden … prüfen würde. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass solch eine Prüfung, die eine Vollprüfung darstellen würde, ein Vermögen kosten würde und dass man auch eine sehr lange Zeit brauchen würde, um so eine Prüfung abschließen zu können. Das kann nicht sein. Denn wir müssen den Kapitalmarkt ja relativ zeitnah informieren, ob der Abschluss richtig ist oder nicht. Wir wenden daher in Übereinstimmung mit der internationalen Praxis einen so genannten risikoorientierten Prüfungsansatz an. Wir manchen uns vertraut mit der besonderen Situation des Unternehmens. Wir schauen in welcher Branche ist das Unternehmen tätig, welches ist seine Rechtsform, wo liegen besondere Risiken in dem Unternehmen und versuchen da Risikofelder, Risikokategorien zu definieren. Und dann gehen wir weiter und schauen uns an, was für ein internes Kontrollsystem hat das Unternehmen eingerichtet, um diese Risiken zu steuern.

    In der Regel wird dann geprüft, ob dieses System auch funktioniert. Das wird häufig mit Einzelfallprüfungen gemacht. Ein einfaches Beispiel könnte sein, dass ein Unternehmen alle Maschinen im ersten Jahre der Anschaffung mit zehn Prozent abschreibt. Eine Prüfung könnte mit Hilfe von Stichproben bei einzelnen Maschinen feststellen, ob das auch gemacht wird. Ist das nicht der Fall, liegt die Vermutung nahe, dass manipuliert wurde, vielleicht um das Maschinenvermögen zu hoch oder zu niedrig zu bewerten. Die Folge wäre eine falsche Angabe in der Bilanz.

    Solche Bewertungen sind in der Praxis natürlich immer sehr schwer durchzuführen, da auch Stichproben nicht alle Fälle von Manipulationen aufdecken können. Allerdings zeigt die Praxis, dass sie in Zusammenhang mit anderen Instrumenten eine hohe Trefferquote haben, wenn die Methoden von den Prüfern auch immer benutzt werden. Professor Jörg Baetge vom Institut für Wirtschaftsprüfung und Revisionswesen der Universität Münster:

    Sie denken einmal an den Fall Flowtex, dann war das ja so, dass hier Umsätze mit nicht vorhandenen Maschinen generiert wurden und hier wäre eigentlich die Frage, passt eigentlich die Relation von Forderungen zum Umsatz zu dieser Geschäftsart, da hätte man vielleicht darauf stoßen können. Lassen Sie mich noch mal zu dem anderen Fall, zu Comroad zurückkommen. Es gibt eigentlich eine normale Methode, nämlich der Saldenbestätigungen bzw. der Transaktionsbestätigungen, dass man sich, wenn Geschäfte mit Außenstehenden getätigt werden, dass man sich beim Geschäftspartner des Unternehmens eine Bestätigung holt, ob dieser Geschäftsvorfall und wie dieser Geschäftsvorfall gelaufen ist. Dann gibt es in diesem Zusammenhang noch eine andere Überlegung Wenn nämlich ein Großkunde da ist, dass man sich über diesen Großkunden auch Informationen beschafft, wenn dieser Großkunde beispielsweise nicht existieren würde, in Konkurs geht, auch das Unternehmen in große Schwierigkeiten kommt, das gerade geprüft wird, dann hätte man bei einer Nachprüfung bei diesem Großkunden, den es dann gar nicht gab, dann hätte man festgestellt: Ah, den gibt’s gar nicht. Dann wäre die Sache erledigt gewesen.

    Wenn allerdings ein fremdes Unternehmen oder eine Scheinfirma gemeinsame Sache mit dem geprüften Unternehmen machen und zum Beispiel eine Saldenbestätigung für richtig ausgeben, dann werden auch Wirtschaftsprüfer große Probleme haben, diese Fälschung aufzudecken. Kriminelle Handlungen insbesondere von leitenden Angestellten oder vom Vorstand selbst sind immer sehr schwer festzustellen, da diese auch die Arbeitsweise der Wirtschaftsprüfer kennen, was den Betrug erleichtert.

