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Kontrolle chinesischer Investoren geplant
Droht der Ausverkauf deutscher Unternehmen?

Chinesische Unternehmen seien finanzstark, sagte Wirtschaftsexperte Markus Taube im Dlf. Verkäufe an solche Investoren sollte es weiterhin geben. Wenn es alternative Anbieter gäbe, seien nationale Sicherheitsinteressen nicht betroffen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass deutsches Know-How abfließe.

Markus Taube im Gespräch mit Silke Hahne | 07.08.2018
    Ein Arbeiter hantiert in einer Halle an einem orangefarbenen Kuka-Roboter, daneben stehen weitere Roboter der gleichen Bauart.
    Der Verkauf des Roboterherstellers Kuka an den chinesischen Midea-Konzern sorgte vor zwei Jahren für heftige Diskussionen (Karl-Josef Hildenbrand / dpa )
    Silke Hahne: Geht es nach dem Wirtschaftsministerium, dann darf der Staat bald schon schneller eingreifen, wenn ein ausländischer Investor sich bei deutschen Firmen einkauft, und zwar bei Beteiligungen von 15 statt wie bisher 25 Prozent. Dafür soll laut Wirtschaftsminister Peter Altmeier die Außenwirtschaftsverordnung angepasst werden, das sagte er der Zeitung 'Die Welt'. Es ist schon die zweite Verschärfung dieser Verordnung in zwei Jahren. Einer der ersten Anlässe dafür war der Verkauf des Augsburger Roboterherstellers Kuka an den chinesischen Midea-Konzern. Der schreckte vor ziemlich genau zwei Jahren die Öffentlichkeit auf. Darüber und über das seither neue Verhältnis der Bundesregierung zu chinesischen Geldern konnte ich vor der Sendung mit Markus Taube sprechen, Inhaber des Lehrstuhls für Ostasienwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen. Als erstes habe ich ihn gefragt: Eine Übernahme wie die von Kuka, wäre die heute überhaupt noch vorstellbar?
    Markus Taube: Ich denke, die Übernahme, wie wir sie gesehen haben von KUKA durch Midea war ein Beispiel für eine Transaktion, wie wir sie seitdem auch durchaus ein paar Mal noch gesehen haben und, wie ich denke, wir sie in Zukunft auch wieder sehen werden. Wir haben hier einfach eine Reihe von chinesischen Unternehmen, die prall gefüllte Kriegskassen haben, das heißt, sie sind finanziell sehr gut aufgestellt. Das sind alles Unternehmen, die sehr aktiv, sehr proaktiv unterwegs sind, um ihre Geschäftsmodelle aufzuwerten, das heißt, höhere Gewinnmargen zu realisieren und letztlich natürlich auch die zentralstaatlich festgelegten Zielvorgaben in Richtung neuer Zukunftstechnologien voranzuschreiten. Deutsche Unternehmen, gerade deutsche Mittelständler, haben hier einiges zu bieten, insbesondere auf der technologischen Seite, auf der Ebene von Bekanntheitswerten et cetera. Und insofern es mittelständische Unternehmen sind, ist oftmals die Möglichkeit der Übernahme vergleichsweise einfach gegeben.
    Hahne: Und glauben Sie, es wäre auch von deutscher Seite her noch mal so, dass die Politik dem zustimmen würde? Denn Kuka war ja so ein bisschen das erste öffentliche Aufregerbeispiel, wenn ich das mal so salopp zusammenfassen darf.
    Taube: Mit dem Kuka-Verkauf floss nicht alles Know-How ab
    Taube: Ja, ist vollkommen richtig. Folgender Punkt: Ich meine, Deutschland hat bislang ja eine Gesetzgebung gehabt, die staatliche Eingriffe in Übernahmen von Unternehmen fast nicht möglich gemacht hat. Der Hintergrund ist ganz einfach der, dass derartige staatliche Eingriffe ja immer Eingriffe in private Eigentumsrechte sind. Tatsächlich sehen wir ja auch, dass chinesische Investoren in Deutschland tatsächlich ein Premium zahlen, das heißt, die Angebote aus China liegen zehn, 20, 30 Prozent über dem, was sonst auf dem Markt für einzelne Unternehmen zu bekommen wäre. Also durchaus attraktiv. Das ist natürlich das einzelwirtschaftliche Kalkül der Eigentümer. Dem steht gegenüber das nationale oder das gesamtwirtschaftliche Kalkül, und darum muss die Bundesregierung aktiv werden, wo wir sagen, okay, wenn hier in größerem Maßstab deutsches Know-how, deutsche Unternehmen nach China verkauft werden, also nicht weltweit gestreut, sondern an einen bestimmten Akteur, der dazu noch nicht mal unsere marktwirtschaftlichen Ordnungsprinzipien vertritt, der einen anderen Wertekonsens pflegt, dann wird es eben kritisch, wo wir sagen müssen, kommt es hier zu einem Ausverkauf von unseren Unternehmen? Verkaufen wir hier unser Tafelsilber und können das dann irgendwann nicht wieder zurückholen? Im Fall von Kuka, glaube ich, war es durchaus so, dass hier noch andere alternative Anbieter in Deutschland vorhanden sind, die ebenfalls sehr gut aufgestellt sind. Das heißt, hier ist jetzt nicht das einzige Unternehmen, das diese Kompetenz besitzt, ins Ausland gegangen, sondern es bleibt noch ein Restbestand von exzellentem Know-how in Deutschland bestehen.
