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Kontrollnetze und Netzkontrollen

Netzpolitik.- Ob Datenschutz in Sozialen Netzwerken oder schnelle Leitungen für alle: Immer stärker mischt sich die Politik in die Gestaltung des Internets ein. Aber wie sehr darf sie das? Am Beispiel des internationalen Streits um die Internetverwaltung hat die Organisation INET nun darüber diskutiert.

Von Pia Grund-Ludwig | 26.02.2011
    Internet-Sicherheit, Datenschutz, das Vertrauen in die Stabilität des globalen Datennetzes waren einige der Themen, die auf der INET-Konferenz in Frankfurt thematisiert worden sind. Eine der Fragen war die, wohin die weitere Entwicklung des Netzes gehen soll und vor allem, wer darüber zu entscheiden hat. Der Schweizer Markus Kummer hat diesen Prozess begleitet und als Diplomat das Sekretariat des Internet Governance Forums geleitet. Er sprach sich zum einen dafür aus, die offene Architektur des Internet zu erhalten, aber auch die von den Strukturen der gleichberechtigten Zusammenarbeit zu lernen. Das hatte das Internet Governance Forum getestet.

    Es wurde von den Vereinten Nationen eingesetzt, um über die Zukunft des Internets zu diskutieren. Das Besondere daran: Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft saßen mit den Regierungen an einem Tisch. Es hat nicht allen Regierungen gefallen, dass sie in diesen Prozessen nicht das alleinige Entscheidungsrecht hatten. Ende 2010 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen dann entschieden, die Arbeit des Internet Governance Forum zwar zu verlängern, aber mit der Auflage, dass Verbesserungen erfolgen müssten, so Kummer:

    "Da erkennt man Tendenzen, dass Regierungen versuchen, das Heft in die Hand zu kriegen und wieder den Regierungen mehr Rechte zu geben, so dass man zurückgehen würde zu traditionellen Formen der internationalen Zusammenarbeit."

    Vor allem China, aber auch Indien oder Ägypten hätten versucht, Änderungen herbeizuführen. Doch nicht nur bei der Gestaltung des Internet Governance sieht Kummer zunehmende Versuche der Einmischung:

    "Es gibt verschiedene Tendenzen, die man sieht der Regierungen, die Kontrolle über das Internet zu übernehmen. Das geht auf der einen Seite von eher autoritären Regierungen her die über die Inhalte die Kontrolle übernehmen möchten, aber es gibt durchaus auch in demokratisch legitimierten Ländern Versuche, unliebige und illegale Inhalte zu blockieren."

    Dafür hatte auch Andy Müller-Maguhn, Mitbegründer des Chaos Computer Club genügend Beispiele parat. Sperrungen der Plattform in der Library Congress oder das Ausfiltern von Publikationen wie "Spiegel" oder "Guardian" auf den Rechnern des US-Militärs halte er für besorgniserregend. Auf Blockaden einzelner Dienste durch Netzbetreiber verwies Jean-Jacques Sahel, Direktor Government und Regulatory Affairs bei Skype. Dabei habe das Internet dazu beigetragen, gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen, betont Kummer. Das sehe man derzeit in den Ländern des Nahen Ostens. Und zwar nicht nur durch die Nutzung sozialer Netzwerke, sondern durch eine andere Art der Kommunikation generell:

    "Es war das Internet überhaupt, das diese Generation herausgebildet hat, die sich an einer Weltöffentlichkeit orientiert, die sich nicht mehr begnügen mit Autorität die von Vätern übergeben wird, sondern die sich vernetzen mit Kollegen und Freunden auf der ganzen Welt."

    Auch Müller-Maguhn sieht die Möglichkeiten, die relativ einfache Werkzeuge wie Facebook bieten, warnt aber auch vor gegenläufigen Tendenzen:

    "Nun ist das gerade im Kontext von Facebook, wo der Schutz des einzelnen überhaupt nicht Modell ist, ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite einfache Vernetzung, auf der anderen Seite haben wir in einigen Ländern wie auch in Weißrussland gesehen, dass die Regierungen, die Nachrichtendienste sich sehr schnell einen Überblick verschaffen können, wer Mitglied einer solchen Protestbewegung ist und die Leute dann inhaftiert, weil sie ihre Datenspuren nicht unter Kontrolle haben."

    Vor allem die Konzentration aller Kommunikationsprozesse auf eine Plattform hält er für riskant:

    "Die Idee ist, dass der Benutzer alle Dienste, die er im Internet macht, über so eine solche Plattform betreibt und dadurch viel mehr seiner Daten einer zentralen Stelle preisgibt. das ist hoch problematisch."

    Nachholbedarf in Sachen Demokratie durch Vernetzung sieht Maguhn aber nicht nur in autoritären Staaten. Auch Deutschland sei in Bezug auf die Möglichkeiten des Internets teilweise noch ein Entwicklungsland in Sachen Demokratie. Die Reaktion der Regierung auf Cyberwar-Szenarien einschließlich der Etablierung des deutschen Cybersicherheitsrats sieht er als "Kampagne" für mehr Regierungskontrolle über das Internet. Er spricht sich für mehr Partizipation an Entscheidungen und direkte auch über das Internet vermittelte Formen der Mitwirkung aus:

    "Die Idee ist sich sehr viel konkreter nicht darauf zu verlassen, dass man einen Repräsentanten hat, der als Universalgenie alle Themen beherrscht, sondern dass man konkret zu Sachfragen Debatten aufmachen kann um ein besseres Verständnis der Materie und eine qualitativ bessere Entscheidung herbeizuführen."