"Hören Sie bloß auf, das ist ja das letzte, nein. Ich kaufe im Moment kein Fleisch, nein. Mir ist der Appetit vergangen. Ich esse kein Fleisch mehr. Ich hoffe, dass ich gutes Fleisch abkriege. Wer weiß, was in anderen Gefriertruhen noch so rumdümpelt."
Reaktionen nach dem jüngsten Fleischskandal in Bayern. Verständlich, sagt der Europaparlamentarier von Bündnis 90/Die Grünen, Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf.
"Die Verbraucher und Verbraucherinnen reagieren mit Zurückhaltung. Zu Recht, und das trifft natürlich auch die Erzeuger, weil der Preisdruck nach unten weitergegeben wird."
Fleischskandale in Deutschland sind längst eine unendliche Geschichte. Man braucht dabei nicht erst beim BSE-Skandal zu beginnen. Allein im letzten Jahr fand man Schlachtabfälle in Bayern, die zu Lebensmitteln umdeklariert worden waren, dann tonnenweise überlagertes Fleisch in Gelsenkirchen und in Troisdorf. Beim jüngsten Skandal in Bayern sollen es etwa 160 Tonnen sein. In dieser Woche tauchen täglich neue Mengen an Gammelfleisch auf: in Frankfurt am Main, im nordrhein-westfälischen Heinsberg oder in Stuttgart. Gammelfleisch aus Bayern wurde auch zu Dönern verarbeitet. Das Verfallsdatum soll zum Teil schon seit drei Jahren überschritten gewesen sein.
Selbst in die Europäische Union hat man anscheinend überlagertes Fleisch geliefert. Wie viel Gammelfleisch insgesamt auf dem Markt gekommen ist, weiß man bisher noch nicht. Sicher ist nur, dass zwölf Bundesländer und sieben europäische Staaten Fleisch aus Bayern erhalten haben. Ein Gewinnspiel, bei dem viele mitmachen, meint Graefe zu Baringdorf.
"Das ist auch das ökonomische Interesse in der Anonymität der Endabnehmer, auch die kriegen das Fleisch billiger geliefert. Den Schnitt machen nicht nur der Lieferant oder der Großhändler, den Schnitt machen auch diejenigen, die meinen, sie könnten billig einkaufen. Hier muss es ein Interesse geben, dass die Endverkäufer sich ausweisen, woher sie die Produkte für Fleisch bezogen haben. Sie müssten ein Interesse haben, dieses auch den Kunden zu sagen."
Es ist ein Spiel mit dem Feuer und der Gesundheit der Verbraucher. Denn Fleisch ist ein hoch verderbliches Lebensmittel. Wenn es nicht mehr frisch ist, kann man es sehen, riechen und auch schmecken. Verdorbenes Fleisch stinkt, die Farbe ist grünlich und das Fett ist ranzig. Was im Innern genau passiert, prüft Barbara Tschirdewahn, Stellvertretende Leiterin des Chemischen Landes- und Staatlichen Veterinäruntersuchungsamtes in Münster anhand der Proben im Labor:
"Das finden wir heraus durch eine mikrobiologische Untersuchung. Damit wir sehen, wie viele Bakterien drin sind. Und dann kann ich hinterher sehen, hier wachsen Pseudomonaden, hier wachsen Enterobakteriozeen, hier wachsen Staphylokokken, also es gibt ein großes, großes Spektrum, was ich dann untersuchen und sehen kann."
Auch frisches Fleisch kann Bakterien enthalten. Wie viele Bakterien die Gesundheit allerdings gefährden, ist unterschiedlich. So können zum Beispiel schon wenige hundert Salmonellen ausreichen. Bei Staphylokokken sind es vielleicht erst 100.000 Keime. Es hängt von der Art und der Dosis der Bakterien ab, wenn Menschen daran erkranken, erläutert Professor Hans-Ulrich Humpf vom Institut für Lebensmittelchemie der Universität Münster:
"Die machen beim Menschen die typischen Symptome, die man kennt, vielleicht Erbrechen und Durchfall. Es kann bei einigen speziellen Bakterien zu Nierenversagen kommen. Es gibt dann schon eine sehr gefährliche Geschichte."
Bakterien im Fleisch sind unter anderem eine Folge der Schlachtung. Im Darm der Tiere sind nicht nur Salmonellen vorhanden. Ein Problem, über das Humanmediziner berichten, sind Campylobaktererkrankungen. Campylobakter sind Bakterien, die wie die Salmonellen den Darm von Tieren besiedeln. Barbara Tschirdewahn:
"Hat auch mit Fleisch zu tun, kommt vor allem beim Geflügelfleisch vor. Ich brauche aber nur kleine Mengen, um daran zu erkranken. Unser Problem ist häufig, dass er eine sehr lange Inkubationszeit hat von elf Tagen und wir Proben dann nicht mehr zeitnah genug kriegen. Woran erinnern Sie sich, was sie vor elf Tagen gegessen haben? Das ist das Problem, das im Labor immer nachzuvollziehen. Aber es wird beobachtet einfach bei der Humanmedizin, dass er zunimmt, woran das liegt, ist bisher nicht wirklich geklärt."