    Daher soll ein anderes Verfassungsorgan der Aktiengesellschaft dem Vorstand genauer auf die Finger schauen: der Aufsichtsrat. Welche Aufgaben der Aufsichtsrat hat, dazu Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz:

    Der Aufsichtsrat diskutiert über die Strategie des Unternehmens, über die Planung des Unternehmens. In der Planung wird dann speziell gesagt, wir haben vor in dem Bereich XY folgende Summen zu investieren, d.h. eventuell neue Grundstück, neues Immobilien darauf bauen, eventuell neue Maschinen etc. Das gibt der Vorstand dem Aufsichtsrat vorab zur Kenntnis, rechnet die Rentabilität aus. Und wenn er dazu die Genehmigung des Aufsichtsrats bekommt, dann kann er das durchführen. Und dann kontrolliert der Aufsichtsrat aber immer nur noch die Ist-Situation. Er hat die Soll-Zahlen, was da raus kommen soll. Er bekommt dann Monat für Monat die Ist-Zahlen. Er prüft dann die behauptete Rentabilität, die behauptete Kostenstruktur, und greift dann ein, wenn sie abweicht von der Planung.

    Der Aufsichtsrat erhält natürlich manchmal auch Informationen aus dem Unternehmen selbst, zum Beispiel auch von Mitarbeitern, denen Unregelmäßigkeiten aufgefallen sind. Die Aufgabe des Aufsichtsrates ist es dann, diesen Hinweisen nachzugehen. Wenn sie gravierend sind, dann ist auch eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung einzuberufen. Wie schwierig Kontrolle ist, hat auch Dorothea Grimm erfahren, die als Gewerkschafterin in den Aufsichtsrat der ehemaligen AEG berufen wurde:

    Die Gesetzgebung sagt ja, man kann bis zu vier Aufsichtsratsitzungen abhalten. Die Unternehmungen, die ich kenne und in denen ich auch schon einmal drin war, sind alles Unternehmungen, die im Jahr zwei Sitzungen machten. Das ist meines Erachtens eigentlich zu wenig. Und noch schwieriger wird es, wenn Sie etwas absegnen müssen, zum Beispiel die gesamte Bilanz. Auch diese Bilanzen sind durch den Finanzvorstand in Frankfurt detailliert dargestellt worden, das ist auch kompetent, verständlich vorgetragen worden. Aber manche Dinge habe ich nicht verstanden, da bin ich ganz ehrlich. Das hat sich erst im Laufe der Jahre entwickelt. Und wenn ich später in die anderen Aufsichtsräte kam, als die Hausgeräte als hundertprozentige Tochter an Elektrolux verkauft wurden, dann war das nur noch ein kleinerer Bereich. Denn dann ging es ja nur noch um die Hausgeräte, und das war etwas, von dem ich etwas verstand. Und da kannte man alle Gesprächspartner. Und das war natürlich einfacher.

    Gute Kenntnisse des Betriebs und ein guter Draht auch zu führenden Mitarbeitern können die Aufsichtsratstätigkeit natürlich erheblich vereinfachen. Bei Unregelmäßigkeiten sind auch ehemalige Mitarbeiter eine gute Quelle für Informationen, die der Aufsichtsrat dann nutzen kann, um Betrug und Täuschungen zu entdecken, vorausgesetzt, der Aufsichtsrat beobachtet kritisch das Management.

    Das schien bei Babcock Borsig in Oberhausen wohl nicht der Fall gewesen zu sein, wie eine Zeitung im Juli 2002 berichtete. Der Aufsichtsrat, so teilte die Meldung mit, habe sich von dem Chef des Oberhausener Maschinenbauers täuschen und beeindrucken lassen. Mittlerweile ist Babcock Borsig in der Insolvenz. Horst Piepenburg, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter bei Babcock Borsig über die Gründe:

    Die Ursachen für die Krise liegen tiefer und länger zurück, nämlich insbesondere in der Tatsache begründet, dass das Unternehmen immer Liquidität brauchte, sie nur aus den großen Aufträgen generieren konnte, insofern immer früh Anzahlungen aus Großaufträgen verarbeitet hat und wenn hinten die Ergebnisse nicht kamen, dann fehlten die Schlusszahlungen, gleichzeitig gab es aber eine Bugwelle von Verbindlichkeiten, die eigentlich nur durch Sondereffekt abgebaut werden konnten. Diese Sondereffekte hätten zum Beispiel aus Verkauf von HDW-Anteilen geregelt werden müssen, da aber dort kaum Liquidität floss, konnte man diese Bugwelle nicht beseitigen. Und da andere Sondereffekte nicht zur Verfügung standen, musste das Unternehmen in die Insolvenz.

