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Konzil von Konstanz
Kirchliche Machtverhältnisse austariert

Vor 600 Jahren beanspruchten gleich drei Päpste die Vorherrschaft. Das Konzil von Konstanz beendet nach langwierigen Verhandlungen das Abendländische Schisma. Die Lösung des Konflikts könnte für die Kirche bis heute zukunftsweisend sein.

Von Burkhard Schäfers | 30.10.2014
    Vor den Heiligsprechungen der Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. füllt sich der Petersplatz in Rom.
    Das Konzil von Konstanz führte wieder zur Einheit der Kirche (dpa/picture alliance/Radek Pietruszka)
    Ein Papst in Rom, ein zweiter in Avignon und Papst Nummer drei in Pisa – die Gläubigen wissen zu Beginn des 15. Jahrhunderts nicht, wem und welcher Lehre sie folgen sollen. Die Kirche ist gespalten, das Schisma geht durch Diözesen und Orden, erklärt Hubert Wolf, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster.
    "Für den einzelnen Gläubigen wird's einfach völlig unübersichtlich. Wir haben eine Lehre, die sich darauf konzentriert, dass die katholische Kirche ihren Einheitspunkt im Papst findet. Und es ist eine totale Verunsicherung. Kommt jetzt die Endzeit? Solche Stimmungen tauchen da auch bei den einzelnen Gläubigen durchaus auf."
    Genese des Konzils von Konstanz
    Doch wie kann die Einheit der Kirche wieder hergestellt werden. Da keiner der drei Päpste freiwillig abdankt, muss eine andere Lösung gefunden werden.
    "Jetzt kommt es im Laufe der Zeit zu der Idee: Es muss eine Institution geben in der Kirche, die über dem Papst steht. Und diese Institution ist das Konzil."
    Und so kommt es mit Unterstützung des römisch-deutschen Königs Sigismund zum Konzil von Konstanz. Es beginnt am 5. November 1414, vor 600 Jahren, und findet unter neuen Vorzeichen statt. Bisher hatten bei solchen Treffen entweder der römische Kaiser oder der Papst das Sagen, erläutert Kirchenhistoriker Wolf:
    "Jetzt braucht man ein neues Modell von Konzil, nämlich ein konziliares Konzil. Das Konzil steht über dem Papst. Denn das Konzil hat die ordentliche Gewalt in der Kirche, während der Papst nur die aktuelle Gewalt hat. Und die wird immer dann aufgelöst, wenn sich ein Konzil versammelt. Das ist die Grundvoraussetzung, damit man Päpste absetzen kann."
    Hoheit des Konzils über den Papst
    In zwei Dekreten definiert die Versammlung die Hoheit des Konzils über den Papst. Fortan sollen alle fünf bis zehn Jahre Konzilien einberufen werden. Eine Idee, die sich nicht durchsetzt. Im Gegenteil: Spätere Entscheidungen widersprechen ihr sogar. Etwa der Primat des Papstes und dessen Unfehlbarkeit festgelegt durch das Erste Vatikanische Konzil. Zumindest aber überwindet das Konzil von Konstanz nach langwierigen Verhandlungen das Abendländische Schisma. Die bisherigen drei Päpste verlieren ihre Macht. 1417 wählt das Konklave Martin den Fünften als alleinigen Nachfolger. Und: Der Gedanke der kollegialen Leitung lebt in der Kirche fort, sagt Johanna Rahner, Professorin für Dogmatik an der Universität Tübingen.
    "Es ist ein gutes Prinzip, dass die Leitung der Kirche, die gesamte Gewalt der Kirche, in der Hand des Papstes zusammen mit dem Kollegium der Bischöfe liegt. Es ist das Bischofskollegium als Repräsentant der Gesamtkirche, das zusammen mit dem Papst die höchste Vollmacht in der Kirche hat."
    Die Theorie ist schlüssig: gemeinsame Leitung und damit auch ein gewisses Maß an Kontrolle von Entscheidungen. In der Praxis steht die bischöfliche Kollegialität aber in permanenter Spannung zur Vorrangstellung des Papstes.
