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Konzeptkünstler mit Vorliebe für Vinyl

Der ehemalige Kippenberger-Assistent Johannes Wohnseifer pflegt vor allem seine Liebe zu Hondas und dem Klingeln von Braunweckern. Damit hat er neben der Kunst- auch die Clubszene erobert.

Von Susanne Luerweg und Sabine Oelze | 03.10.2013
    Steckbrief Johannes Wohnseifer
    Geboren am 10. September 1967
    Fünf Jahre lang Assistent von Martin Kippenberger, Ausstellungen in internationalen Museen und Galerien. Drei Schallplatten.


    "Ich bin Künstler, bildender Künstler nennt man das, glaube ich. Ich nenne mich Künstler. Ich mache Skulpturen, ich zeichne, ich arbeite mit Fotos und habe früher auch mit Musik gearbeitet, aber jetzt schon seit längerer Zeit nicht mehr."

    Bekannt geworden ist er als Künstler. In seinen Installationen, Zeichnungen oder Skulpturen geht es genauso um die RAF, die Formel 1, die Münchner Olympiade von 1972 wie um die identitätsstiftende Wirkung der Marken Honda oder Adidas. Historische Ereignisse, eigene Erlebnisse Erinnertes, Gelesenes, Vergangenes und die Gegenwart kreuzen sich ständig. Die erste Platte, die Wohnseifer produzieren ließ, entstand 1997.

    "Die erste Platte war die Braunplatte. Das ging zurück auf eine Sammlung von Designobjekten den Braunweckern, die es in allen Farben und Formen gab, und an einem Punkt wollte ich nicht nur die Objekte besitzen, sondern auch mit ihnen arbeiten und dann hatte ich die abstrakte Idee, die Weckertöne zu sampeln und damit Musik zu machen."

    Der Braunwecker ist in den 80er-Jahren in vielen Haushalten zu finden. Er ist beliebt wegen seines praktischen, aber auch puristischen Aussehens. Für Wohnseifer ist der Wecker eine Metapher in doppelter Hinsicht: Er bedeutet eine Form von Gewalt gegen sich, weil er das morgendliche Aufstehen einläutet. Zum anderen handelt es sich um Design für eine Geschmacks- und Lebensstilelite. Braun war damals ein Fetisch der Designgemeinde. Solche Ambivalenzen spielen auch in seinen Skulpturen, Zeichnungen oder Installationen eine Rolle.

    Die Kunst mit Musik zu erweitern ist Ende der 90er-Jahre ein Versuch, seinen engsten Kreis von Freunden einzubeziehen. Die Sounds stammen von Kölner DJs und Musikern, zu denen Wohnseifer eine intensive Verbindung hat.

    "Ich wusste, wie ein Sampel funktioniert, aber wie im einzelnen, davon hatte ich keine Ahnung. Von mir stammt nur das Konzept. Nicht die Musik, die habe ich frei aus der Hand gegeben und jeder konnte mit den Weckersounds und die Samples von den Alarmtönen einsetzen, wie er wollte."

    Braunmusik: Das sind sieben hörbare Stücke von Ambient bis hin zu tanzbaren Techno Beats. Genau wie in seiner Kunst finden sich auch in der Musik biografische Spuren des Künstlers verquickt mit ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Themen. Oft beginnt die Zeitrechnung der von Wohnseifer kompilierten Referenzen im Jahr 1967. Am 10. September wurde der Künstler geboren. München erhält 1967 den Zuschlag für Olympia ’72. Das Honda-Team gewinnt beim Formel1-Rennen in Mazona. Honda - der japanischen Automarkte widmete sich Wohnseifer nicht nur intensiv in seiner künstlerischen, sondern auch in seiner musikalischen Arbeit.

    "Honda war eine Trainspottingidee. Genauso wie sich manche an die Bahnlinie stellen, um Züge zu fotografieren, so habe ich Hondas fotografiert. Ich wollte die Alliteration hundert Hondas erfüllen. Die hundert Fotos waren nur der Anfang, ich habe dann immer weitergemacht. Das wurde immer zwanghafter und irgendwann war ich in L.A. und das ist jedes zweite Auto ein Honda da ist das System kollabiert und dann war das Projekt irgendwann beendet."

    1998 entsteht die zweite Langspielplatte mit dem Titel Hondabeats. Wieder sind es die gleichen Musikerfreunde, die Wohnerseifer einlädt, Sounds zum Thema Honda beizusteuern. Alle seine Freunde fahren zu der Zeit ein Auto dieser Marke. Johannes Wohnseifer integriert die fertigen Musikstücke in eine Ausstellung im Bonner Kunstverein. Auf dem Cover: ein Foto aus der Hondaserie. Ihm geht es dabei um die Frage:

    "Wie kann man die Konventionen im Ausstellungsbereich erweitern? Die Frage habe ich mir mit der zweiten Platte gestellt. Warum muss es immer ein Katalog sein? Warum nicht eine Platte wie ein Soundtrack zu einer Ausstellung. Die Platte war auch Thema in der Ausstellung, da stand ein Auto drin, bei dem die Platte ablief. Ich habe in das Auto ein Soundsystem einbauen lassen und dann ist während der Ausstellung die Musik abgespielt worden, aber das Auto war verschlossen, sodass man nur dumpfe Bassdröhnen mitbekam, wie an einer Ampel. Das war Teil der Ausstellung und dann mit dem Soundtrack komplettiert. Es hätte gar keinen Sinn gehabt, einen Katalog zu machen."

    Die Hommage an den Honda sorgt für Furore. Musikzeitungen feiern die Technoplatte als mythische Symbiose von Mensch und Maschine. Johannes Wohnseifer erobert sich damit zugleich ein neues Publikum. Neben der Kunst- auch die Club- und Nightlife-Szene.

    "Das geht schon in Richtung Krautrock, das hat mir damals sehr gut gefallen."