    Betrachtet man den Fall von Babcock Borsig, dann stellt sich die Frage, ob der Aufsichtsrat diese Entwicklung hätte voraussehen können. Diese Insolvenz belegt wieder einmal, wie wichtig es ist, Aufsichtsräte zu haben, die immer eine kritische Distanz zum Vorstand wahren. Möglicherweise ist diese Distanz bei Babcock Borsig nicht aufrechterhalten worden. Ob der Aufsichtsrat fahrlässig handelte und die Geschäftsführung zu wohlwollend kontrollierte, das muss noch geklärt werden. Zur Rolle der Aufsichtsräte generell meint Horst Piepenburg:

    Zumindest ist es wichtig, dass dieses sich gegenseitig kontrollieren – der eine sitzt im Aufsichtsrat des anderen – das darf es eigentlich nicht geben. Zweites großes Problem ist immer die Frage: Ist es eigentlich sinnvoll, dass der ausscheidende Vorstandsvorsitzende der nächste Aufsichtsratsvorsitzende wird? Denn irgendwo bestätigt er wahrscheinlich als Aufsichtsratsvorsitzender seine Unternehmenspolitik. Ich glaube, das ist aber personenabhängig und einzelunternehmensabhängig ist, ob das nun sinnvoll ist oder nicht. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man die Möglichkeiten des Aufsichtsrates sich zu informieren, erhöht. Es muss die ständige Zugriffsmöglichkeit auf Informationen bestehen. Das ist aber dann wieder in Richtung eines Fulltimejobs für Aufsichtsräte. Dann stellt sich gleich wieder die Frage: Wie werden denn die vergütet? Das ist alles noch in der Diskussion. Das ist aber alles noch nicht andiskutiert, dass man die Aufsichtsräte viel besser bezahlen muss. Wenn man qualifizierte, kritische, hinterfragende, skeptische Aufsichtsräte haben will, dann muss man sie auch entsprechend bezahlen.

    Dass Aufsichtsräte nicht immer fachkundig sind und sich auch nicht bemühen, sich Kenntnisse über Kostenmanagement, Bilanzanalyse oder Unternehmensführung anzueignen, darüber gibt es zahlreiche Anekdoten. Manche Aufsichtsräte kommen unvorbereitet in die Sitzungen und akzeptieren einfach das, was der Vorstand vorträgt. Oder Aufsichtsräte erkundigen sich vorher beim Vorstand, ob es etwas Besonderes zu besprechen gebe, was beweist, dass mancher Aufsichtsrat den Geschäftsverlauf und die Geschäftspolitik nicht kennt oder keine Lust hat, sich damit auseinander zu setzen.

    Daher ist es wichtig, in Zukunft die Fachkompetenz der Aufsichtsräte noch mehr im Auge zu behalten. Darüber hinaus muss ihnen aber auch die Möglichkeit geboten werden, die Geschäftsführung besser zu kontrollieren. Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz:

    Die Aufgaben des Aufsichtsrates sind zwei in erster Linie: Aufsicht zu führen und Ratschläge zu geben. Die Geschäftsführung macht der Vorstand zusammen mit den leitenden Damen und Herren im Unternehmen. Das Problem war immer: Der Vorstand soll kontrolliert werden durch den Aufsichtsrat und der Vorstand gibt dem Aufsichtsrat die Informationen. Wenn der Vorstand unlauter handelt, salopp gesagt, ein "Krummer Hund" ist, kann er den Aufsichtsrat falsch informieren. Jetzt ist es aber in der Zwischenzeit so, dass es mehr und mehr Ausschüsse gibt und hier speziell ein Audit-Komitee. Das Audit-Komitee kontrolliert die Zahlen und hat auch mehr oder weniger die Möglichkeit des Zugriffs auf die Controlling-Abteilung, auf die Revisionsabteilung und kann sich dort, am Vorstand vorbei, Informationen holen, so dass eine Kontrolle der Aussagen des Vorstandes leichter möglich ist.