Deshalb muss man mit Fleisch sorgsam umgehen. Es muss nach der Schlachtung in einer lückenlosen Kühlkette vom Schlachthof bis in die Ladentheke frisch gehalten werden. Bei der Kühlung können sich Bakterien nicht vermehren. Ohne Kühlung kann Fleisch schon vier bis fünf Tage nach der Schlachtung verdorben sein. Auf keinen Fall darf Fleisch in den Verkehr kommen, dessen verfärbte und damit verdorbenen Teile einfach nur abgeschnitten wurden.
Fleisch wird regelmäßig kontrolliert. Allerdings entfallen von allen Lebensmittelkontrollen nur 22 Prozent auf Fleisch. Im letzten Jahr waren etwa 30 Prozent aller Proben mangelhaft. 15 Prozent davon enthielten Bakterien, die gesundheitsschädlich sein können. Eine immer höhere Anforderung an die Kontrolleure stellt gewürztes Fleisch. Veterinäre vor Ort sprechen da von einem ungeheuren Markt, nicht nur bei den Dönern. Der Bundesverband der Fleischwarenindustrie konnte dennoch keine Zahlen nennen. Weil, so wörtlich, diese Zubereitung teilweise erst in den Vorbereitungsräumen der Einzelhandelsgeschäfte erfolgt. Unter Paprika und Knoblauch noch zu riechen, ob Fleisch verdorben ist, bedeutet für jeden Prüfer eine echte Herausforderung. Erst recht für den Verbraucher, weiß Barbara Tschirdewahn:
"Wir gehen dann bei uns im Labor so vor, dass wir dieses erst mal abstreifen und sogar abwaschen. Was dann hilft, ist Erhitzen, wir machen dann Koch- oder Bratproben, um zu gucken, ob vielleicht ganz schwache Geruchsabweichungen beim Erwärmen dann deutlicher hervortreten."
Geprüft wird anhand von Stichproben, weil eine flächendeckende Kontrolle nicht vorgesehen ist. Der Plan ist starr, das Kontrollnetz weitmaschig. Zwar kommen die Prüfer immer unangemeldet. Aber die kontrollierten Betriebe wissen genau, was eine so genannte risikoorientierte Kontrolle ist, nach der Ernst Jütting vom Veterinäramt des schleswig-holsteinischen Kreises Nordfriesland vorgehen muss:
"Das allerwichtigste ist die Vorgeschichte, ob es in der Vorgeschichte schon Beanstandungen gegeben hat. Ein weiteres Kriterium ist der bauliche Zustand des Betriebes und unser Eindruck von den fachlichen Kenntnissen der Verantwortlichen. Auf dieser Basis wird eine Risikobeurteilung durchgeführt. Und das führt zu einer unterschiedlichen Frequenz an Plankontrollen. Das bedeutet, einer, der nicht so gut wegkommt, wird häufiger besucht, ein Betrieb, der vorbildlich geführt wird, wird weniger besucht."
Der neue Fleischskandal in Bayern hat gezeigt, dass sich diese risikoorientierte Kontrolle nicht bewährt hat. Wie Martin Müller, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure heute sagte, wird gerade mal die Hälfte aller Betriebe kontrolliert. Die Kontrollen scheinen deshalb das vorrangige Problem zu sein. Jedenfalls sieht es so aus, wenn man die politischen Reaktionen der letzten Woche betrachtet. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer schlug in Berlin kräftig auf den Tisch. Und er scheute sich nicht, die Missstände in Bayern bei den Fleischkontrollen anzuprangern, obwohl der dortige Landwirtschaftsminister Werner Schnappauf ein enger Parteikollege in der CSU ist.
"Ich bemühe mich seit Monaten, weil die Länder dafür ja zuständig sind, dass diese Wirksamkeit erhöht wird. Aber leider Gottes, Bayern hat es abgelehnt, dass der Bund hier mitberatend tätig ist."
Auch der rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsident Kurt Beck nahm kein Blatt vor den Mund:
"Das ist wirklich ein empörender Prozess. Man kann nur sagen, das ist die Brunnenvergifterei unserer Tage. Dafür kann es auch kein Pardon geben. Denn altes Fleisch umzuetikettieren, und Menschen, die davon nichts wissen können, als Lebensmittel auf den Tisch zu bringen, das ist eines der übelsten Formen, verbrecherisch tätig zu sein."
Die markigen Worte von Kurt Beck änderten nichts daran, dass die Bundesländer sich wehrten. Gerade erst durch die jüngst verabschiedete Föderalismusreform gestärkt, war die Bereitschaft von Werner Schnappauf und seinen Kollegen gering, das Bundesverbraucherministerium als oberste Kontrollbehörde anzuerkennen.
"Bayern und alle anderen Länder sind von Anfang an völlig offen für die Koordinierung durch den Bund. Das ist sinnvoll und nach unserer Meinung auch notwendig. Auch gemeinsame Qualitätsstandards sind sinnvoll und notwendig. Aber wir brauchen keine Kontrolle der Länder, keine Kontrolle von Seiten des Bundes."
