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Konzentration auf das Wesentliche

Adriano Alfano wurde in Palermo auf Sizilien geboren, kam schon im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland und ist in Düsseldorf aufgewachsen. Der 23-Jährige hat vor einem Jahr ein Horizonte-Lehramtsstipendium der Hertie-Stiftung bekommen.

Von Vanessa Dähn | 08.09.2011
    "Ich musste halt zunächst einmal eine Bewerbung schreiben, natürlich auch mit einem Lebenslauf, wo ich dann gesagt habe, was mich denn so auszeichnet, was ich für ein Typ Mensch bin, was ich für ein Typ Schüler war, was ich für ein Typ Lehrer sein möchte."

    Und dann wurde Adriano - der früher gern zur Schule gegangen ist - auch wenn seine Leistungen nicht unbedingt herausragend waren - und der davon träumt ein Lehrer zu werden, der seine Schüler später als Individuen wahrnimmt und wertschätzt - nach Mühlheim eingeladen:

    "Dort hatte ich zwei Gespräche mit Juroren der Hertie-Stiftung, ein Gruppengespräch, ein Assessment-Center war das und wir mussten einen Aufsatz schreiben über ein pädagogisches Thema und anscheinend ist es ganz gut gelaufen."

    Das ist es allerdings: Adriano wird für insgesamt vier Semester mit dem Horizonte-Lehramtsstipendium unterstützt. 650 Euro bekommt er pro Monat und zusätzlich 150 Euro Büchergeld pro Semester. Damit kann er sich auf das Wesentliche konzentrieren, sagt er: sein Italienisch- und Geschichtsstudium an der Ruhr-Universität Bochum. Dort ist er im vierten Semester. Vor dem Stipendium - bis vor einem Jahr - hat Adriano noch 16 bis 18 Stunden in der Woche nebenbei gearbeitet:

    "Um halt auch meinen Lebensunterhalt zu verdienen, um halt meinen Eltern nicht so sehr auf der Tasche zu liegen. Und momentan arbeite ich überhaupt nicht und kann mich auf mein Studium konzentrieren, was mir wirklich viel Spaß macht, einfach auch mal Freizeit zu haben und einfach auch mal nur zu studieren. So ein Leben mit Stipendium ist einfach sehr angenehm."

    Darauf ausruhen möchte Adriano sich aber nicht. Im Gegenteil:

    "An der Uni wird uns halt empfohlen, maximal zehn bis elf Veranstaltungen die Woche zu besuchen. Ich habe mich letztes Semester dazu entschlossen, 16 Veranstaltungen zu besuchen. Einfach nur aus dem Grund, weil ich gemerkt habe, dass ich viel mehr Zeit habe und ich halt meine Energie in der Uni verbrauchen kann, auch wenn ich dann abends recht todmüde ins Bett gefallen bin, war ich am Ende des Semesters sehr glücklich darüber, das geschafft zu haben."

    Nicht nur die finanzielle Unterstützung sei von Vorteil, sondern auch die verschiedenen Seminare und Workshops, die im Rahmen des Stipendiums angeboten werden. Dort kann Adriano sich mit anderen Lehramtsstudenten mit Migrationshintergrund austauschen - und einiges lernen, was an der Uni zu kurz kommt, sagt er. Konfliktmanagement, Projektplanung und Teammanagement zum Beispiel. Sogar eine individuelle Förderung gebe es:

    "Die bei mir halt zum Beispiel sein wird Beratungskompetenz, Selbstpräsentation, Vertrauenslehrerkompetenz. Und das sind halt so Kompetenzen, die man in der Uni gar nicht mitbekommen kann, weil genau diese Thematiken während des Studiums - insbesondere während des Bachelors - komplett untergehen. Das Wort Unterricht oder das Wort Schule oder das Wort Klasse fällt in den ersten drei Jahren an der Uni gar nicht mehr und das ist halt ein riesen Mehrwert, den man als Stipendiat mitnehmen kann."

    Umgekehrt ist Adriano davon überzeugt, dass die Schüler einen Vorteil davon haben, von jemandem in einer Sprache unterrichtet zu werden, der mit ihr und der Kultur aufgewachsen ist:

    "Ich muss mich nicht irgendwie reindenken in die Grammatik oder in die Literatur, sondern ich weiß, wie die Menschen dort ticken und wie die dort sprechen. Ich finde, das ist was ganz anderes, als wenn man die Sprache erlernt und dort irgendwelche Sprachniveaus erlangt. Das ist zwar ganz schön, trotzdem ist es ein riesen Vorteil, wenn man einfach diese Sprache auch fühlt. Und dadurch, dass es mir Spaß macht und ich selbst Italiener bin, denke ich, dass es eine optimale Situation ist, für beide."

    Lehrer ist Adrianos Traumberuf. Das weiß er, seit er noch zu eigenen Schulzeiten sein Vorbild in einem damaligen Lehrer gefunden hat, der genau wie er aus Sizilien stammte. Wer weiß, vielleicht wird auch Adriano in einigen Jahren Schüler mit Zuwanderungsgeschichte dazu ermutigen, Lehrer in Deutschland zu werden.