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Kontrolliertes Stürzen

Robotik. – Erst wer sich damit beschäftigt Maschinen das Laufen beizubringen, erfährt, welch anspruchsvolle Tätigkeit normales Gehen ist. Eigentlich ist es nichts anderes als der permanente und erfolgreiche Versuch, einen Zweibeiner am Hinfallen zu hindern. Beim 20. Fachgespräch Autonome Mobile Systeme an der Technischen Universität Kaiserslautern beschäftigten sich die Experten mit den Widrigkeiten des menschlichen Ganges.

Von Christoph Gehring |
    In Douglas Adams Science-Fiction-Satire "Per Anhalter durch die Galaxis" lautete die Antwort auf die Frage aller Fragen: 42. Es ist also durchaus konsequent, wenn das 20. Fachgespräch "Autonome Mobile Systeme" an der Technischen Universität Kaiserslautern im Gebäude 42 stattfindet. Autonome Mobile Systeme, das sind Roboter. Und sie sehen bis heute so aus, wie Douglas Adams sie beschrieben hat: In einer Ecke kicken die Fußballroboter Bruno I und Bruno II – ungefähr einen halben Meter groß – etwas ungelenk Bälle auf ein Tor. Falco, das Fast Autonomous Leight-Weight Climbing Object, klettert die Betonwand hoch und in der Mitte der Aula von Gebäude 42 wandert Lauron, die sechsbeinige Laufmaschine, etwas ziellos umher.

    Mit sechs Beinen zu laufen, das ist für Roboter inzwischen kein Problem mehr. Für sechsbeinige Roboter gibt es sogar ganz praktische Anwendungen, denn so eine Laufmaschine ist geländegängiger als irgendein Radfahrzeug, erklärt Professor Karsten Berns, der Leiter der Arbeitsgruppe Robotersysteme an der TU Kaiserslautern:

    "Für Inspektionsaufgaben, da ist das natürlich sehr interessant. Nehmen wir mal an nach Erdbeben, die Suche nach Vermissten, was auch immer, da kann man sich das vorstellen. Oder Minensuche, diese Landminen, die überall in Kriegsfällen vergraben werden und die im Zivilfall nachher alle wieder gefunden werden müssen, da sind auch solche Maschinen besser, weil sie keinen geschlossenen Pfad brauchen wie ein Rad, sondern Fußpunkte setzen können und da, wenn sie ein Messgerät haben, da praktisch über die Minen drüberlaufen können ohne zu Schaden zu kommen."

    Die wahre Herausforderung ist aber eine Laufmaschine mit zwei Beinen. Der aufrechte Gang des Menschen ist zu komplex, als dass er sich bisher mit Maschinen nachbilden ließe. Denn er ist zum größten Teil das Ergebnis eines unwillkürlichen Zusammenspiels von Muskeln, Sehnen und Gelenken.

    "Das Phänomen beim Laufen in der Natur ist – also nehmen wir mal zweibeiniges Laufen – wir fallen im Prinzip und stabilisieren nur. Also wir sind praktisch nur dynamisch unterwegs, nie statisch","

    erklärt Karsten Berns. Will heißen: Jeder Schritt nach vorne ist nur der Versuch des Zweibeiners, das Umfallen zu verhindern. Das Zusammenspiel von Knie, Knöchel, Wadenmuskel und Hüfte ist dabei viel zu komplex, als dass es sich in den klassischen Kategorien des Maschinenbaus beschreiben, geschweige denn berechnen ließe. Die Roboterforscher verabschieden sich deswegen Zug um Zug von dem Ziel, ein zentral gesteuertes Gesamtsystem zu bauen, stattdessen werden autonome Teilsysteme ohne Zentralsteuerung miteinander verbunden. Karsten Berns:

    ""Man versucht, Teilsysteme zu steuern und die zu koppeln. Das heißt, wir haben eine Steuereinheit, die sich nur um dieses Kniegelenk kümmert, aber eigentlich gar nix von der anderen Welt weiß. Vorteil ist, dass die für sich immer versuchen zu optimieren. Wenn man das geschickt koppelt – das ist die Schwierigkeit dabei, deswegen ist das ja alles immer noch Forschung, das ist nicht gelöst – wenn man es geschickt koppelt, kriegt man tatsächlich die Effekte hin, dass ich ein schönes Laufen ermögliche. Und das kriegen sie mit diesen Modellen, diesen starren Modellen nicht hin."

    Weil das Laufen, das zweibeinige zumal, so kompliziert ist, bewegen sich die meisten Autonomen Mobilen Systeme eben doch auf Rollen. Berns:

    "Rollen ist mit Sicherheit das einfachste, was wir haben – obwohl das schon schwer genug ist."

    Ravon zum Beispiel rollt. Ravon ist ein autonomer Outdoor-Roboter, der sich alleine den Weg durch unbekanntes Gelände bahnt und dabei die Umgebung kennen lernt.

    "Wir fangen irgendwo hier an der Uni an und setzen zwei Kilometer weiter in den Pfälzer Wald einen Zielpunkt, Und diesen Zielpunkt wollen wir erreichen, ohne einen Weg zu kennen, sondern der Roboter soll selbständig entscheiden, wo fährt er lang. Wenn eine Sackgasse kommt, muss er das mitprotokollieren, er muss selbständig Landkarten erstellen, um dann irgendwann hinzukommen und vielleicht auch wieder zurückzufinden","

    hofft Karsten Berns. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Forschungsweg. Nicht nur, dass die Akkus, die Ravons Elektromotoren antreiben, zu schnell schlapp machen, Ravons Hilfssysteme – eine Kamera, mehrere Laserscanner, Lagesensoren und ein Drehratengeber – überfordern seine zentrale Steuereinheit, weil sie zu viele Daten auf einmal liefern. Die Forscher um Karsten Berns haben also noch viel zu tun:

    ""Im Moment ist die Integration sehr, sehr schwierig, weil wir da auch schon an die Grenzen gestoßen sind von der Rechenleistung, von BUS-Systemen, die überlastet sind. All diese Dinge im Prinzip sind noch nicht so optimal, dass wir tatsächlich so ein System hinkriegen. Wir kriegen schon viel hin, aber es ist noch viel, viel zu tun in dem Bereich."