Doch Seehofer wollte mehr. Ihm ist klar, dass die Kontrollpraxis, auch wenn sie wie in Deutschland auf Länderebene passiert, dem globalen Fleischmarkt entsprechen muss. Fleisch kommt längst nicht mehr nur aus Deutschland und Europa, auch aus Argentinien, den USA und China, wobei allerdings China der größte Fleischproduzent der Welt ist. Landwirtschaftsstaatssekretär Gert Lindemann:
"Da geht es darum, ein Qualitätshandbuch für die Lebensmittelüberwachungsbehörden in Deutschland zu entwerfen, welches dann auf der Grundlage EU-rechtlicher und internationaler Normen einheitlich anzuwendende Qualitätsstandards für die Lebensmittelüberwachung beschreiben soll."
Die politische Debatte um die Effektivität der Kontrollen und die Kompetenzen von Bund und Ländern ist nicht das, was die Verbraucherschützer interessiert. Sie wollen endlich Taten sehen. Wichtiger als ein Qualitätshandbuch für die Lebensmittelkontrollen ist ihnen ein wirksames Verbraucherinformationsgesetz. Schon Renate Künast hatte in ihrer Zeit als Bundeslandwirtschaftsministerin versucht, es auf den Weg zu bringen, als Teil der Agrarwende, die sauberes Fleisch auf dem Teller garantieren sollte.
"Wir werden dafür Sorge tragen, dass es vom Stall über die Verarbeitung bis zur Ladentheke eine gläserne Produktion gibt. Und wir werden dazu notfalls auch die Strafen erhöhen."
Inzwischen gibt es ein Verbraucherinformationsgesetz - trotz der Widerstände der Länder, vor allem aus Bayern, das ganze fünf Jahre auf Heftigste dagegen gekämpft hat. Nach dem Gesetz sollen Ross und Reiter bei Verstößen namentlich genannt werden. Doch mit dem Entwurf, der bereits vom Bundestag verabschiedet ist und am 22. September im Bundesrat beraten werden soll, ist Thilo Bode, Chef der Verbraucherorganisation Foodwatch, so gar nicht zufrieden. In einer Diskussionsrunde mit Horst Seehofer im Bayerischen Fernsehen machte er auf Mängel aufmerksam:
"Wenn wir jetzt das neue Gesetz hätten, das Sie im Bundesrat verabschieden wollen, und es würde der Münchner Fall auftreten, dann hätten die Behörden keine Verpflichtung und keine Ermächtigung, sofort die Namen der Hersteller und der Abnehmer zu nennen und auch nicht die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen. Und das ist das entscheidende Problem. Das können Sie nur, wenn Rechtsverstöße festgestellt werden. Und die werden nur festgestellt, wenn ein Gericht entschieden hat und wenn Sie gegen einen Bußgeldbescheid nicht Einspruch erhoben haben."
Im Gegensatz dazu steht die Kontrollpraxis in Dänemark. Das Land hängt stark vom Export ab. Verstöße im Lebensmittelbereich können und wollen die Dänen sich nicht leisten. Deshalb gibt es seit mehr als einem Jahr bereits transparente Kontrollen - und zwar nicht nur nach Stichproben. Jeder Betrieb wird regelmäßig geprüft, der Supermarkt ebenso wie der türkische Gemüsehändler, der Schlachthof genauso wie die Hotdog-Bude, Mc Donald's ebenso wie Aldi. Das Ergebnis ist für jeden Verbraucher leicht abzulesen. Am Geschäft prangt deutlich sichtbar ein gelber Smiley. Lächelt er übers ganze Gesicht, ist alles in Ordnung. Weisen die Mundwinkel traurig nach unten, dann gab es Mängel. Und die Prüfer kommen wieder, sehr bald sogar. Alle Angaben werden im Internet veröffentlicht. Diese Transparenz gibt es in Deutschland tatsächlich nicht.
Trotzdem soll jetzt in Deutschland alles besser werden, jedenfalls nach der ersten gemeinsamen Sitzung von Bundes- und Landesverbraucherministern am Donnerstag letzter Woche in Berlin. Qualitätsstandards sollen bundesweit vereinheitlicht werden. Namen von schwarzen Schafen will man künftig öffentlich machen. Nicht nur Bundesverbraucherminister Horst Seehofer, auch Bayerns Landwirtschaftsminister Werner Schnappauf glaubt, den Gordischen Knoten der komplexen Struktur von Fleischproduktion und Fleischhandel zerschlagen zu haben.
"Der Beschluss von heute macht deutlich, dass wir denen das Handwerk nur legen können, wenn alle an einem Strang ziehen und alle zusammenwirken, scharfe Gesetze, harte Strafen und strikte Kontrollen, um damit größtmögliche Vorsorge zu treffen, dass Betrügereien im Lebensmittelbereich und das Restrisiko für die Bürgerinnen so gering wie möglich zu machen."
Bärbel Höhn begrüßte die Koordination durch den Bund. Sie sieht an einem ganz bestimmten Punkt Probleme bei den Kontrollen, die aus ihrer Sicht erklären, warum es in Bayern nicht geklappt hat.
"Was ich schon glaube, was ein Problem ist, wenn die Veterinäre mit ihren Kontrollen in den Kreisen verhaftet sind. Wir haben zwei Beispiele in Bayern gehabt, in denen die Veterinäre zwar informiert waren, aber nicht reagiert haben, nicht ausreichend. Und das bedeutet natürlich, wenn die Behörden zu dicht an den Wirtschaftsvertretern dran sind, dann haben Argumente wie Arbeitsplatz und Gewerbsteuerzahlen doch dann ein Gewicht, so dass das nicht in allen Fällen klappt. In vielen Kreisen ist das auch eine Superarbeit. Aber es gibt auch viele Kreise, wo das nicht funktioniert. Und das können wir uns nicht leisten. Das sind dann weiße Flecken."
