Archiv

Weiterbetrieb von Isar 2
Kontroverse um Söders Atom-Vorstoß

Nach der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke will der bayerische Ministerpräsident Söder den Meiler Isar 2 in Landesverantwortung weiterbetreiben. Dagegen regt sich breite Kritik. Die Grünen werfen Söder ein billiges Wahlkampfmanöver vor. Unterstützung kommt dagegen aus der Union.

    Markus Söder nach seinem Besuch des Kernkraftwerks Isar 2 bei einer Pressekonferenz vor der Anlage
    Markus Söder hadert mit dem Atomausstieg (Peter Kneffel / dpa)
    Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorung kritisierte den Vorstoß Söders scharf. "Die heutigen Forderungen des bayerischen Ministerpräsidenten unterstreichen, wie wichtig es ist, dass die politische Verantwortung für die nukleare Sicherheit in Deutschland bei der Bundesregierung liegt", sagte der Präsident der Behörde, König, der Deutschen Presse-Agentur. Der Vorschlag widerspreche geltendem Recht und gefährde die Endlagersuche. Der Bundestag und alle Bundesländer hätten sich nicht nur auf den Ausstieg aus der Kernenergie geeinigt, sondern auch die Endlagersuche nach wissenschaftlichen Kriterien gemeinsam auf den Weg gebracht.

    "Berechtigung zum Betrieb ist erloschen"

    Die Grünen wiesen den Vorstoß des CSU-Chefs als "durchsichtiges Wahlkampfmanöver" zurück. Ihre Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Haßelmann, sagte, Söder wäre gut beraten, stattdessen Verantwortung für die Endlagersuche zu übernehmen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke erteilte der Idee ebenfalls eine deutliche Absage. Laut Grundgesetz liege die Zuständigkeit für die Atomkraft beim Bund, stellte die Grünen-Politikerin klar. Die Berechtigung des Reaktors Isar 2 zum Leistungsbetrieb sei erloschen. "Es bedürfte quasi einer Neugenehmigung des Reaktors", so Lemke. Es sei bedrückend, wie Söder genehmigungs- und verfassungsrechtliche Fragen der nuklearen Sicherheit leichtfertig ignoriere.

    Kritik von SPD und Linken

    Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hält ebenfalls nichts von dem Plan. Wer den Weiterbetrieb wolle, müsse dann auch allein die Endlagerung des Atommülls in seinem Bundesland absichern, schrieb der Linken-Politiker bei Twitter. Von einem unglaubwürdigen Zickzack-Kurs Söders spricht die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Mast. Habe dieser doch nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 noch mit Rücktritt gedroht, wenn die damalige Koalition an der Atomkraft festhalte.

    "Ich zweifle an der Klugheit der Ampel"

    Rückendeckung für Söder kommt aus der CDU. Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei sagte der "Rheinischen Post", die Kernenergie aufzugeben, sei eine Fehlentscheidung. "Es ist deshalb richtig und Ausdruck seiner Verantwortung als Ministerpräsident, wenn Markus Söder alle Möglichkeiten in Betracht zieht, um diesen groben Fehler doch noch abzuwenden." Ein Weiterbetrieb in Landesverantwortung setze jedoch eine Änderung des Atomgesetzes voraus, räumte Frei ein. "Ich zweifle an der Klugheit der Ampel, dies tatsächlich zu tun." Ähnlich äußerte sich CDU-Vize Carsten Linnemann.

    Forderung politisch kaum umsetzbar

    Söder hatte in der "Bild am Sonntag" gefordert, das Atomgesetz ein weiteres Mal zu ändern und den Weiterbetrieb bayerischer AKW in eigener Regie zu ermöglichen. Politisch dürfte das kaum umzusetzen sein, da die Unionsparteien im Bundestag keine Mehrheit haben.
    "Solange die Krise nicht beendet und der Übergang zu den Erneuerbaren nicht gelungen ist, müssen wir bis zum Ende des Jahrzehnts jede Form von Energie nutzen", sagte Söder. Bayern wolle zudem als Vorreiter in die Forschung zur Kernfusion einsteigen. Söder sprach sich für den Bau eines eigenen Forschungsreaktors aus - "gerne in Zusammenarbeit mit anderen Ländern".
    Am späten Samstagabend waren die drei letzten Atomkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 vom Netz gegangen. Damit wurde der zunächst im Jahr 2000 und schließlich 2011 endgültig beschlossene Atomausstieg vollzogen.
    Diese Nachricht wurde am 16.04.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.