Wie Menschen ihre Welt ordnen, ganz aktiv, durch die Gestaltung von Zimmern und Räumen und von Natur, andererseits aber auch durch ihre Wahrnehmung, durch die Ordnungsprinzipien des Blicks - das ist immer das Thema von Candida Höfer gewesen. Das wird schon bei den frühesten Arbeiten klar, die noch vor dem Studium bei Bernd und Hilla Becher entstanden sind: die seltsam flächig komponierten, fast menschenleeren Schwarz-Weiß-Aufnahmen der Innenstadt von Liverpool, auf dem Höhepunkt und in völligem Widerspruch zu der Beatles-Hysterie, der Beatles-Mania 1968 entstanden, zeigen Straßenzüge und Plätze in ihrer ganzen Kahlheit, als müsse man das Modell sichtbar machen, nach dem sie errichtet wurden und nach dem sie die Menschen klein machen.
Das Modell hinter den Dingen: die Karlsruher Ausstellung, die von Höfers Anfängen bis in die Gegenwart führt, zeigt als Introitus die kühle Aufnahme eines leeren Arbeitszimmers im Berliner Max-Planck-Institut, das mehr eine Zelle ist, und einen tunnelartig schmalen, zentralperspektivisch sich verengenden unterirdischen Betongang im Bürokomplex einer Schweizer Firma. In so viel Unbehaustheit möchte man eigentlich nicht sein, und doch wird man durch diesen Tunnel hinein gesogen in diese hervorragend kuratierte Ausstellung, die das Arbeitsprinzip der Künstlerin auch zum Motto der Schau macht. Wer so offensiv mit Gestaltungsprinzipien arbeitet wie Candida Höfer, der liefert natürlich eine Steilvorlage für Ausstellungsmacher - und die Studenten der Karlsruher HfG, die unter der Anleitung von Wilfried Kühn und Doreen Mende die einzelnen Werkkomplexe im ZKM arrangiert haben, nehmen den Ball gerne auf. Sie haben sehr karge Kabinette für die einzelnen Werkkomplexe geschaffen, und am meisten verblüfft dabei die ebenfalls noch vor dem Studium entstandene Dia-Serie "Türken in Deutschland" aus den 1970er Jahren.
Obwohl es sich meist um arrangierte Bilder handelt, haben sie heute schon etwas Historisches: türkische Gastarbeiter in ihren gerade eröffneten Läden, in Türmen von Waren, Flaschen, Konservendosen; in ihren Kneipen, auf der Straße, am Kiosk. Eine damals noch kleine, familienlose Minderheit, die ein bisschen Heimat in der Fremde, im Provisorium aufbauen will. Verglichen mit den heutigen Geltungsansprüchen einer - stadtteilweise - gut installierten türkischen Parallelwelt wirkt das fast rührend. Aber auch hier ist Höfers Raumerfassungs-Sensorium entscheidend: Die überladenen Regale mit türkischen Waren wirken wie Trutzburgen, der Ladenbesitzer meist klein und verschüchtert, ein Objekt unter Objekten.
Verglichen mit dieser durchlaufenden, aber nicht-narrativen Diaprojektion wirken Höfers Großformate von Bibliotheken, Museen, Kantinen, Arbeitsplätzen, Treppenaufgängen und Fluren natürlich imposant und erschlagend: Wissensspeicher, Ordnungsmuster, Schachbretter für menschliche Kommunikationsspiele - und man wundert sich, wie diese hochrationalen Innenarchitekturen nach kurzer Betrachtung etwas Surreales bekommen und wie ein Innenleben, wie eine Psychostruktur wirken. Die "Spiegel"-Kantine in kitschigem Pop-Rosa - will sagen: wir sind der letzte Schrei, jetzt und immerdar - die von der Empore gesehene barocke Sankt Galler Bibliothek, in der - dank langer Belichtungszeit - die Menschen vor der Übermacht der Bücher zu flüchtigen Schatten werden - das sind keine Kulissen, es sind Metaphern.