Doch neu ist die beschlossene Koordination von Bund- und Ländern in der Lebensmittelkontrolle nicht. Edda Müller, Präsidentin der Verbraucherzentrale Bundesverband, erinnerte in der letzten Woche an die Bemühungen beim ersten großen Fleischskandal:
"Als wir die BSE-Krise hatten, wurde das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eingeführt, um die Koordinierung der Lebensmittelkontrolle in den Ländern zu verbessern. Also Zusammenarbeit ist natürlich wichtig für die Verbraucher. Und dass wir heute, sechs Jahre nach dem BSE-Skandal, über die gleichen Dinge reden, und diese als Erfolg verkaufen, das ist schon sehr ernüchternd."
Was den Verbraucherschützern fehlt, ist der dänische Ansatz, den Verbraucher zur wirksamsten Kontrollinstanz zu machen. Daraus lassen sich, wie das exportorientierte Dänemark zeigt, sogar ökonomische Vorteile für die Betriebe ziehen. Selbst große Handels- und Fastfoodketten haben mit diesem System keine Probleme. Eine gelungene Form der Prävention, meint auch Edda Müller.
"Wir wollen ja nicht nur sanktionieren, wir wollen ein System bekommen, in dem die Unternehmen das nicht mehr machen. Die wollen am Markt erfolgreich sein. Wenn ihnen der Händler keine Ware mehr abnimmt, weil der Händler weiß, dass, wenn der Händler entdeckt wird, ihm die Kunden hier weglaufen, dann ist das die wirksamste Prävention, die wir uns vorstellen können."
Dabei müssen auch die Dänen damit zurechtkommen, dass das EU-Recht Möglichkeiten zum Betrug beinhaltet. Denn an überlagertes Fleisch und Fleischabfälle in der EU zu gelangen, ist kein Problem. In Fachkreisen heißt es, das fünfte Teil vom Rind sei das wertvollste. Das sind Abschnitte und Hautreste oder Organe. Die fallen für die Lebensmittelproduktion aus. Trotzdem kann man sie zu Geld machen. Während bei der Produktion von Frischfleisch vom Stall bis auf den Teller inzwischen eine lückenlose Kennzeichnungspflicht besteht, gibt es das in einem Punkt nicht,. für Fleischabfälle aller Art. Solche, die nicht mehr für den Verzehr geeignet sind und als Kategorie-3-Material bezeichnet werden. Lebensmittelkontrolleur Ernst Jütting:
"Kategorie-3-Material ist vom Grunde her frei handelbar. Es bedeutet, es muss keiner Behörde gegenüber nachgewiesen werden, wo man damit abgeblieben ist. Das bedeutet, dieses Kategorie-3-Material kann als Tierfutter beseitigt werden, kann in einer Tierkörperbeseitigungsanstalt beseitigt werden. Aber Rechenschaft darüber muss niemand ablegen."
Auch die Handhabe, die der Bund und die Länder wie Schleswig-Holstein sehen, sind da begrenzt, meint Michael von Abercron vom schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministerium:
"Nationale Restriktionen des Handels wie Meldepflichten oder Anzeigen werden als Handelshemmnisse im EU-Vertrag als unvereinbar angesehen."
Es mangelt also nicht nur an den Kontrollen, sondern auch an den Gesetzen. Gute Gesetze sind die Voraussetzung für ein durchgängiges Qualitätsmanagement in Fleischproduktion und Fleischhandel. Im Hygienepaket der EU, das seit Anfang dieses Jahres auch für die Fleischhygiene in Kraft ist, fehlt zum Beispiel eine wichtige Regelung, für die Deutschland bisher noch kein verbraucherfreundliches nationales Recht geschaffen hat. Die EU verhindert nicht das Schlachten kranker Tiere beim normalen Schlachtvorgang, beklagt Karl Fikuart, der selber einmal Amtstierarzt war und heute noch für die Bundestierärztekammer tätig ist:
"Positiv zu erklären, wir schlachten nur gesunde Tiere, verpflichtet ja. Und damit würde ein Risiko entstehen, was der Staat abzudecken hätte. Hier ist man hingegangen und hat so getan, als gäbe es diese Fälle nicht mehr. Und das ist im Grunde Augenwischerei und ein Betrug am Verbraucher."
Doch die Kommission wäscht ihre Hände in Unschuld. Wie beim neuerlichen Fleischskandal sieht sie es als Sache der EU-Mitglieder an, solche Fragen eigenständig zu regeln. Denn der Verbraucherschutz bleibt davon unberührt.
So wie die Diskussion aber derzeit geführt wird, glauben Verbraucherschützer hierzulande wie Thilo Bode von Foodwatch noch nicht an den Erfolg der neuen Maßnahmen und die Wirksamkeit des Verbraucherinformationsgesetzes in seiner jetzigen Form.