    Neben der Verbesserung der Informationsmöglichkeit der Aufsichtsräte soll auch die Arbeit der Wirtschaftsprüfer gestärkt werden; darüber hinaus sollen auch die Bilanzierungstricks zumindest durchschaubarer werden. Insbesondere aufgrund der international unterschiedlichen Vorschriften ist dies notwendig. So gibt es in den USA Wahlrechte für immaterielle Produkte wie zum Beispiel Software, die so in Deutschland nicht existieren. In den USA können diese Vermögensgegenstände bilanziert werden oder auch nicht. Werden sie nicht bilanziert, dann weiß der Bilanzleser oft nicht, in welche Bereiche Geld geflossen ist. Wüsste er dies, würde er möglicherweise keine Aktien dieses Unternehmens kaufen.

    Daher wird auch in Deutschland versucht, durch Geschäftsführungsrichtlinien, einem so genannten "corporate governance"-Kodex Aktiengesellschaften auf eine gemeinsame kaufmännische Grundhaltung zu verpflichten. In Deutschland ist das die "Cromme-Kommission", die unter anderem fordert, dass die Gehälter der Vorstände einzeln in der Bilanz ausgewiesen werden sollen. In dieser Kommission werden zahlreiche andere Überlegungen angestellt, so natürlich auch über mehr Transparenz der Unternehmen.

    Professor Jörg Baetge aus Münster arbeitet auch in dieser Kommission - und er befürwortet sie. Als Bilanzexperte liegt ihm vor allem daran, dass der Bilanzleser besser informiert wird über die Bilanzpolitik eines Unternehmens.

    Ich gehöre einer Arbeitsgruppe an, wo wir Verbesserungen für den "corporate governance"-Kodex gemacht haben. Wir haben vorgeschlagen, dass in diesem Kodex aufgenommen wird, dass die Vorstände in ihren Geschäftsberichten, wenn sie ihr Rechenwerk zum Beispiel in den Annahmen, zum Beispiel in den Bewertungsmethoden, aber auch in ihren Ermessensspielräumen, aber auch in ihrer Bilanzpolitik im Vergleich zum Vorjahr ändern, dass sie die Auswirkungen dieser Änderung im Geschäftsbericht in einem eigenen Abschnitt angeben müssen, das heißt eigentlich, dass sie ihre eigene Bilanzpolitik, die sie gerne verschleiern möchten, offen legen müssen. Wenn der deutsche "corporate governance"-Kodex diese Regeln aufnehmen würde, hätte das den Vorteil, dass der Abschlussleser mit dieser Information mehr anfangen kann, insbesondere wenn der Vorstand sich diesen Regeln unterwirft und in einem solchen Geschäftsbericht könnte dann in dem eigenen Abschnitt die Bilanzpolitik leichter identifizieren und sehen, ob ihm ein X für ein U vorgemacht werden soll.

    Die zahlreichen Bewertungsvorschriften, die es im deutschen und internationalen Recht gibt, lassen den Vorständen viele Möglichkeiten, die Bilanz so zu gestalten, wie es ihren Interessen entspricht. So hat auch die Deutsche Telekom, nach dem Ron Sommer den Vorstandssitz verlassen hatte, Wertberichtigungen in der Bilanz vorgenommen, die man vorher offenbar nicht gesehen hatte. In der Bilanz hatten sich auf diese Weise plötzlich rund 20 Milliarden Euro verflüchtigt, Werte von Tochterunternehmen und Mobilfunklizenzen. Diese rechtlich korrekten Gestaltungsmöglichkeiten in der Bilanz bleiben dem normalen Bilanzleser jedoch meist verborgen und sind manchmal auch nicht durch eine gründliche Bilanzanalyse zu entdecken.

    Für mehr Transparenz in der Bilanzpolitik zu sorgen, ist daher ein sehr wichtiger Schritt, um Manipulationen der Vorstände zu erschweren. Darüber hinaus sind die derzeitigen Diskussionen um die Erweiterung des deutschen "corporate governance"-Kodex ebenfalls von großer Bedeutung, die auch darauf zielen, die Kontrolle der Vorstände durch die Aufsichtsräte zu verbessern. Diese Vorhaben sind unverzichtbar. Denn immer mehr Menschen sind auch auf die Kapitalmärkte angewiesen, um sich für das Alter finanziell abzusichern. Aber selbst mit noch so ausgeklügelten Methoden wird es immer wieder Vorstände und leitende Angestellte geben, die mit krimineller Energie einen Weg finden, das Unternehmen zu betrügen.