    "Wir feiern ja das 600. Jubiläum dieses Konzils. Da merken Sie, dieses Problem brennt der katholischen Kirche unter den Nägeln, fast schon seit ihrem Bestehen. Wie viel Einheit muss sein, wie viel Vielfalt darf sein in der Kirche? Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die Idee des Konzils zu Konstanz, die Verantwortung zu pluralisieren, viel deutlicher wieder in den Vordergrund getreten als es vielleicht ein, zwei Jahrhunderte vorher der Fall war."
    Kollegialität des Papstes ist entscheidend
    Das Prinzip steht und fällt also damit, wie viel Kollegialität ein Papst zulässt. Bei Franziskus erkennt Dogmatikerin Johanna Rahner eindeutige Zeichen:
    "Nach seiner Papstwahl ist er nicht alleine zurückgefahren, sondern hat sich in den Bus mit den wählenden Kardinälen gesetzt. Da ist das eine Symbolhandlung, die sagt: Nicht ich bin die katholische Kirche – ich mag eine Integrationsfigur sein – sondern wir alle sind das. Er ist einer, vielleicht der erste im Kollegium. Aber gemeinsam repräsentieren sie die katholische Kirche. Also, dass einer allein es wäre, ist theologisch falsch, und Gott sei Dank gibt es auch genügend Symbolhandlungen, die deutlich machen, dass dem nicht der Fall ist."
    Praktiziert wird das Kollegialitätsprinzip in Bischofssynoden. Synodale Elemente gibt es darüber hinaus auf nationaler Ebene auch in weiteren Gremien, wie etwa Diözesan- oder Pfarrgemeinderäten. Welchen tatsächlichen Einfluss sie haben, ist allerdings offen:
    "Das synodale Prinzip ist eine theologische Grundüberzeugung in der katholischen Kirche seit ihren Anfängen. Wir haben aber, was die strukturelle Verbindlichkeit angeht, es auf die mit beratende, nicht mitbestimmende Funktion reduziert. Und da kann man sich sicher einen höheren Grad der Verbindlichkeit vorstellen, die wir in der evangelischen Kirche in Deutschland schon haben, in den katholischen Diözesen noch nicht."
    Einen Anstoß dazu, sagt Johanna Rahner, habe Franziskus geliefert, der den Ortskirchen mehr Verantwortung geben will. In Deutschland könnten sich also Bischöfe, Priester und Laien versammeln – ähnlich wie bei der Synode in Würzburg, die von 1971 bis 75 tagte.
    "Wenn ich Papst Franziskus mit seiner Aufforderung zur geteilten Verantwortung ernst nehme, das bedeutet dann auch, ich kann mir durchaus vorstellen, dass nach dem Vorbild der Würzburger Synode ich auch eine gesamtdeutsche Synode habe, die mit dem Profil der deutschen katholischen Kirche – mit einem sehr starken Laienkatholizismus, mit einer stark etablierten wissenschaftlichen Theologie an den Universitäten – da versucht Antworten zu geben auf die Fragen der Zeit."
    Auch im Vatikan selbst sollen die Machtverhältnisse neu austariert werden. Franziskus ist dabei, die Kurie zu reformieren. Die hatte im Laufe der Zeit immer mehr Entscheidungen an sich gezogen– zulasten der Ortskirchen. Auch hierfür lohne sich ein Blick auf das Konzil von Konstanz, sagt der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf:
    "Mal darüber neu nachzudenken: Wer repräsentiert eigentlich Christus? Ist es nur der Papst allein, oder ist nicht eben Konzil und Papst miteinander ein Modell, das sich gegenseitig befruchtet. Das kann man doch aus der Geschichte der Kirche lernen, dass es da Möglichkeiten gibt, die unter anderem in Konstanz für die Einheit der Kirche und für eine Reform der Kirche eingesetzt worden sind."