"Ich bin sehr skeptisch, ich glaube nicht, dass uns ein Qualitätshandbuch weiterhilft. Das wird das neue Gesetz nicht schaffen. Ich denke, wir werden uns hier wieder treffen beim nächsten Fleischskandal in Bälde."
Reaktionen nach dem jüngsten Fleischskandal in Bayern. Verständlich, sagt der Europaparlamentarier von Bündnis 90/Die Grünen, Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf.
"Die Verbraucher und Verbraucherinnen reagieren mit Zurückhaltung. Zu Recht, und das trifft natürlich auch die Erzeuger, weil der Preisdruck nach unten weitergegeben wird."
Fleischskandale in Deutschland sind längst eine unendliche Geschichte. Man braucht dabei nicht erst beim BSE-Skandal zu beginnen. Allein im letzten Jahr fand man Schlachtabfälle in Bayern, die zu Lebensmitteln umdeklariert worden waren, dann tonnenweise überlagertes Fleisch in Gelsenkirchen und in Troisdorf. Beim jüngsten Skandal in Bayern sollen es etwa 160 Tonnen sein. In dieser Woche tauchen täglich neue Mengen an Gammelfleisch auf: in Frankfurt am Main, im nordrhein-westfälischen Heinsberg oder in Stuttgart. Gammelfleisch aus Bayern wurde auch zu Dönern verarbeitet. Das Verfallsdatum soll zum Teil schon seit drei Jahren überschritten gewesen sein.
Selbst in die Europäische Union hat man anscheinend überlagertes Fleisch geliefert. Wie viel Gammelfleisch insgesamt auf dem Markt gekommen ist, weiß man bisher noch nicht. Sicher ist nur, dass zwölf Bundesländer und sieben europäische Staaten Fleisch aus Bayern erhalten haben. Ein Gewinnspiel, bei dem viele mitmachen, meint Graefe zu Baringdorf.
"Das ist auch das ökonomische Interesse in der Anonymität der Endabnehmer, auch die kriegen das Fleisch billiger geliefert. Den Schnitt machen nicht nur der Lieferant oder der Großhändler, den Schnitt machen auch diejenigen, die meinen, sie könnten billig einkaufen. Hier muss es ein Interesse geben, dass die Endverkäufer sich ausweisen, woher sie die Produkte für Fleisch bezogen haben. Sie müssten ein Interesse haben, dieses auch den Kunden zu sagen."
Es ist ein Spiel mit dem Feuer und der Gesundheit der Verbraucher. Denn Fleisch ist ein hoch verderbliches Lebensmittel. Wenn es nicht mehr frisch ist, kann man es sehen, riechen und auch schmecken. Verdorbenes Fleisch stinkt, die Farbe ist grünlich und das Fett ist ranzig. Was im Innern genau passiert, prüft Barbara Tschirdewahn, Stellvertretende Leiterin des Chemischen Landes- und Staatlichen Veterinäruntersuchungsamtes in Münster anhand der Proben im Labor:
"Das finden wir heraus durch eine mikrobiologische Untersuchung. Damit wir sehen, wie viele Bakterien drin sind. Und dann kann ich hinterher sehen, hier wachsen Pseudomonaden, hier wachsen Enterobakteriozeen, hier wachsen Staphylokokken, also es gibt ein großes, großes Spektrum, was ich dann untersuchen und sehen kann."
Auch frisches Fleisch kann Bakterien enthalten. Wie viele Bakterien die Gesundheit allerdings gefährden, ist unterschiedlich. So können zum Beispiel schon wenige hundert Salmonellen ausreichen. Bei Staphylokokken sind es vielleicht erst 100.000 Keime. Es hängt von der Art und der Dosis der Bakterien ab, wenn Menschen daran erkranken, erläutert Professor Hans-Ulrich Humpf vom Institut für Lebensmittelchemie der Universität Münster:
"Die machen beim Menschen die typischen Symptome, die man kennt, vielleicht Erbrechen und Durchfall. Es kann bei einigen speziellen Bakterien zu Nierenversagen kommen. Es gibt dann schon eine sehr gefährliche Geschichte."
Bakterien im Fleisch sind unter anderem eine Folge der Schlachtung. Im Darm der Tiere sind nicht nur Salmonellen vorhanden. Ein Problem, über das Humanmediziner berichten, sind Campylobaktererkrankungen. Campylobakter sind Bakterien, die wie die Salmonellen den Darm von Tieren besiedeln. Barbara Tschirdewahn:
"Hat auch mit Fleisch zu tun, kommt vor allem beim Geflügelfleisch vor. Ich brauche aber nur kleine Mengen, um daran zu erkranken. Unser Problem ist häufig, dass er eine sehr lange Inkubationszeit hat von elf Tagen und wir Proben dann nicht mehr zeitnah genug kriegen. Woran erinnern Sie sich, was sie vor elf Tagen gegessen haben? Das ist das Problem, das im Labor immer nachzuvollziehen. Aber es wird beobachtet einfach bei der Humanmedizin, dass er zunimmt, woran das liegt, ist bisher nicht wirklich geklärt."
