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Kontroverse um höhere Löhne

In der Ende Januar beginnenden Tarifrunde für den Öffentlichen Dienst fordern der Deutsche Beamtenbund und die Gewerkschaft Ver.di 6,5 Prozent mehr Lohn. Unterstützung erhalten sie vom Wirtschaftsforschungsinstitut IMK. Der Bundesverband der deutschen Industrie lehnt ein deutliches Lohnplus ab.

Von Theo Geers | 07.01.2013
    Mit Lohnerhöhungen die europäischen Schuldenkrise lösen – das ist Zumindest für Gustav Adolf Horn das Gebot der Stunde. Der wissenschaftliche Leiter des gewerkschaftsnahen Wirtschaftsforschungsinstituts IMK fordert kräftige Lohnsteigerungen in Deutschland. Sie kämen in Form steigender Nachfrage sowohl der deutschen Wirtschaft zugute, sie zögen aber auch höhere Importe nach Deutschland nach sich, von denen auch die Krisenländer in Europa profitierten. Und Horn hat auch gleich eine Hausnummer für die Höhe die Lohnsteigerungen parat:

    "Wir sagen aus Gründen der europäischen Stabilität und auch aus Gründen der deutschen Stabilität, die ja unmittelbar mit der europäischen Stabilität verbunden ist, dürfen es in den nächsten zwei bis drei Jahren auch mal vier Prozent oder etwas mehr sein - als kurzfristigen Beitrag Deutschlands zur Stabilisierung des Euroraums."

    Selbst wenn dies die Lohnstückkosten steigen lasse und dadurch der ein oder andere Exportauftrag von außerhalb der Eurozone wegen sinkender internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren ginge: Die deutsche Wirtschaft, so Horn, könne solche Lohnsteigerungen ohne Weiteres verkraften. Das sieht die Wirtschaft, sprich der der Anfang des Jahres frisch ins Amt gekommenen BDI-Präsident Ulrich Grillo, ganz anders:

    "Wir haben uns in den letzten Jahren eine hervorragende Wettbewerbsposition erarbeitet und wir haben Lohnstückkosten, die sehr wettbewerbsfähig sind. Wir müssen aufpassen, dass wir diese Position nicht wieder riskieren, dass wir in fünf Jahren dann aufwachen und sehen, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder aufs Spiel setzen."

    Keine falschen Entscheidungen – das gilt auch gegenüber dem radikalen Kurswechsel, den IMK-Direktor Horn in der Wirtschaftspolitik fordert. Schon seit zwei Jahren versuchten die europäischen Regierungen, sich aus der Krise heraus zu sparen. Doch das, so Horn, habe nicht funktioniert, die Schuldenberge seien gewachsen, die Krise habe sich nur verschärft. Sie drohe sich sogar noch weiter zu verschärfen, wenn jetzt alle Länder gleichzeitig das Ziel verfolgen, immer nur die Schulden weiter zu reduzieren: Dieser überharte Sparkurs müsse vielmehr aufgegeben werden, so Gustav Adolf Horn:

    "Das heißt aus unserer Sicht, dass der Austeritätskurs gestreckt werden muss in den Krisenländern und auf der andren Seite in den Ländern, die nicht in einer Krise sind, die Fiskalpolitik soweit als möglich eher expansiv sein muss."

    Doch auch dieses Rezept stößt prompt auf Kritik. Wirtschaftsminister Rösler, der heute mit BDI-Präsident Grillo und anderen Wirtschaftsvertretern den in der kommenden Woche anstehenden Jahreswirtschaftsbericht beriet, lehnt einen derartigen Kurswechsel strikt ab. Dafür gebe es auch keinen Anlass trotz der Wachstumsdelle vom Winter:

    "Aber schon jetzt zeigt der Auftragseingang und die Aussagen der Unternehmen in Bezug auf Investitionen, dass wir mit einem robusten Wachstum auch 2013 rechnen können."

    Dies gilt für Rösler offenbar auch für den Fall, dass die Bundesregierung nächste Woche ihre Wachstumsprognose herunter schrauben sollte – von bisher einem Prozent auf dann wahrscheinlich 0,7 bis 0,8 Prozent.