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Kookbooks & Co.

Auch auf dem Buchmarkt dominieren Begriffe wie Marketingstrategien, Umsatzprognosen und Digital Publishing. Es gibt aber auch noch eine ganz andere Buchkultur: Kleinverlage, die Autoren entdecken und sich bei der Ausstattung besondere Mühe geben. Diese Verlage präsentieren ihre Bücher alljährlich im Literarischen Colloquium Berlin.

Von Frank Hessenland |
    "Monika Rinck: 'Reisegepäck': Ich werde dressiert durch mein Eigentum, was mich begleitet. Es ist auf Rollen und kommt hinter mir her. Das heißt, es verfolgt mich. Es scheint, insgesamt, das Gewicht der Dinge zu sein, von denen ich annehme, dass ich sie benötige. Doch die Erfahrung lehrt, dass man gerne mal mehr trägt, als dies."

    Dass es ausgerechnet ein Lyrikband sein würde, der auf der gestrigen kleinen Verlagsmesse im Literarischen Colloquium in Berlin bei Wind und Nieselregen zum höchsten jemals dort vorgestellten Verkaufspreis gehandelt wurde, war durchaus eine ermutigende Überraschung. Mit 670 Euro ging der in nur 15 Exemplaren vorliegende Gedichtband von Monika Rinck mit Papierschnitten von Max Marek in der Edition sudstein über den improvisierten Verkaufstisch des "lcb" am Berliner Wannsee. Das Liebhaberobjekt, das nur mit weißen Stoffhandschuhen angefasst werden durfte, war sicher nicht symptomatisch für das Angebot der anderen 19 Kleinverlage dort, deren Bücher um die 20 Euro gehandelt wurden. Aber es zeigte, dass einzigartige Buchproduktionen immer noch ihr Publikum finden können. Auch dann, wenn die Strukturprobleme der kleinen Verlage in den letzten Jahren nicht geringer geworden sind, wie Thomas Geiger vom Literarischen Colloquium weiß:

    "Das ist einfach underperformance, was Vertrieb betrifft, was Möglichkeiten der Werbung, was Möglichkeiten des Marketings betrifft. Was neuer dazu gekommen ist, das ist die Konzentration. Die Zahl an Buchhandlungen, die nimmt stetig ab. Deshalb ist dieser Direktvertrieb für die Kleinverlage zunehmend wichtig."

    Als Hauptproblem stellt sich für die kleinen Verlage der sinkende Umsatz im Buchhandel dar. Aber es sind nicht nur die bösen Großbuchhandlungen, die mit ihrer standardisierten Angebotspalette die guten Kleinverlage verhungern lassen. Auch mit den kleinen Buchhändlern tragen die jungen Verlage Generationskonflikte aus, berichtet Daniela Seel von Kookbooks aus Berlin:

    "Wir haben vielfach eine andere Ästhetik und wenn man da auf Buchhändler trifft, die 20, 30 Jahre älter sind, da hat man da mitunter schon Probleme einfach die Optik zu vermitteln bei den Buchhändlern."

    Die Finanzkrise hat die Kleinverlage mittelbar getroffen. Buchliebhaber gibt es nach wie vor. Verluste entstanden im letzten Jahr aber wieder maßgeblich im Buchhandel, paradoxerweise, obwohl nicht weniger Bücher verkauft wurden, sagt Sabine Doerlemann vom Züricher Doerlemann Verlag:

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sehr viele Buchhandlungen alte Kredite nicht verlängert bekommen und die dann auch Bücher remittieren müssen, damit sie neue Programme einkaufen können."

    Die Zeit, die ein Buch im Handel überhaupt erhältlich war, sank teilweise von den üblichen und ohnehin schon kurzen fünf Monaten auf nur noch zwei. Teilweise wurden Bücher noch vor Erscheinen der Rezension zurückgeschickt.

    Dennoch herrscht bei den Kleinverlagen nicht gerade Krisenstimmung. Viele finden mit spezialisierten Angeboten in kleinen Auflagen ihr Publikum. Der Lilienfeldt Verlag mit Kolonialliteratur, Doerlemann mit vergessenen ausländischen Klassikern, suppose mit Originaltonhörbüchern, um nur einige zu nennen. Die meisten bereiten sich auch auf die Digitalisierung ihrer Angebote vor. Der Direktverkauf über das Internet bietet die Chance, mit den geringer werdenden Umsätzen aus dem Buchhandel zurechtzukommen. Im Netz können schließlich auch noch ältere Bücher verkauft werden. Darüber hinaus wollen die meisten jetzt Ebooks anbieten mit dem Hintergedanken, dass der Kunde gute Bücher auch zweimal kaufen wird: einmal als Zierde für den Hausgebrauch und einmal als digitale und leichte Reiseversion für unterwegs, spekuliert Sabine Doerlemann:

    "Ich denke, das wird eine Entwicklung sein, die auch von Vorteil ist. Wenn die Kinder dann nicht mehr die dicken Schulranzen schleppen müssen, dann werden wir gesunde Rücken in Zukunft erleben und nicht so kleine Kinder, die so verschnupft zur Schule gehen! Ich habe neulich mal ein Interview gesehen mit Daniel Kehl, dem Verleger des Diogenes Verlags aus den 70ern. Da wurde er gefragt, was er denn vom Fernsehen hält. Da hat er gesagt, 'das Fernsehen ist eine Katastrophe!' Also ich meine, sein Verlag ist blühender, denn je, das Fernsehen hat ihm nicht geschadet! Also!"