Deshalb muss man mit Fleisch sorgsam umgehen. Es muss nach der Schlachtung in einer lückenlosen Kühlkette vom Schlachthof bis in die Ladentheke frisch gehalten werden. Bei der Kühlung können sich Bakterien nicht vermehren. Ohne Kühlung kann Fleisch schon vier bis fünf Tage nach der Schlachtung verdorben sein. Auf keinen Fall darf Fleisch in den Verkehr kommen, dessen verfärbte und damit verdorbenen Teile einfach nur abgeschnitten wurden.
Fleisch wird regelmäßig kontrolliert. Allerdings entfallen von allen Lebensmittelkontrollen nur 22 Prozent auf Fleisch. Im letzten Jahr waren etwa 30 Prozent aller Proben mangelhaft. 15 Prozent davon enthielten Bakterien, die gesundheitsschädlich sein können. Eine immer höhere Anforderung an die Kontrolleure stellt gewürztes Fleisch. Veterinäre vor Ort sprechen da von einem ungeheuren Markt, nicht nur bei den Dönern. Der Bundesverband der Fleischwarenindustrie konnte dennoch keine Zahlen nennen. Weil, so wörtlich, diese Zubereitung teilweise erst in den Vorbereitungsräumen der Einzelhandelsgeschäfte erfolgt. Unter Paprika und Knoblauch noch zu riechen, ob Fleisch verdorben ist, bedeutet für jeden Prüfer eine echte Herausforderung. Erst recht für den Verbraucher, weiß Barbara Tschirdewahn:
"Wir gehen dann bei uns im Labor so vor, dass wir dieses erst mal abstreifen und sogar abwaschen. Was dann hilft, ist Erhitzen, wir machen dann Koch- oder Bratproben, um zu gucken, ob vielleicht ganz schwache Geruchsabweichungen beim Erwärmen dann deutlicher hervortreten."
Geprüft wird anhand von Stichproben, weil eine flächendeckende Kontrolle nicht vorgesehen ist. Der Plan ist starr, das Kontrollnetz weitmaschig. Zwar kommen die Prüfer immer unangemeldet. Aber die kontrollierten Betriebe wissen genau, was eine so genannte risikoorientierte Kontrolle ist, nach der Ernst Jütting vom Veterinäramt des schleswig-holsteinischen Kreises Nordfriesland vorgehen muss:
"Das allerwichtigste ist die Vorgeschichte, ob es in der Vorgeschichte schon Beanstandungen gegeben hat. Ein weiteres Kriterium ist der bauliche Zustand des Betriebes und unser Eindruck von den fachlichen Kenntnissen der Verantwortlichen. Auf dieser Basis wird eine Risikobeurteilung durchgeführt. Und das führt zu einer unterschiedlichen Frequenz an Plankontrollen. Das bedeutet, einer, der nicht so gut wegkommt, wird häufiger besucht, ein Betrieb, der vorbildlich geführt wird, wird weniger besucht."
Der neue Fleischskandal in Bayern hat gezeigt, dass sich diese risikoorientierte Kontrolle nicht bewährt hat. Wie Martin Müller, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure heute sagte, wird gerade mal die Hälfte aller Betriebe kontrolliert. Die Kontrollen scheinen deshalb das vorrangige Problem zu sein. Jedenfalls sieht es so aus, wenn man die politischen Reaktionen der letzten Woche betrachtet. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer schlug in Berlin kräftig auf den Tisch. Und er scheute sich nicht, die Missstände in Bayern bei den Fleischkontrollen anzuprangern, obwohl der dortige Landwirtschaftsminister Werner Schnappauf ein enger Parteikollege in der CSU ist.
"Ich bemühe mich seit Monaten, weil die Länder dafür ja zuständig sind, dass diese Wirksamkeit erhöht wird. Aber leider Gottes, Bayern hat es abgelehnt, dass der Bund hier mitberatend tätig ist."
Auch der rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsident Kurt Beck nahm kein Blatt vor den Mund:
"Das ist wirklich ein empörender Prozess. Man kann nur sagen, das ist die Brunnenvergifterei unserer Tage. Dafür kann es auch kein Pardon geben. Denn altes Fleisch umzuetikettieren, und Menschen, die davon nichts wissen können, als Lebensmittel auf den Tisch zu bringen, das ist eines der übelsten Formen, verbrecherisch tätig zu sein."
Die markigen Worte von Kurt Beck änderten nichts daran, dass die Bundesländer sich wehrten. Gerade erst durch die jüngst verabschiedete Föderalismusreform gestärkt, war die Bereitschaft von Werner Schnappauf und seinen Kollegen gering, das Bundesverbraucherministerium als oberste Kontrollbehörde anzuerkennen.
"Bayern und alle anderen Länder sind von Anfang an völlig offen für die Koordinierung durch den Bund. Das ist sinnvoll und nach unserer Meinung auch notwendig. Auch gemeinsame Qualitätsstandards sind sinnvoll und notwendig. Aber wir brauchen keine Kontrolle der Länder, keine Kontrolle von Seiten des Bundes."
Doch Seehofer wollte mehr. Ihm ist klar, dass die Kontrollpraxis, auch wenn sie wie in Deutschland auf Länderebene passiert, dem globalen Fleischmarkt entsprechen muss. Fleisch kommt längst nicht mehr nur aus Deutschland und Europa, auch aus Argentinien, den USA und China, wobei allerdings China der größte Fleischproduzent der Welt ist. Landwirtschaftsstaatssekretär Gert Lindemann:
"Da geht es darum, ein Qualitätshandbuch für die Lebensmittelüberwachungsbehörden in Deutschland zu entwerfen, welches dann auf der Grundlage EU-rechtlicher und internationaler Normen einheitlich anzuwendende Qualitätsstandards für die Lebensmittelüberwachung beschreiben soll."