    Hahne: Insofern also kein sicherheitsrelevanter Verkauf. Dennoch hat die deutsche Politik seitdem ja gehörig ihre Einstellung zu chinesischen Investoren verändert oder ist zumindest aktiver geworden, als sie das früher war. Beispiele aus der wirklich jüngsten Vergangenheit: Ein Anteilskauf beim Stromnetzbetreiber 50Hertz hat die Regierung verhindert, den Verkauf des Maschinenbauers Leifeld vorsorglich untersagt, obwohl sich da der Investor schon vorab zurückgezogen hat, weil er schon gemerkt hat, daraus wird wohl nichts. Sind das die richtigen Instrumente?
    Taube: Es ist sehr schwierig. Ich denke, gerade bei 50Hertz war es ein ganz klarer Fall. Hier waren wirklich nationale Sicherheitsinteressen betroffen, bei Leifeld ganz ähnlich, dass hier einfach Kern-Know-how bei einer ganz bestimmten Nische abgeflossen wäre. Dessen ungeachtet müssen wir uns frei nach Nietzsche natürlich überlegen, ob wir uns im Kampf gegen eine unseren Wertevorstellungen nicht entsprechende Macht dann nicht in ein ebensolches in Anführungszeichen "Ungeheuer" verwandeln, das heißt, dass wir jetzt hier chinesisch werden und ebenfalls mit nicht marktwirtschaftlichen Instrumenten agieren.
    Mit China "gemeinsam die regelbasierte Weltordnung zu stärken"
    Hahne: Und ja auch nicht nur nicht chinesisch werden, sondern momentan könnte man ja fast auch sagen, nicht amerikanisch werden. Denn im Handelsstreit kämpfen gerade diese beiden Großmächte in diesem Handelsstreit mit den USA zeigt China momentan auch durchaus Zähne. Zölle werden mit Gegenzöllen vergolten. Droht Deutschland so ein Szenario auch in Investitionsfragen, wenn jetzt immer häufiger die Regierung den Riegel vorschiebt?
    Taube: Wir müssen hier sehr vorsichtig sein. Was momentan hier passiert, ist wirklich einzigartig in der jüngeren Geschichte. Die Trump-Administration verabschiedet sich von internationalen Abkommen, sie bricht sie einseitig. Sie steigt aus diesem Regelkonsens aus, den wir gefunden hatten und dem faktisch übrigens auch China die letzten 20 Jahre weitestgehend gefolgt ist. Das heißt, der destruktive Part ist momentan auf US-amerikanischer Seite, und da kann man tatsächlich überlegen, inwiefern Deutschland und China hier nicht teilweise an einem Strang ziehen, um hier gemeinsam die regelbasierte Weltordnung zu stärken. Das ist definitiv im Interesse Chinas, und es muss im Interesse Deutschlands sein.
    Hahne: Wäre es vor dem Hintergrund dann nicht auch klüger, chinesische Direktinvestitionen in Deutschland weiter in größerem Umfang zuzulassen?
    "Wo sind nationale Interessen"
    Taube: Der Punkt ist ja tatsächlich der: Es kommen weitere Direktinvestitionen aus China herein, wir laufen ja nicht auf null. Sondern wir haben einfach jetzt gesehen, dass die deutsche Regierung einfach sehr viel genauer hinschaut und überlegt, was wird hier feilgeboten, was geben wir raus. Und dass hier jetzt etwas genauer geprüft wird, wo sind nationale Interessen, wo kann es zu Überabhängigkeiten kommen, und wo sind die chinesischen Angebote nicht vollständig marktorientiert. Denn auch das müssen wir natürlich immer im Hinterkopf haben, chinesische Unternehmen sind eingebunden in einen sehr speziellen Staatskapitalismus, in dem Regierung, Partei und Unternehmer kollusiv miteinander handeln. Das heißt, wir haben hier auf der chinesischen Seite oftmals Unternehmen, wo die Grenze zwischen Staat und Unternehmen verschwinden. Und wenn dann Unternehmen aufgekauft werden und wir sehen, da ist der chinesische Staat mit dabei, der seine eigenen Ziele verfolgt, und die sind nun nicht unbedingt auch immer voll in unserem Interesse, dann müssen wir natürlich etwas vorsichtiger sein.
    Hahne: Das heißt, es bleibt eine schwierige Balance oder eine Einzelfallprüfung?
    Taube: Es bleibt eine sehr schwierige Balance. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Jahren weiterhin eine erhebliche Anzahl von Übernahmen in Deutschland sehen werden, dass aber seitens der deutschen Regierung sehr viel genauer geschaut wird, wo die deutschen Interessen liegen, und dann eben auch tatsächlich eingegriffen wird in die Eigentumsrechte deutscher Unternehmer und ihnen verboten wird, ihre Unternehmen nach China zu verkaufen, auch wenn das mit finanziellen Einbußen dann einhergehen würde.
    Hahne: Die Regierung prüft ja auch eine Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes aktuell, um auch Anteilskäufe von weniger als einem Viertel künftig vielleicht untersagen zu können. Wie stehen Sie dazu? Ist das zu streng, oder ist das in dem Kontext genau das Richtige?
    Taube: Ich sehe es auf der einen Seite als eine symbolische Maßnahme. Auf der anderen Seite haben wir mit 25 Prozent Anteil ja durchaus schon die Möglichkeit, Unternehmensentwicklungen zu steuern und hier Einfluss zu nehmen. Von daher halte ich es für eine sinnvolle Maßnahme, ja.