Archiv


Kopenhagen klingt

Vor vier Jahren verfasste der französische Architekt Jean Nouvel ein Manifest, in dem er seine Grundprinzipien formulierte. Benannt ist dies nach dem Louisiana-Museum für Moderne Kunst nördlich von Kopenhagen - ein Ort, der für Nouvel eben jene Prinzipien symbolisiert - nämlich eine Architektur, die verwurzelt ist an ihrem jeweiligen Ort, die die Umgebung in sich aufnimmt und somit verändert. Nun hat Nouvel just in Kopenhagen ein neues Konzerthaus gebaut.

Von Marc-Christoph Wagner |
    Für Jean Nouvel war der Entwurf des Kopenhagener Konzerthauses eine besondere Herausforderung. Normalerweise stellt er seine Gebäude in Beziehung zu ihrer Umgebung. Doch als Nouvel den Auftrag für den Neubau im Jahr 2000 erhielt, gab es hier - außer der Kopenhagener Metro - nichts als ein freies Feld. Bauherr ist der Dänische Rundfunk. Das Konzerthaus ein Teil seines Hauptsitzes, der erst in den vergangenen Jahren in der Kopenhagener Örestad entstand.

    "Ich hatte nur wenige Anhaltspunkte. Dänische Architektur, dänisches Design verbinde ich mit Arne Jacobsen. Beides ist sehr rein und ich wollte eine Verbindung schaffen zu dieser Modernität. Für mich ist es wichtig, ein Gebäude in der umliegenden Kultur zu verankern. Nur so kann man neue Perspektiven auf sie eröffnen und ihr neue Impulse verleihen."

    So mag sich auch das Gewand erklären, dass Nouvel dem Gebäude verliehen hat. Die blaue Außenhaut dient als Projektionsfläche, auf der der Passant abends erkennen kann, was innen gespielt wird. Dahinter eröffnet sich eine eigene Welt. Vier verschiedene Säle, die für unterschiedliche Musikrichtungen optimiert sind. Das Herz der große Konzertsaal, der 1800 Zuschauer fasst. Eine nouvellsches Universum en miniature:

    "Wenn man überall das gleiche Gebäude errichtet, wird die Welt immer kleiner. Man kommt in eine Stadt und weiß nicht, wo man ist, weil sich nichts mehr voneinander unterscheidet. Leben heißt unterschiedliche Erfahrungen zu machen und Gefühle. In einer Welt des Klonens gibt es keine Überraschungen, man sieht stets dasselbe."
    Für die Akustik des Hauses hat sich Nouvel mit dem wohl weltweit führenden Experten, Yasuhisa Toyota, alliiert, der auch den Klang der Hamburger Elbphilharmonie verantwortet.

    Eine nicht immer unkomplizierte Kooperation, wie beide betonen, gelte es doch die Notwendigkeiten der Akustik mit dem Verve des Architekten zu vereinen. Eine Kooperation jedoch, die stets bemüht war, den Benutzern und Besuchern des Hauses optimale Rahmenbedingungen zu liefern. Yasuhisa Toyota:

    "Mit der Akustik ist es wie mit der Architektur. Es geht nicht darum, überall den gleichen Klang zu erzeugen. Man muss ein Konzerthaus an seinem Klang erkennen können, aber dieser muss stets ein Optimum, seine eigene Schönheit erreichen."

    Doch damit hören die Parallelen zur Elbphilharmonie nicht auf. Das Kopenhagener Konzerthaus ist mit 240 Millionen Euro dreimal so teuer geworden wir ursprünglich geplant. Aufgrund der explodierten Kosten haben rund 500 Mitarbeiter des Dänischen Rundfunks ihren Job verloren. Die Verantwortlichen aber schauen nun voraus. Der neue Konzertsaal setze internationale Maßstäbe, so Musikchef Leif Lønsmann. Wie in der Berliner Philharmonie sind die Musiker in der Mitte des Raumes platziert. Das, so Lønsmann, schaffe eine bislang unbekannt Intimität sowie Raum für neue musikalische Formen und Experimente:

    "Es ist eine so distinkte, eine so trockene und präzise Akustik, die jeden Musiker dazu bringt, besser zu spielen als zuvor. Musiker sind ambitiöse Künstler. Und diese Akustik lässt sie bis an ihre Grenzen gehen und hebt das gesamte Orchester auf ein neues Niveau."
    Und das können die Musiker erstmals heute Abend unter Beweis stellen. Mit einem Gala-Abend und unter Anwesenheit der gesamten königlichen Familie wird das Konzerthaus eröffnet - mit Werken unter anderem von Carl Nielsen, Maurice Ravel, aber auch eigens komponierten Stücken. Der Dänische Rundfunk überträgt live. Dann auch werden die Gebührenzahler erfahren, ob sich das viele Geld für ihr kulturelles Aushängeschild gelohnt hat, ob es seinen Platz finden wird und dem Geist Louisianas entspricht.