Die politische Debatte um die Effektivität der Kontrollen und die Kompetenzen von Bund und Ländern ist nicht das, was die Verbraucherschützer interessiert. Sie wollen endlich Taten sehen. Wichtiger als ein Qualitätshandbuch für die Lebensmittelkontrollen ist ihnen ein wirksames Verbraucherinformationsgesetz. Schon Renate Künast hatte in ihrer Zeit als Bundeslandwirtschaftsministerin versucht, es auf den Weg zu bringen, als Teil der Agrarwende, die sauberes Fleisch auf dem Teller garantieren sollte.
"Wir werden dafür Sorge tragen, dass es vom Stall über die Verarbeitung bis zur Ladentheke eine gläserne Produktion gibt. Und wir werden dazu notfalls auch die Strafen erhöhen."
Inzwischen gibt es ein Verbraucherinformationsgesetz - trotz der Widerstände der Länder, vor allem aus Bayern, das ganze fünf Jahre auf Heftigste dagegen gekämpft hat. Nach dem Gesetz sollen Ross und Reiter bei Verstößen namentlich genannt werden. Doch mit dem Entwurf, der bereits vom Bundestag verabschiedet ist und am 22. September im Bundesrat beraten werden soll, ist Thilo Bode, Chef der Verbraucherorganisation Foodwatch, so gar nicht zufrieden. In einer Diskussionsrunde mit Horst Seehofer im Bayerischen Fernsehen machte er auf Mängel aufmerksam:
"Wenn wir jetzt das neue Gesetz hätten, das Sie im Bundesrat verabschieden wollen, und es würde der Münchner Fall auftreten, dann hätten die Behörden keine Verpflichtung und keine Ermächtigung, sofort die Namen der Hersteller und der Abnehmer zu nennen und auch nicht die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen. Und das ist das entscheidende Problem. Das können Sie nur, wenn Rechtsverstöße festgestellt werden. Und die werden nur festgestellt, wenn ein Gericht entschieden hat und wenn Sie gegen einen Bußgeldbescheid nicht Einspruch erhoben haben."
Im Gegensatz dazu steht die Kontrollpraxis in Dänemark. Das Land hängt stark vom Export ab. Verstöße im Lebensmittelbereich können und wollen die Dänen sich nicht leisten. Deshalb gibt es seit mehr als einem Jahr bereits transparente Kontrollen - und zwar nicht nur nach Stichproben. Jeder Betrieb wird regelmäßig geprüft, der Supermarkt ebenso wie der türkische Gemüsehändler, der Schlachthof genauso wie die Hotdog-Bude, Mc Donald's ebenso wie Aldi. Das Ergebnis ist für jeden Verbraucher leicht abzulesen. Am Geschäft prangt deutlich sichtbar ein gelber Smiley. Lächelt er übers ganze Gesicht, ist alles in Ordnung. Weisen die Mundwinkel traurig nach unten, dann gab es Mängel. Und die Prüfer kommen wieder, sehr bald sogar. Alle Angaben werden im Internet veröffentlicht. Diese Transparenz gibt es in Deutschland tatsächlich nicht.
Trotzdem soll jetzt in Deutschland alles besser werden, jedenfalls nach der ersten gemeinsamen Sitzung von Bundes- und Landesverbraucherministern am Donnerstag letzter Woche in Berlin. Qualitätsstandards sollen bundesweit vereinheitlicht werden. Namen von schwarzen Schafen will man künftig öffentlich machen. Nicht nur Bundesverbraucherminister Horst Seehofer, auch Bayerns Landwirtschaftsminister Werner Schnappauf glaubt, den Gordischen Knoten der komplexen Struktur von Fleischproduktion und Fleischhandel zerschlagen zu haben.
"Der Beschluss von heute macht deutlich, dass wir denen das Handwerk nur legen können, wenn alle an einem Strang ziehen und alle zusammenwirken, scharfe Gesetze, harte Strafen und strikte Kontrollen, um damit größtmögliche Vorsorge zu treffen, dass Betrügereien im Lebensmittelbereich und das Restrisiko für die Bürgerinnen so gering wie möglich zu machen."
Bärbel Höhn begrüßte die Koordination durch den Bund. Sie sieht an einem ganz bestimmten Punkt Probleme bei den Kontrollen, die aus ihrer Sicht erklären, warum es in Bayern nicht geklappt hat.
"Was ich schon glaube, was ein Problem ist, wenn die Veterinäre mit ihren Kontrollen in den Kreisen verhaftet sind. Wir haben zwei Beispiele in Bayern gehabt, in denen die Veterinäre zwar informiert waren, aber nicht reagiert haben, nicht ausreichend. Und das bedeutet natürlich, wenn die Behörden zu dicht an den Wirtschaftsvertretern dran sind, dann haben Argumente wie Arbeitsplatz und Gewerbsteuerzahlen doch dann ein Gewicht, so dass das nicht in allen Fällen klappt. In vielen Kreisen ist das auch eine Superarbeit. Aber es gibt auch viele Kreise, wo das nicht funktioniert. Und das können wir uns nicht leisten. Das sind dann weiße Flecken."
