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Konzern im Niedergang

Es war ein hartes Jahr für BP: Mehr als 130.000 Menschen haben den Konzern verklagt. Bis heute hat die Ölpest im Golf von Mexiko das Unternehmen rund 19 Milliarden Dollar gekostet, es könnten mehr als 40 werden.

Von Jochen Spengler |
    Drinnen schimpfen aufgebrachte Aktionäre auf den Vorstand, vor den Türen protestieren US-Fischer gegen ausbleibende Entschädigungen. Kein einfacher Auftritt für Bob Dudley, den Vorstandschef von BP, letzte Woche vor der Aktionärsversammlung in London. Seine Botschaft: Der Konzern ist aus dem Gröbsten raus.

    "Wir hatten harte Tage. Über 99 Prozent des Golfs sind wieder befischbar, die Überprüfungen durch die Regierung haben durchgängig ergeben, dass Fisch und Meeresfrüchte essbar sind. Wir werden weiter unsere Verpflichtungen erfüllen. Wir haben mehr als fünf Milliarden Dollar bezahlt für Forderungen von Einzelnen, Unternehmen und Regierungsstellen für die Umweltsanierung."

    Mehr als 130.000 Menschen haben BP verklagt. Bis heute hat die Ölpest im Golf von Mexiko den Konzern rund 19 Milliarden Dollar gekostet, es könnten mehr als 40 werden.

    Vor 13 Monaten war noch alles anders. Fast sechs Milliarden Dollar Gewinn im ersten Quartal. Für Aktionäre und britische Pensionäre, deren Rentenfonds von BP abhängen, bestätigt sich die alte Wahrheit: drei Dinge im Leben sind sicher - der Tod, die Steuern und die BP-Dividende.

    Doch dann ist plötzlich nichts mehr, wie es war – am 20. April explodiert die Bohrinsel Deepwater Horizon. Elf Arbeiter sterben. Aus dem Bohrloch strömt Rohöl in den Golf. Insgesamt fünf Millionen Barrel, 800 Millionen Liter. Vergeblich starten die Ingenieure immer neue Anläufe, BPs Quelle abzudichten; Und während das Öl die Küste von vier US-Bundesstaaten verseucht und die Existenz von Fischern, Austernzüchtern und Hoteliers vernichtet, spielt BP-Chef Tony Hayward das Drama und die Verantwortung dafür herunter.

    "Es war die Plattform von Transocean, ihre Systeme, ihre Leute, ihre Ausrüstung. Ich glaube die Folgen dieses Desasters für die Umwelt werden sehr, sehr überschaubar sein."

    Hayward agiert so unglücklich, dass er zum Hassobjekt der US-Öffentlichkeit wird, besonders als er behauptet, dass sich doch niemand mehr als er selbst wünsche, dass alles endlich vorbei sei. Er wolle sein normales Leben zurück.

    "Ich will mein Leben zurück."

    So einer würde nach solchen Sätzen nicht für ihn arbeiten, lässt sich US-Präsident Obama vernehmen:

    "Als Ende Mai auch Top Kill scheitert, der groß angekündigte Versuch, das Bohrloch mit Schlamm und Beton zu stopfen, da ist das mühselig aufgebaute Image eines grünen Konzerns endgültig dahin. BP zieht die Notbremse. Tony Hayward wird von seinen Aufgaben entbunden und neuer Vorstandsvorsitzender wird der Amerikaner Robert Dudley. Er verspricht, die Balance von Risiko und Sicherheit neu auszurichten."

    Dudley hat Fortune. Der Aktienkurs erholt sich etwas und am 15. Juli schaffen es die Ingenieure endlich, das Bohrloch provisorisch zu schließen.

    BP verkauft Unternehmensteile von 21 Milliarden Dollar, um Rücklagen für weitere Schadenersatzzahlungen zu bilden, setzt auf die Expansion in Schwellenländern wie Brasilien oder Indien, vor allem aber, so der Aufsichtsratschef Carl-Henric Svanberg auf den Ausbau des Engagements in Russland

    Mit dem russischen Staatskonzern Rosneft will BP gemeinsam im Nordpolarmeer Öl und Gas fördern. Doch gegen die geplante Zusammenarbeit haben russische Oligarchen, mit denen BP seit neun Jahren kooperiert, ihr Veto eingelegt. Sie verlangen 10 Milliarden Dollar Schadenersatz. Vier Wochen sind Zeit, den Streit beizulegen. Gelingt dies nicht, dann steht es schlecht um die Zukunft des Multis.

    Denn noch ist Gefahr nicht gebannt, dass BP von Konkurrenten geschluckt wird. Der Unternehmenswert ist ein Drittel niedriger als vor der Ölkatastrophe und erstmals überhaupt hat BP ein Geschäftsjahr mit roten Zahlen abgeschlossen – 4,9 Mrd. Dollar Verlust - 2010 war das schlimmste Jahr in der über hundertjährigen Firmengeschichte.