Die Ausstellung zeigt, wie Candida Höfers fotografischer Blick sich über die Jahre immer mehr systematisiert hat. Die Kuratoren dagegen zeigen, was es heißt, eine Ausstellung mit System aufzubauen. Ganz nebenbei bieten sie an einem Arbeits-Computer ein von der Künstlerin selbst ausgewähltes, digitalisiertes Höfer-Archiv. Und sie entlassen uns mit der Serie über "Zoologische Gärten", in denen angeblich wilde Tiere wie naturhafte Accessoires im eng umzäunten Reich der Unfreiheit herumstehen. Dass das auch für die Menschen gelten könnte, ist - natürlich - ein ganz abwegiger Gedanke. Beim Betrachten von Candida Höfers Bildern könnte man ihn wieder mal ausprobieren.
Das Modell hinter den Dingen: die Karlsruher Ausstellung, die von Höfers Anfängen bis in die Gegenwart führt, zeigt als Introitus die kühle Aufnahme eines leeren Arbeitszimmers im Berliner Max-Planck-Institut, das mehr eine Zelle ist, und einen tunnelartig schmalen, zentralperspektivisch sich verengenden unterirdischen Betongang im Bürokomplex einer Schweizer Firma. In so viel Unbehaustheit möchte man eigentlich nicht sein, und doch wird man durch diesen Tunnel hinein gesogen in diese hervorragend kuratierte Ausstellung, die das Arbeitsprinzip der Künstlerin auch zum Motto der Schau macht. Wer so offensiv mit Gestaltungsprinzipien arbeitet wie Candida Höfer, der liefert natürlich eine Steilvorlage für Ausstellungsmacher - und die Studenten der Karlsruher HfG, die unter der Anleitung von Wilfried Kühn und Doreen Mende die einzelnen Werkkomplexe im ZKM arrangiert haben, nehmen den Ball gerne auf. Sie haben sehr karge Kabinette für die einzelnen Werkkomplexe geschaffen, und am meisten verblüfft dabei die ebenfalls noch vor dem Studium entstandene Dia-Serie "Türken in Deutschland" aus den 1970er Jahren.
Obwohl es sich meist um arrangierte Bilder handelt, haben sie heute schon etwas Historisches: türkische Gastarbeiter in ihren gerade eröffneten Läden, in Türmen von Waren, Flaschen, Konservendosen; in ihren Kneipen, auf der Straße, am Kiosk. Eine damals noch kleine, familienlose Minderheit, die ein bisschen Heimat in der Fremde, im Provisorium aufbauen will. Verglichen mit den heutigen Geltungsansprüchen einer - stadtteilweise - gut installierten türkischen Parallelwelt wirkt das fast rührend. Aber auch hier ist Höfers Raumerfassungs-Sensorium entscheidend: Die überladenen Regale mit türkischen Waren wirken wie Trutzburgen, der Ladenbesitzer meist klein und verschüchtert, ein Objekt unter Objekten.
Verglichen mit dieser durchlaufenden, aber nicht-narrativen Diaprojektion wirken Höfers Großformate von Bibliotheken, Museen, Kantinen, Arbeitsplätzen, Treppenaufgängen und Fluren natürlich imposant und erschlagend: Wissensspeicher, Ordnungsmuster, Schachbretter für menschliche Kommunikationsspiele - und man wundert sich, wie diese hochrationalen Innenarchitekturen nach kurzer Betrachtung etwas Surreales bekommen und wie ein Innenleben, wie eine Psychostruktur wirken. Die "Spiegel"-Kantine in kitschigem Pop-Rosa - will sagen: wir sind der letzte Schrei, jetzt und immerdar - die von der Empore gesehene barocke Sankt Galler Bibliothek, in der - dank langer Belichtungszeit - die Menschen vor der Übermacht der Bücher zu flüchtigen Schatten werden - das sind keine Kulissen, es sind Metaphern.
Die Ausstellung zeigt, wie Candida Höfers fotografischer Blick sich über die Jahre immer mehr systematisiert hat. Die Kuratoren dagegen zeigen, was es heißt, eine Ausstellung mit System aufzubauen. Ganz nebenbei bieten sie an einem Arbeits-Computer ein von der Künstlerin selbst ausgewähltes, digitalisiertes Höfer-Archiv. Und sie entlassen uns mit der Serie über "Zoologische Gärten", in denen angeblich wilde Tiere wie naturhafte Accessoires im eng umzäunten Reich der Unfreiheit herumstehen. Dass das auch für die Menschen gelten könnte, ist - natürlich - ein ganz abwegiger Gedanke. Beim Betrachten von Candida Höfers Bildern könnte man ihn wieder mal ausprobieren.