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Kooperation auf chinesisch

Forschungspolitik. - Um die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit China zu fördern, wurde 2004 das erste deutsch-chinesische Graduiertenkolleg eingerichtet. Dabei bilden deutsche und chinesische Wissenschaftler gemeinsam Doktoranden aus und forschen zum Thema nachhaltige Landwirtschaft.

Von Ralf Krauter | 22.01.2008
    Ein Maisfeld am Stadtrand von Peking, eine Autostunde vom Campus der staatlichen Agraruniversität entfernt. Dicht stehen die mannshohen Pflanzen in der Mittagssonne. Gemeinsam mit einigen chinesischen Forschern schaut sich eine Delegation aus Hohenheim die Stauden an: Verantwortliche des deutsch-chinesischen Graduiertenkollegs. Professor Andreas Fangmeier, Leiter des Zentrums für Lebenswissenschaften der Universität Hohenheim, schlägt sich einige Meter in das Maisfeld. Dort steht eine Plexiglaskammer, die einer überdimensionalen Duschkabine ähnelt. An anderen Stellen im Versuchsfeld stehen noch mehr solcher Messkabinen.

    "Man kann diese Kammern verschließen. In der Regel werden die für eine Stunde verschlossen und es werden die Konzentrationen von Spurengasen, die einen interessieren, zum Beispiel Methan, zum Beispiel Lachgas gemessen – am Anfang und am Ende der einstündigen Exposition. Und dann kann man ausrechnen, wie viel in den Boden rein gegangen ist beziehungsweise aus dem Boden emittiert worden ist von diesen Gasen. Und da diese Emission sich ändert, je nachdem wie stark man düngt, macht man diese Messungen in verschiedenen Pflanzenbeständen."

    Dank intensiver Landwirtschaft ist die nordchinesische Tiefebene die Kornkammer Chinas. Dass die Bauern hier ihre Mais-, Weizen- und Baumwollfelder mit bis zu dreimal soviel Stickstoff düngen wie in Europa oder den USA üblich, trägt zur enormen Verschmutzung von Grund- und Oberflächenwasser bei. Außerdem führt es zu regional stark erhöhten Treibhausgasemissionen.

    "Viel Stickstoff in ein System hineinzubringen bedeutet auch ein hohes Potenzial dafür, dass Lachgas entweicht und zur Erwärmung unseres Planeten beiträgt. Und das ist ein Problem, was natürlich nicht in China bleibt. Lachgas ist in der Atmosphäre so stabil, dass es über den ganzen Globus verteilt wird."

    Wissenschaftler und Behörden für dieses Problem zu sensibilisieren, ist eines der erklärten Ziele der binationalen Forschungskooperation. Die Chinesen profitieren dabei von importierter Spurengas-Messtechnik und dem Know-how der Hohenheimer Agrarexperten. Diese wiederum können Feldversuche in China machen und so an wertvolle Daten kommen. Im Prinzip eine klassische Win-Win-Situation. Doch Dr. Diana Ebersberger, die Projektkoordinatorin an der Universität Hohenheim, macht keinen Hehl daraus, dass die Lasten nicht immer so gleich verteilt sind, wie man sich das wünschte.

    "Die Chinesen sind halt immer sehr drauf aus, ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Das fängt an, dass man versucht, Arbeit an die deutsche Seite abzudrücken, oder finanzielle Dinge. Das sind eigentlich immer die gleichen Dinge, die halt immer wieder auftauchen. So Kleinigkeiten, wo sich dann aber eigentlich ein System dahinter zeigt."

    Ein Beispiel: Bei einem Besuch des Hohenheimer Universitäts-Präsidenten präsentierten die chinesischen Projektpartner beim Abendessen eine Wunschliste mit Dingen, die der Mann ihnen doch bitte bezahlen möge. Transportbusse, Reisekosten für chinesische Wissenschaftler und so weiter. Ziemlich dreist aus deutscher Sicht.

    "Wir Deutschen machen halt immer so viel Theater mit interkultureller Kommunikation und hier und da. Die Chinesen, die benehmen sich halt einfach wie Chinesen und schauen, wie weit sie damit kommen. Also die machen sich auch nicht soviel Gedanken wie die Deutschen."

    Auch Professor Reiner Doluschitz, der seit 18 Jahren mit chinesischen Kollegen arbeitet und dreimal pro Jahr ein bis zwei Wochen in China verbringt, räumt ein, dass die kulturellen Unterschiede immer wieder Probleme machen. In jüngster Zeit wiederholt beim Schutz geistigen Eigentums.

    "Wir hatten ein, zwei solche Fälle in unserem Kolleg, wo dann wirklich auch mit Daten, die von Deutschen erfasst und erhoben wurden, auf internationalen Konferenzen ohne Nennung der Partner dann eben Beiträge eingereicht wurden. Das sind Dinge, die gehen nicht."

    Rainer Doluschitz glaubt, dass es noch mindestens eine wenn nicht sogar zwei Forschergenerationen brauchen wird, bevor solche internationalen wissenschaftlichen Gepflogenheiten auch in China als Standard gelten. Die gut 20 Doktoranden, die das Graduiertenkolleg pro Jahrgang durchlaufen, könnten dabei eine Schlüsselrolle spielen. Gut die Hälfte davon sind Chinesen, die sich nach Gastaufenthalten in Deutschland leichter tun, die kulturelle Kluft zwischen Ost und West zu überbrücken.