Doch neu ist die beschlossene Koordination von Bund- und Ländern in der Lebensmittelkontrolle nicht. Edda Müller, Präsidentin der Verbraucherzentrale Bundesverband, erinnerte in der letzten Woche an die Bemühungen beim ersten großen Fleischskandal:
"Als wir die BSE-Krise hatten, wurde das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eingeführt, um die Koordinierung der Lebensmittelkontrolle in den Ländern zu verbessern. Also Zusammenarbeit ist natürlich wichtig für die Verbraucher. Und dass wir heute, sechs Jahre nach dem BSE-Skandal, über die gleichen Dinge reden, und diese als Erfolg verkaufen, das ist schon sehr ernüchternd."
Was den Verbraucherschützern fehlt, ist der dänische Ansatz, den Verbraucher zur wirksamsten Kontrollinstanz zu machen. Daraus lassen sich, wie das exportorientierte Dänemark zeigt, sogar ökonomische Vorteile für die Betriebe ziehen. Selbst große Handels- und Fastfoodketten haben mit diesem System keine Probleme. Eine gelungene Form der Prävention, meint auch Edda Müller.
"Wir wollen ja nicht nur sanktionieren, wir wollen ein System bekommen, in dem die Unternehmen das nicht mehr machen. Die wollen am Markt erfolgreich sein. Wenn ihnen der Händler keine Ware mehr abnimmt, weil der Händler weiß, dass, wenn der Händler entdeckt wird, ihm die Kunden hier weglaufen, dann ist das die wirksamste Prävention, die wir uns vorstellen können."
Dabei müssen auch die Dänen damit zurechtkommen, dass das EU-Recht Möglichkeiten zum Betrug beinhaltet. Denn an überlagertes Fleisch und Fleischabfälle in der EU zu gelangen, ist kein Problem. In Fachkreisen heißt es, das fünfte Teil vom Rind sei das wertvollste. Das sind Abschnitte und Hautreste oder Organe. Die fallen für die Lebensmittelproduktion aus. Trotzdem kann man sie zu Geld machen. Während bei der Produktion von Frischfleisch vom Stall bis auf den Teller inzwischen eine lückenlose Kennzeichnungspflicht besteht, gibt es das in einem Punkt nicht,. für Fleischabfälle aller Art. Solche, die nicht mehr für den Verzehr geeignet sind und als Kategorie-3-Material bezeichnet werden. Lebensmittelkontrolleur Ernst Jütting:
"Kategorie-3-Material ist vom Grunde her frei handelbar. Es bedeutet, es muss keiner Behörde gegenüber nachgewiesen werden, wo man damit abgeblieben ist. Das bedeutet, dieses Kategorie-3-Material kann als Tierfutter beseitigt werden, kann in einer Tierkörperbeseitigungsanstalt beseitigt werden. Aber Rechenschaft darüber muss niemand ablegen."
Auch die Handhabe, die der Bund und die Länder wie Schleswig-Holstein sehen, sind da begrenzt, meint Michael von Abercron vom schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministerium:
"Nationale Restriktionen des Handels wie Meldepflichten oder Anzeigen werden als Handelshemmnisse im EU-Vertrag als unvereinbar angesehen."
Es mangelt also nicht nur an den Kontrollen, sondern auch an den Gesetzen. Gute Gesetze sind die Voraussetzung für ein durchgängiges Qualitätsmanagement in Fleischproduktion und Fleischhandel. Im Hygienepaket der EU, das seit Anfang dieses Jahres auch für die Fleischhygiene in Kraft ist, fehlt zum Beispiel eine wichtige Regelung, für die Deutschland bisher noch kein verbraucherfreundliches nationales Recht geschaffen hat. Die EU verhindert nicht das Schlachten kranker Tiere beim normalen Schlachtvorgang, beklagt Karl Fikuart, der selber einmal Amtstierarzt war und heute noch für die Bundestierärztekammer tätig ist:
"Positiv zu erklären, wir schlachten nur gesunde Tiere, verpflichtet ja. Und damit würde ein Risiko entstehen, was der Staat abzudecken hätte. Hier ist man hingegangen und hat so getan, als gäbe es diese Fälle nicht mehr. Und das ist im Grunde Augenwischerei und ein Betrug am Verbraucher."
Doch die Kommission wäscht ihre Hände in Unschuld. Wie beim neuerlichen Fleischskandal sieht sie es als Sache der EU-Mitglieder an, solche Fragen eigenständig zu regeln. Denn der Verbraucherschutz bleibt davon unberührt.
So wie die Diskussion aber derzeit geführt wird, glauben Verbraucherschützer hierzulande wie Thilo Bode von Foodwatch noch nicht an den Erfolg der neuen Maßnahmen und die Wirksamkeit des Verbraucherinformationsgesetzes in seiner jetzigen Form.
"Ich bin sehr skeptisch, ich glaube nicht, dass uns ein Qualitätshandbuch weiterhilft. Das wird das neue Gesetz nicht schaffen. Ich denke, wir werden uns hier wieder treffen beim nächsten Fleischskandal in Bälde."